Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
21-Okt-2004

Die ewige Bewertungsproblematik....
- ... nicht nur Differenzen Willam / Schmidt -

- von Autor Dr. Karsten Ewald

 


Dr. Karsten Ewald

Zum Streit zwischen Wolfgang Willam und Sandra Schmidt
Der Sportdirektor des DTB versucht in seiner "DTB-Stellungnahme" als Antwort auf einen GYMforum-Beitrag der Autorin Sandra Schmidt mit drastischen Worten eine Reinwaschung der Kampfrichterleistungen. Doch diese Leistungen werden in einem System abverlangt, welches überhaupt nicht dazu geeignet ist, Leistungen zu objektivieren. Wenn die maximal erreichbare Punktzahl festgeschrieben und bei internationalen Meisterschaften ein Ausgangswert von 10 Punkten normal ist, dann bleibt eben nur ein winziger Spielraum für Kampfrichter. Ein Endwert von 9.737 Punkten bedeutet eben auch, dass ein individueller Spielraum von 0,1 Punkten entscheidend sein kann. Kein Mensch der Welt kann in Echtzeit eine derartig kleine Differenz im Leistungsunterschied wirklich bestimmen.  

... zur Sachlage:
Das bedeutet nun mal auch, dass ein Kampfrichter um eben diese Differenz nach oben oder unten abweichen kann, ohne dass dies auffällt. Dies hat natürlicherweise zur Folge, dass derartige Abweichungsmöglichkeiten auch ausgenutzt werden, wenn es um nationale Interessen geht. Meistens sind die Unterschiede freilich noch viel größer, denn mit der Bedeutung des Wettkampfes schwindet auch die Scham. Das war auch früher schon so – und jeder Turnexperte weiß es. Jeder weiß auch, dass ein nationaler Kampfrichter nur dann zu olympischen Ehren kommen kann, wenn er das Vertrauen seines Verbandes besitzt. Dieses Vertrauen erwirbt man sich in erster Linie durch knallharte Durchsetzungsfähigkeiten am Kampfrichtertisch. Auch dies dürfte bekannt sein.
Zu DDR-Zeiten gab es hierfür genaueste strategische Überlegungen und auch Absprachen mit den Kampfrichtern anderer Nationen. Dieser Umstand veranlasste mich damals, mich vom Hochleistungsturnen abzuwenden. Die Regeln schienen manchmal sehr einfach: Wir wollen den Sieg am Sprung - und wenn der nicht gestanden wird – dann eben am Barren. Natürlich war die DDR-Kaderdecke damals weitaus dicker. Was die generelle Bewertungsstrategie betraf, so hieß es damals hinter vorgehaltener Hand: "...erst weiß, dann gelb, dann schwarz..." ...hiermit war die Hautfarbe gemeint.....! Warum soll sich denn hier etwas geändert haben? Man möge mir bitte glauben, dass ich mich hier nicht mit solcherart hergeholten Behauptungen aus dem Fenster lehne, aber ich werde auch keine Namen nennen.

Herr Willam redet hier von "Verleumdung". Er muss dies als Sportdirektor auch tun, doch es ändert nichts an den Tatsachen, die sich leider so offenbart haben, wie es Frau Schmidt (leider etwas polemisch überhöht) beschreibt.

Die wirkliche Dimension des Problems

Warum will ich hier das Nest beschmutzen? Weil es in irrsinnig verkrusteten internationalen Bewertungsstrukturen offenbar nicht anders geht, als dass zu drastischen Einflussmöglichkeiten gegriffen wird. Dem IOC sei Dank – es scheint sich etwas zu rühren. Vielleicht kommt ja auch endlich mal ein Bewertungsmodus zu Stande, der auch den unbedarften Fernsehzuschauer an den hervorragenden Leistungen der Turner teilhaben lässt, ohne dass er sich nach jeder Wertung fragen muss: ja was ist denn das jetzt? Die moderne Technik würde sogar eine Ermittlung des technischen Ausgangswertes während der Übung live auf dem Fernsehschirm möglich machen. Nur dann muss die 10 als Maximalwert fallen. Das sind keine neuen Ideen. Für mich gibt es nur einen einzigen Grund, warum diese Erkenntnis bisher in den internationalen Turngremien keine Beachtung fand: der Spielraum für Manipulationen wird geringer, persönliche Machtansprüche schwinden so wie die Einflussmöglichkeiten der Funktionäre. Es klingt vielleicht hart, aber ich bin der Auffassung, dass die Attraktion und der Medienwert des Turnens in der Vergangenheit den Machtgelüsten einiger internationaler Funktionäre geopfert wurden.
Hoffen wir im Interesse unserer Sportart das Beste für die Zukunft.
Dr. K. Ewald
Präsident KTV Stuttgart
Geschäftsführer MTV Stuttgart

 
Mehr zu diesem Thema:
>> E.Herholz:       "Geht's nur um Gold oder nicht auch um die Zukunft des Turnens...?
>> S. Schmidt:      Wertungsproblematik: Hamm - Yang, Tae Young
>> W. Willam:      "Schwarze Schafe in der Kampfrichterei eignen sich nicht zur Verunglimpfung der gesamten Branche"
>> Dr. K.Ewald:   
Die ewige Bewertungsproblematik....
 

Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?

(... wir sind sehr auch an Ihrer Meinung interessiert. Diskutieren Sie mit!)
YOUR mail, to:  /  Abschicken an... :
email_monitor.gif (15369 Byte)
office@gymmedia.com