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Deutschlands beste Turnerin Yvonne Pioch (SC Berlin) denkt über Rücktritt nach: |
. | 40 Meter Anlauf, ein Sprung,
Handstandüberschlag mit Salto und Schraube. Unsanft endet die Übung auf Rücken und
Hinterkopf. Für zehn Sekunden bleibt Yvonne Pioch liegen. Weh getan hat sich die
Kunstturnerin nicht, aber sie verweilt kurz in der Ruhestellung. Nach dem Aufstehen ein
paar Sätze mit dem Trainer und auf zum nächsten Versuch. Alltag einer Turnerin, nur wie
lange ist das noch der Alltag von Yvonne Pioch? Mit 19 Jahren gehört die achtfache
deutsche Meisterin zu den Älteren im Geschäft. Da fällt es nicht leicht, sich von Tag
zu Tag zu motivieren, zu quälen, immer wieder aufzustehen. Zumal Pioch mit ihrer
Mannschaft bei der WM vor drei Wochen die Qualifikation für dieOlympia in Sydney
verpasste. Entscheidung aufgeschoben "Ich wollte aufhören, hatte keine Motivation zum Training mehr, schildert die 19-Jährige ihre tiefe Enttäuschung. Mit Trainer Steffen Gödicke hat sie nun einen Kompromiss geschlossen. Pioch absolviert noch die letzten Wettkämpfe des Jahres und nach Bundesliga, Berolina-Cup und DTB-Gala wird neu kalkuliert. In den Weihnachtsferien wird dann eine Entscheidung gefällt. Im März werden bei der EM vom Deutschen Turnerbund noch zwei Einzelplätze für Sydney vergeben. Welche Norm dafür angelegt wird, ist noch nicht klar. Sollte es einen Mehrkampfplatz geben, hat die Schülerin von Gödicke durchaus Chancen. "Aber es wird schwer, sie zu motivieren", weiß ihr langjähriger Coach. "Wir sollten den Platz nicht einfach anderen überlassen, aber sie muss selbst entscheiden." Vor einem Jahr erkrankte Yvonne Pioch am Pfeifferschen Drüsenfieber und kämpfte sich wieder heran, 1996 erlitt sie einen Innenbandriss am linken Fuß und qualifizierte sich dennoch im selben Jahr für Atlanta. Nach der verpassten Qualifikation stellt sich die Mehrkampfmeisterin von 1998 erneut die Fragen von da-mals. "Wozu das Ganze? Warum höre ich nicht einfach auf?" Angst vor der Enttäuschung Wie auf so viele Athleten üben gerade die Sommerspiele in Australien auf Pioch eine magische Anziehungskraft aus. "Wenn ich genau wüsste, dass ich es schaffe, müsste ich nicht überlegen", sagt sie. Neben den Qualen des Trainings, neben den Tücken der Geräte muss Pioch mehr als ihre Konkurrentinnen mit ihrer Gesundheit ringen. Leicht fängt sie sich eine Erkältung ein, groß ist bei ihr die Verletzungsgefahr. "Ich habe Angst, es nicht zu schaffen." Ihr Trainer wird sie verstehen, so oder so. "Wir sind durch alle Höhen und Tiefen gegangen, da entsteht ein Vertrauensverhältnis", berichtet Gödicke stolz und baut Pioch lieber auf, als sie unter Druck zu setzen. Angst vor einer Zukunft nach dem Turnen hat Pioch nicht. "Ich bin mit acht Jahren weg von meinen Eltern ins Internat gekommen, da wird man schnell selbstständig." Im Gegensatz zum turbulenten Turngeschäft freut sie sich auf einen soliden Beruf: "Sozialversicherungskauffrau, das ist mal was anderes." Dass Yvonne Pioch immer wieder aufsteht, daran besteht kein Zweifel. Aber um zu turnen? Trainer Gödicke und dem deutschen Turnsport würde sie fehlen. (Michael Kölmel, Berliner Zeitung 1.11.1999) (Anmerkung: Im Dezember 1999 traten mit der amtierenden Deutschen Mehrkampfmeisterin Samira Jaeger, Katrin Kewitz und Janina Dube 3 weitere Berliner Nationalturnerinnen zurück). Am 25. Januar 2000 gab es dann dann diese nüchterne Sondermitteilung des Deutschen Turnerbundes: Rücktritt: Yvonne Pioch beendet ihre Turnkarriere Die zweifache Deutsche Mehrkampfmeisterin (1995 und 1998), viermalige WM-Teilnehmerin und Olympiaturnerin von 1996, Yvonne Pioch vom SC Berlin, hat dem DTB mitgeteilt, dass sie beschlossen hat, ihre Turnkarriere zu beenden. Als ausschlaggebenden Grund gab die 19jährige Sanitätssoldatin an, dass sie sich konzentriert auf ihre berufliche Ausbildung zur Sozialversicherungsangestellten vorbereiten möchte.
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