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Ethik oder Pragmatik - Protest gegen IOC-Präsident Samaranch

- von Hans-Jürgen Zeume

- Österreichs IOC-Mitglied Philipp von Schoeller beklagt die hohen Werteverluste der olympischen Bewegung in einem Berliner Streitgespräch

- Turn-Olympiasieger Klaus Köste würdigt das IOC für die "Rettung" der olympischen Sportarten

Wenn ein Olympier Beifall, ehrlichen und respektvollen gleichermaßen , bekommt, dann muß schon etwas besonderes passiert sein. So geschehen unlängst (12.Juli 2000) im Berliner Deutschen Olympischen Institut am Wannsee beim

Streitgespräch
"Vor Sydney: Was ist von den Traditionen der Olympischen Idee noch geblieben?"

Das IOC-Mitglied, dem der Applaus des erlauchten Auditoriums gehörte, war Philipp von Schoeller (78), seit 1977 Mitglied des erlauchten Herren- und Ladies-Klubs, als Sportler 1953 österreichischer Meister im Springreiten. Acht Jahre war er auch Präsident der weltberühmten spanischen Reitschule in Wien. "Die eigentliche Krise der olympischen Bewegung", führte er aus, "ist der Verlust des Amateurismus. Die Krise ist damals, 1981, beim Kongreß in Baden-Baden aufgebrochen, als man den Amateurismus abschaffte und nichts Ebenbürtiges entwickelte. Diese Krise ist bis heute nicht überwunden. Es ist damals versäumt worden, den ethischen Unterbau anzulegen."

Im nächsten Jahr – er wird am 23.August 80 Jahre alt - scheidet der Österreicher aus dem IOC aus. Es kann auch sein, daß er es in Sydney freiwillig und enttäuscht verläßt. Erst 18 Jahre nach von Baden-Baden, so führte er aus, "schuf man mehr aus der Not die Ethik-Kommission. Es ist jedoch kein Ethik- sondern ein Verhaltenskodex herausgekommen." Das Beste, so erstaunlich offen der Olympier, seien in der olympischen Bewegung noch die Sommerseminare im antiken Olympia auf dem Peleponnes. "Dort wird noch um Ethik gerungen und diskutiert. Viele der Berichte von dort verschwinden jedoch in Lausanne in den Schubladen. Es muß ein unheimlicher Horror davor bestehen, sich mit ethischen Fragen auseinanderzusetzen."

In der Diskussionsrunde saßen auch die drei ehemaligen DDR-Olympiasieger Wolfgang Behrendt (Boxen/1956), Klaus Köste (Turnen/1972) und Doris Maletzki (Leichtathletik/1976). Köste, immer ein fairer und weltoffener Sportsmann, heute als Sekretär des PDS-Bundestagsabgeordneten Gustav Adolf Schur tätig, war es, der ungeachtet aller Kritik am IOC aus seiner Sicht beurteilte: "Ohne das IOC wäre der olympische Sport schon tot. Die Verteilung der Einnahmen ermöglicht die Entwicklung der olympischen Sportarten in allen Mitgliedsländern." Auch dafür gab es lauten Beifall.

Doch der Gast aus Österreich, bis auf den Tag auch begeisterter Segler, ließ nicht locker und attackierte die neue Generation Sportler in den olympischen Arenen. "Die Würde der Niederlage wird völlig vergessen. Es geht nur noch um den Sieg. Um den Sieg zu kämpfen ist etwas würdevolles. Doch kann man nicht auch würdevoll verlieren?" Er kam auf das Fair play zu sprechen. "Viele Sportler können nicht verlieren."

Sein kritischer Hinterfrager Herbert Fischer-Solms vom Kölner Deutschlandfunk erinnerte während der Diskussion daran, daß IOC-Präsident Samaranch einmal das IOC als Weltregierung des Sports apostrophierte. Der Österreicher bat um eine Gegenfrage als Antwort: Ist das nicht eine Selbstüberschätzung gewesen? Und welche Lösung hätte man nach der die olympische Krise auslösenden Kongreß in Baden-Baden treffen müssen? "Da hätte die Ethik-Kommission sofort gebildet werden müssen. Geht es nur noch um die Goldmedaillen, geht es nicht auch um die Vorbildwirkung?"

Die Schlußsätze des Industrie-Unternehmers und Vaters von sechs Kindern, zu Hause in Dörfler, hatte testamentarische Züge: "Ich bin froh, daß man mir die Gelegenheit gegeben hat, hier in Berlin frei meine Gedanken zu äußern." Er fahre nun nach Hause mit der Frage, was in der Zukunft für den olympischen Sport wichtiger sei, Pragmatik oder Ethik. Die Antwort, so vermutet er selbst, wird wohl in der Mitte liegen. "Ich bin kein gelernter Akademiker, aber ich werde nicht aufhören zu streiten. Natürlich hat Samaranch Unglaubliches geschafft. Er hat noch mehr geleistet, als ich zu kritisieren habe."  Hans-Jürgen Zeume.

Lesen Sie zum Thema Samaranch auch die weiteren Veröffentlichungen in unserem GYMforum:

- "Samaranch im Widerspruch zwischen Lob und Tadel" (Willi Ph.Knecht / NOK-Report 7-2000)
- "Frommer Asket", Hommage zum 80. Geburtstag J.A.Samaranchs (Jens Weinreich, Artikel in Berliner Zeitung, 15.07.2000)


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