Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
19-Oct-2004

Schwarze Schafe in der Kampfrichterei eignen sich nicht zur Verunglimpfung der gesamten Branche
- Stellungnahme des Deutschen Turner-Bundes -

- von Wolfgang Willam, DTB-Sportdirektor

 


Wolfgang Willam

Zur  "Wertungsproblematik: Hamm - Yang, Tae Young" veröffentlichte Autorin Sandra Schmidt am 03-Okt-2004 einen Artikel im GYMforum.

<< DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam sendete daraufhin den folgenden Beitrag  als  Entgegnung und als "Stellungnahmen des Deutschen Turner-Bundes":

Seit den Finalwettkämpfen der Männer bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen ist (wieder einmal) eine heftige Debatte über die Anwendung, Auslegung und Transparenz der Wertungsvorschriften im Turnen in Gang gebracht worden.
Dabei werden die Athleten mit ihren faszinierenden Leistungen und die Kampfrichter als Juroren dieses Leistungsangebots dann als Antipoden gegenüberstellt, wenn das Wettkampfergebnis durch fehlerhafte Kampfrichterurteile - auch bis in den Medaillenbereich – verfälscht wird.

Zwei Feststellungen sollen dennoch vorangestellt werden, um Hintergründe und öffentliche Interpretationen aus dem ausschließlich subjektiven Feld herauszuführen.

  1. Kampfrichterurteile in der technisch-kompositorischen Sportart Turnen haben zwar eine materielle Grundlage (Code de Pointage), bleiben ihrem Wesen nach aber subjektive Urteile.
  2. Kampfrichterurteile haben sich grundsätzlich nach den gültigen Regeln (Code de Pointage) zu richten und kollidieren dann mit der öffentlichen Meinung, wenn Regeln und Publikumsempfinden nicht übereinstimmen.

Dies führt (bisweilen) zu 2 Kategorien von sogenannten „Fehlurteilen“.

  • Solchen, die aus objektiven Fehlern bei aller Subjektivität des Kampfrichters entstehen
    ( Hamm/Yang) und
  • anderen, die aus der Differenz von Regel und Publikumsempfinden resultieren (Nemow).

Hier soll und muss darauf verwiesen werden, dass dem einzelnen Kampfrichter auf Grund der enorm gestiegenen Leistungsdichte der Turner in der Welt und dem damit nicht Schritt haltenden Regelwerk eine Entscheidungsfindung zur Differenzierung der Bewertung auferlegt worden ist, die sich in dermaßen engen Grenzen vollzieht, dass bereits ein  Abweichen von 0,10 Punkten! bei annähernd gleich guten Übungen als Fehler interpretiert werden kann.
Dass jede Art von „Fehlurteilen“ Nachteile bzw. Vorteile für einzelne oder mehrere Turner nach sich zieht, liegt auf der Hand.
Was nicht auf der Hand liegt, ist die summarische Vereinheitlichung der „Fehlurteile“ auf Kosten der Kampfrichter.

Diese Art von Vereinheitlichung gerät dann bei einigen „freien“ Journalisten zu wenig differenzierten Pauschalurteilen über die Kampfrichter.

So wird im Kommentar von Sandra Schmidt im Gym-Forum die Hauptaufgabe der Kampfrichter nicht mehr mit der Bewertung von Wettkampfübungen an sich beschrieben, sondern sehr nebulös mit - Zitat -
 „etwas für sein Land zu tun“.

Auch im weiteren sieht die Autorin eher die Kampfrichtertätigkeit im Protektionismus als „Sprungbrettfunktion“ für einzelne Athleten denn als die – nicht immer einfache – Aufgabe der Leistungsbewertung und Leistungsdifferenzierung aller am Wettkampf beteiligten Turner.

Damit wird aber nicht nur das Aufgabenfeld der Kampfrichter völlig unzulässig in ein rein sportpolitisches Segment verlagert, sondern es werden zugleich die vielfältigen Bemühungen anderer (Heimtrainer, Bundestrainer, Verbandsfunktionäre) am Zustandekommen der exzellenten turnerischen Leistung Fabian. Hambüchens diskreditiert.

Wir gehen davon aus, dass sich Journalisten der Tragweite ihrer Aussagen auch auf sportpolitischem Terrain bewusst sind, aber jene Passage im Kommentar von Sandra Schmidt, wo den deutschen Kampfrichtern unterstellt wird, in gleicher Weise wie das A-Kampfgericht am Barren in der Einzelmehrkampfentscheidung wissentlich Fehlentscheidungen herbeizuführen, ist - gelinde gesagt - eine Unverschämtheit, die die Grenzen des Anstands überschreitet.
Es ist rufschädigend nicht nur für die genannten zwei deutschen Kampfrichter, grenzt an den Tatbestand der Verleumdung und ist auch nicht mit der Wettleidenschaft der Autorin zu begründen.
Im Interesse einer sachlich begründeten Zusammenarbeit erwarten wir eine Zurücknahme und Richtigstellung der im Kommentar getroffenen Unterstellungen.

Wolfgang Willam,
Sportdirektor im Deutschen Turner-Bund

 
Mehr zu diesem Thema:
>> E.Herholz:       "Geht's nur um Gold oder nicht auch um die Zukunft des Turnens...?
>> S. Schmidt:      Wertungsproblematik: Hamm - Yang, Tae Young
>> W. Willam:      "Schwarze Schafe in der Kampfrichterei eignen sich nicht zur Verunglimpfung der gesamten Branche"
>> Dr. K.Ewald: 
Die ewige Bewertungsproblematik....
 

Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?

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