Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
23-SEP-2002

"Dann haben alle scheinbar gelogen....?
(- von Günther HARMS,
- Landesfachwart Gerätturnen Männer im Niedersächsischen Turner-Bund -

 

...zu den Anmerkungen des DTB-Vizepräsidenten Olympischer Spitzensport, Eduard Friedrich
Mit großem Interesse habe ich Eduard Friedrichs Beitrag gelesen. 
Viele seiner Aussagen zeigen mir, wie viel Recht Camus seinerzeit gehabt hat, als er sagte: „Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit!“


Denn wenn die Aussagen Eduard Friedrichs der Wahrheit entsprechen, stehen sie im krassen Gegensatz zu den bisherigen im Gymforum erschienenen Meinungsäußerungen und den getroffenen Aussagen der Leistungssport-Verantwortlichen der Landesverbände im Rahmen einer Konferenz am 11.9.2002 in  Leipzig, bei der auch die Vorgehensweise der DTB-Verantwortlichen diskutiert wurde. Bei der Sitzung war ich selbst anwesend.
Von den Anwesenden wurde folgendes kritisiert:
1. Die anwesenden Landesverbände waren sich einig, dass die Vorgehensweise der DTB-Verantwortlichen falsch war und erst dadurch die Konfrontation ausgelöst wurde. Eduard Friedrich hätte zuerst mit den betroffenen Landesverbänden sprechen müssen, bevor man den Weg über Aktive und Trainer wählt.

2. Es gibt keine klaren Konzepte zur Zentralisierung. Die Methodik der vorgesehenen Trainingslehre ist nicht publik gemacht worden, so sie denn überhaupt vorhanden ist.

3. Trainer und Turner wurden seitens der DTB-Verantwortlichen erpresst und ihnen wurde mit entsprechenden Konsequenzen gedroht, wenn sie die Zentralisierung nicht mittragen werden.

4. Das Auftreten der DTB-Verantwortlichen war bei sämtlichen Gesprächen absolut arrogant, wodurch das Vertrauensverhältnis zwischen Turner und Trainern auf der einen sowie den DTB-Verantwortlichen auf der anderen Seite zwangsläufig gestört wurde.

5.  Die offenen Fragen der Landesverbände wurde seitens der DTB-Verantwortlichen zu keiner Zeit beantwortet. Die Diskussion mit den Landesverbänden wurde zu keiner Zeit gesucht, obwohl diese und die jeweiligen Landessportbünde zu einem erheblichen Teil den Leistungssport finanzieren und sie somit bei möglichen Veränderungen des derzeitigen Status die Leidtragenden wären.

Bei Gymmedia kann ich nun lesen, dass Eduard Friedrich sagt, " .... dass das Konzept seit Anfang des Jahres vorbereitet wird, es regelmäßig im Lenkungsstab und mit dem Aktivensprecher besprochen sowie allen Interessierten beim jeweiligen Sachstand ebenfalls erläutert wurden ...".

Dem steht die Aussage des Aktivensprechers Rene Tschernitschek gegenüber, der sich am 13.9.2002 auf der Internetseite im Gymforum wie folgt äußert:
 Wenn da von einem angeblich einstimmigen Beschluss des Lenkungsstabes die Rede ist – dessen Mitglied ich als Athletensprecher immerhin bin – muss ich sagen, dass ich das nicht nachvollziehen kann.Iim Gegenteil: In diesem Gremium habe ich bereits am 24. März d.J. als dieser besagte Lenkungsstab am Rande des Cottbuser Turniers tagte, im Auftrage der Athleten deren ablehnende Haltung gegenüber den „Konzentrierungsvorstellungen“ mitgeteilt, zumal diese aus unserer Sicht damals weder strukturell noch personell als Konzeption erkennbar waren. Ich hatte schon damals das Gefühl, dass ich überhaupt nicht richtig ernst genommen wurde. Von einer Entscheidung in diesem Sinne kann deshalb absolut nicht die Rede sein, denn Vize-Präsident Eduard Friedrich sprach selbst von ‚ersten Gedanken‘. Deshalb war ich schon überrascht, als DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam bereits Anfang Mai zu einer Trainerweiterbildung in Leipzig den Standort Berlin als eines der beiden künftigen Konzentrierungszentren bekannt gab....!“

Eduard Friedrich sagt ferner, dass sich vier Turner einer Zentralisierung verweigerten, einleuchtende Gründe für die Weigerung aber nur Sebastian Faust gehabt hätte. In diesem Zusammenhang verwundert dann die tatsächliche Handlungsweise der DTB-Verantwortlichen. Als sich Sebastian Faust gegen die Zentralisierung aussprach, wurde er umgehend aus dem Athenkader entfernt.

