|
|
(2)
Replik zur REZENSION von Sandra
Schmidt (Magazin LEON*, 06/2005) über das Buch: Arnold
/ Leirich : "Gerätturnen
Terminologie"
oder: ... ein historisches Buch wider Willen! ....gegen wessen Willen
eigentlich?)
<< von Kurt Knirsch, 72138 Kirchentellinsfurt
"Zunächst
vorweg:
"Es berührt den Verfasser
dieser Zeilen, der die Entwicklung des Turnens nach dem 2. Weltkrieg in
über 50 Jahren unmittelbar miterlebte und gestaltete, schon sehr
seltsam, die Zeilen von Frau Schmidt verdauen zu müssen. |
Aus meiner Sicht
als Wettkämpfer, Lehrer und Dozent an der Universität
in Forschung und Lehre, als Verantwortlicher auch für die Aus- und
Fortbildung von Lehrern und Trainern, als Trainer auf nahezu allen
Niveaustufen, als jemand, der Fachpublikationen zum Gerät- und
Kinderturnen veröffentlichte, als ehrenamtlich für den regionalen,
nationalen und internationalen Verband Tätiger hat die Bemühungen für
eine einheitliche Turnsprache miterlebt.
Insbesondere die Forschungen zur Terminologie des Gerätturnens, die von
einem Team (K. Arnold, Prof. G. Buchmann, J. Leirich und K. Rieling u.
a.) zwischen 1967 und 1970 durchgeführt wurden, war für die
Kommunikation unter Fachleuten im deutschspra chigem Raum und auch für
die Weiterentwicklung der Lehre im Gerätturnen von immenser Bedeutung.
Der DTB verwendet (per Beschluss) sei 1980 für alle offiziellen
Ausschreibungen von Pflichtübungen diese „Terminologie
Gerätturnen“.
Und nun zum Fachlichen:
Fachsprachen sind nun einmal dafür da, unabhängig ob im Ballett,
der Medizin, Physik, Biologie und auch im Sport, sowohl verbal als auch
schriftlich, eine fachliche Kommunikation zu ermöglichen.
Wer sich die Bezeichnungen von Turnelementen in Veröffentlichungen nach
1945 im deutschsprachigen Raum zur Turnsprache und Turnübungen (Mügge/Benedix
1952, Dickhut/Banz 1959, Bertram 1967, Wiemann 1968, Herold/Göhler
1973, Adatte/Günthard 1976 und einigen anderen deutschsprachigen
Autoren) einmal genauer anschaut, kann verstehen, warum vor allem in der
Ausbildung und in Ausschreibungen eine Einheitlichkeit hergestellt
werden musste.
Auch in der FIG waren bereits 1976 bis 1984 Bestrebungen zu einer
Vereinheitlichung für die Neufassung des Code de Pointage vorhanden,
die leider nur diskutiert und nicht umgesetzt wurden.
Am Beispiel des „Kippaufschwung rücklings vorwärts“ (in
„Gerätturnen Terminologie“) wird der „Wirrwar“ besonders
deutlich, denn folgende andere Bezeichnungen werden, je nach Ländern
oder Regionen, dafür verwendet:
Durchschub, Adlerschwung, Wolkenschieber, Felgüberschwung. Um dieses
Element exakt zu beschreiben und verstehen zu können, eignet sich
ausschließlich die „historische“ Benennung „Kippaufschwung
rücklings vorwärts“, nach Leirich/Rieling u.a..
Diese Bezeichnung beruht auf biomechanischen Analysen in räumlicher,
zeitlicher und dynamischer Hinsicht. Daraus leiteten sich Begründungen
zu den bewegungsentscheidenden Positionen, Aktionen und Zeitverläufen
ab.
Wir können damit verstehen, warum eine Bewegung „funktioniert“
(deshalb der Begriff „Funktionsphasen“) und so auch Elemente besser
erklären und lehren.
Im Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen hat Prof.
Göhner 1974 seine „Lehre nach Funktionsphasen“ veröffentlicht, die
ich dann in meinen Turnpublikationen für die Lehre im Gerätturnen
umgesetzt habe. Auch dies beruht auf den Arbeiten des genannten
Forschungsteams von 1967-1970.
Die kursierenden „Mehrfachbezeichnungen“ könnten für viele
Elemente fortgesetzt werden, zumal dann, wenn man die
„Turnhallensprache“ in das Bezeichnungschaos dazu nimmt. Wenn
außerdem die neuen Elemente, die nach ihrem Erfinder benannt werden,
dazu kommen, ist die „Unübersichtlichkeit“ fast perfekt und unserer
Meinung nach auch einer der Gründe, warum in der Öffentlichkeit neben
dem Wertungschaos durch die FIG das Turnen nur noch von Fachleuten
verstanden wird.
Frau Schmidt sollte einmal erklären, wie sie z. B. das Element „Aus
dem Seitstand vorlings mit Ristgriff, Hüft-Aufschwung vorlings
rückwärts“ exakt beschrieben hätte!
Da hilft es auch nichts, wenn sie dies mit einer „Schülerbemerkung“
fast ins lächerliche zieht, denn dies ist nun mal die einzige, präzise
Beschreibung.
In einer Sache bin ich allerdings mit Frau Schmidt einer Meinung, die
„Terminologie Gerätturnen“ hat viel von ihrem Wert verloren, weil
die „Fünfsprachigkeit“ nicht mehr enthalten ist.
Auch ihre kritischen Bemerkungen zu
den Zeichnungen kann ich nachvollziehen, Sie meint die vielfach
fehlerhaften, den Text erläuternden Bewegungszeichnungen von G.
Buchmann. Diese waren nicht für die Darstellung von optimalen
Bewegungstechniken gedacht.
Dazu: „methodisch falsche Körperpositionen“ gibt es nicht,
höchstens bewegungstechnisch falsche Abbildungen (vgl. sie Angaben zu
S. 63, 73, 87 und 88).
Eine neue Veröffentlichung, zur Terminologie Gerätturnen, die
auf der Grundlage exakter biomechanischer Analysen beruht, mit technisch
optimalen Bewegungsabläufen als Reihenbildern versehen, auch für die
Konventionalausdrücke bei neuen Elementen, die nach ihren Erfindern
benannt werden, z. B. auch die erwähnten Sprünge von Chorkina, würden
einen enormen Forschungsaufwand bedeuten.
Nach meiner Einschätzung wäre derzeit kein Sportinstitut in der BRD,
auch der Deutsche Turner-Bund nicht, zur Zeit finanziell oder personell
dazu in der Lage.
Ein Letztes: Die Terminologie Gerätturnen, sowohl der 2. (1976)
und 3. Auflage (1983) war unmittelbar nach der Wende 1991 vergriffen.
Es stellt sich die Frage, ob es nach
15 Jahren dann besser gewesen ist keine „neue Terminologie
Gerätturnen“ aufzulegen und damit k e i n e
turnsprachliche Veröffentlichung im Gerätturnen im deutschsprachigen
Raum zu haben oder mit der zugegebener- maßen nicht den heutigen
Möglichkeiten entsprechenden Auflage zu leben?
Dr. Kurt Knirsch
72138 Kirchentellinsfurt
|