Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
10-Feb-2003

Debrecen 2002 und die Wertungsvorschriften

Eine Nachlese 
von Bernard Schwermann

  Die Kunstturnweltmeisterschaften 2002 im ungarischen Debrecen haben in deutlicher Weise die Schwächen und Mängel der Wertungsvorschriften (WV) im Männerbereich bestätigt.
Die WV sind ungenau, ungerecht, unverständlich und damit medien- und publikumsfeindlich
und außerdem offen für Manipulationen.


Bereits in den Beiträgen von Gisela Bader vom 10.10.2002 und von mir selbst an dieser Stelle
 (25.09.2002, GYMforum) wurde dies festgestellt.

In Ergänzung dazu hier einige Beispiele zu Debrecen.

1) Bei Durchsicht der Siegerlisten ergibt sich folgendes Bild:

   Boden:             Von Rang 1 bis 7  =  Differenz  0.150  Punkte
   Pauschenpferd: Von Rang 1 bis 7  =  Differenz  0.162  Punkte
   Ringe:              Von Rang 1 bis8   =  Differenz  0.175  Punkte
   Sprung:            Von Rang 1 bis 8  =  Differenz  0.606  Punkte
   Barren:             Von Rang 1 bis 7  =  Differenz  0.325  Punkte
   Reck:               Von Rang 1 bis 6  =  Differenz  0.075  Punkte.


Diese Zahlen sprechen für sich. Genauigkeit und Gerechtigkeit lassen sich hiervon nicht
ableiten. Eine veränderte Wertung um 0.05 bzw. 0.10 Punkte kann die gesamte Rangfolge  
auf den Kopf stellen. Eine andere Wertung mit größeren Abweichungen ist bewusst oder unbewusst in überflüssiger Weise auch nach der WV möglich. Das haben wir Jahrzehnte lang erlebt.
Die Fixierung auf die Maximalnote 10.0 verschärft die Sache zusätzlich.

2) Offensichtlich wurde auch diesmal nicht in allen Fällen der Richtige zum Weltmeister
    gekürt. Große Diskussionen löste z.B. das Finale am Pauschenpferd zwischen
    Urzica und Xiao Quin aus. Viele Insider sahen den Chinesen vorne.
    Auch an den  Ringen haben einige den Heimvorteil für Csollany als Grund für seinen Sieg
    gegen Jowtschew gesehen.
    Dagegen erschien der Sieg von Maras am Reck als völlig unverständlich, auch dann,
    wenn nach der derzeitigen WV bereits 1 Flugelement ausreicht.

Diese Misere der ständigen Diskussionen über den jeweils wahren Sieger ist einer der gefährlichsten Faktoren für unsere Sportart. Publikum und Medien reagieren mit Unverständnis, wenn sie merken, dass dort geschoben und betrogen wird.
Abgesehen von der Tatsache, dass noch immer nicht die genaue Wertigkeit einer Leistung
und eine bessere Leistungsdifferenzierung in Punkten festgestellt wird, sondern gemäß einer Mindestanforderung von der Maximalnote 10.0 ausgegangen wird, erscheint hier als Problem
das zu große Übergewicht der B-Kampfrichter. Diese machen dann jeweils den Weltmeister
unter sich aus. Eine unhaltbare Situation.

Resümee
Der letzte sich in Deutschland noch mit Turnen befassende Sender "Eurosport" hat erfreulicher Weise ausführlich aus Debrecen gesendet. Dabei wurde durchaus durch die Kommentatoren Sigi Heinrich und den kompetenten Silvio Kroll fachgerecht erläutert und ergänzt. 
Insider werden sich wohl schmunzelnd zurückgelegt haben, wenn beide den Zuschauern versucht haben zu erklären, warum diese oder jene Übung höher bewertet wurde oder dieser und nicht jener Turner Weltmeister wurde. Dabei wählten sie aus erklärten Gründen (siehe 1 und 2) das simpelste aller möglichen Mittel:
Vielleicht hatte der Turner A einen Ausgangswert von 10.60 Punkten gegenüber Turner B von nur 10.50 Punkten..... Dies könnte den Ausschlag gegeben haben!!               
Bernard Schwermann
 
 

Aktuelle Diskussion nach dem deutschen Turn-Desaster 
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