Eduard Friedrich sprach von einer sachlichen Atmosphäre bei den Gesprächen mit den Turnern. Dem entgegen steht die Empörung über Art und Weise der Gesprächsführung der DTB-Verantwortlichen mit den Turnern, wie sie mir berichtet wurde. Nach Aussagen von Beteiligten mehrerer Landesverbände hat dies erst dazu geführt, dass die Turner dem Bundestrainer Hanschke das Misstrauen ausgesprochen haben.

Ich finde es sowieso fragwürdig, dass sich in solchen Gesprächen ein Turner drei Spitzenfunktionären gegenüber sieht und er seine Position allein vertreten muss. Dies erinnert mich eher an ein Verhör, wie es wohl in ähnlicher Form auch abgelaufen sein muss, wenn ich den Artikel von Martina Martin in der Freien Presse Chemnitz vom 12.9.2002 lese, in dem u.a. Tom Neubert wie folgt zitiert wird: „Man setzte mich dann richtig unter Druck, drohte auch mit Mittelkürzungen für den gesamten Stützpunkt.“ Sven Kwiatkowski ergänzte dazu: „Meine Gründe wurden nicht akzeptiert.“

Eduard Friedrich gibt zu, beim Abschlussgespräch mit den Trainern auf die indirekten und direkten Folgen für jeden einzelnen der Trainer hingewiesen zu haben, die sowohl der Stützpunkt als auch das Fachgebiet bei einer Verweigerungshaltung zu erwarten haben. Das ist aus meiner Sicht der Gipfel an Unverschämtheit, denn immerhin hätte es sich gehört, diese Diskussion mit den betroffenen Landesfachverbänden und den Landessportbünden zu führen und nicht mit einem Angestellten und damit auch abhängigen Trainer.

Eduard Friedrich erdreistet sich darüber hinaus zu behaupten, dies aus Gründen der Fürsorgepflicht für die betroffenen Trainer getan zu haben. Das ist Zynismus pur.

Für mich als Verantwortlichen für das Gerätturnen Männer im Niedersächsischen Turner-Bund steht darüber hinaus die Frage im Raum, warum Eduard Friedrich zuerst von „drei Verweigerern mit regelbarem Hintergrund“ spricht, in der Folge aber nur noch von den zwei Turnern aus Chemnitz. Sind dies schon seine ersten Sanktionen gegenüber dem Turner Sergej Pfeifer, nur weil der NTB einen Antrag an den Deutschen Turntag gestellt hat, Eduard Friedrich das Misstrauen auszusprechen? Geht man so mit der Karriere eines jungen Sportlers um? Sind Eduard Friedrich junge Menschen und deren Zukunft egal? Korrespondiert dies mit der an anderer Stelle von Eduard Friedrich so hoch geschätzten Fürsorgepflicht für die ihm anvertrauten Menschen?

Niemand – weder ich noch der Niedersächsische Turner-Bund – wird sich Anstrengungen verschließen, den Spitzensport innerhalb des DTB nach vorne zu bringen. Auch für mich ist das oberste Ziel, alles dafür zu tun, dass das deutsche Gerätturnen Männer wieder an die Weltspitze herangeführt wird. Aber es bedarf eines einheitlichen, umsetzungsfähigen Konzeptes, das von allen sich für den Spitzensport einsetzenden und handelnden Personen getragen werden kann und selbstverständlich von den Athleten und den Trainern auch.

Darüber hinaus bedarf es des gegenseitigen Vertrauens, und zu Eduard Friedrich habe ich kein Vertrauen mehr. Spitzenleistungen entstehen nicht in einer Atmosphäre der Repression, Willkür und Beliebigkeit.

Günther Harms
Landesfachwart Gerätturnen Männer im Niedersächsischen Turner-Bund  

 

  ... lesen Sie auch die "Stellungnahme der Athenkader" zur DTB-Position vom 23-Sep-2002

  ... und : OFFENER BRIEF  an den DTB-Präsidenten von Eckhard Herholz
    "Vom Teufelskreis, von aufgehaltenen Händen....der Verwaltung des permanenten 
      Notstandes...oder handeln Sie J E T Z T , Herr Präsident!"

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Aktuelle Diskussion nach dem deutschen Turn-Desaster 
bei Olympia
2000,
nach der Turn-WM 2001 
sowie nach den "Konzentrationsversuchen" des DTB in der aktuellen Athenvorbereitung 2004
:

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