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Katrin Kewitz trägt ihre roten Haare jetzt
kürzer: Die schulterlange Frisur wirkt jugendlicher, weniger streng als der
Pferdeschwanz. Lachend, entspannt und gut gelaunt sitzt sie am Tisch und erzählt von
ihrem für Außenstehende überraschenden Abschied vom Kunstturnen.
"Joh", bestätigt die 17-jährige Schülerin, "s geht mir jetzt viel
besser."
Zwölf Jahre harten Trainings liegen hinter der Turnerin vom TSC
Berlin, zwölf Jahre mit bis zu 30 Stunden Training in der Woche, mit zwölf Stunden
Turnhalle und Schulbank jeden Tag. Harte Arbeit, die aber durch Erfolge entlohnt wurde:
Bei den deutschen Jugend-Meisterschaften 1997 gewann sie alle Titel, wurde von allen
gelobt und als deutsche Hoffnung gepriesen. In den beiden darauf folgenden Jahren errang
Kewitz vier weitere nationale Titel, nahm 1998 in St. Petersburg bei der
Europameisterschaft und im vergangenen Oktober an der Weltmeisterschaft inTianjin teil. |
Kewitz: "..'s geht mir jetzt viel besser."
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Wendepunkt Weltmeisterschaft
Im Rückblick betrachtet, stellt gerade die WM in China Höhepunkt sowie abrupten
Wendepunkt in der Karriere der gebürtigen Görlitzerin dar. Mit dem festen Vorsatz, sich
mit der Mannschaft für die Olympischen Spiele in Sydney zu qualifizieren, hatten Kewitz
und ihre Mitturnerinnen die weite Reise angetreten; hohe Erwartungen insbesondere von der
Funktionäre hatten sie begleitet.
Neben der Olympia-Norm ging es in China auch um die Sportförderung sowie die
Kompetenzfragen im Verband und im Trainerstab. Ein Druck, mit dem die Frauen nicht umgehen
konnten, der aber auch nicht von Bundestrainer Dieter Koch von den Athletinnen fern
gehalten wurde.
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Das Unternehmen scheiterte:
Lediglich Platz 15 im Wettstreit der Nationen sprang heraus, und zur sportlichen
Enttäuschung gesellte sich auch noch die menschliche, als Cheftrainer Koch den Frauen
mangelnden Einsatz und die alleinige Schuld am Versagen gab. Zwar hat sich Koch im
Dezember entschuldigt, zwar haben andere Trainer und Fachleute die Frauen in Schutz
genommen und Koch gemaßregelt, doch für Kewitz war der Fall erledigt. "Wenn wir
Sydney geschafft hätten, hätte ich auf alle Fälle weitergemacht", blickt Kewitz
zurück. "Doch dann auch noch die
Situation mit dem Teamchef ..."
Spontan wollte sie im Oktober alles hinwerfen; "keine Lust mehr", so lautete die
Selbstdiagnose, die jeder bestätigen konnte, der in jenen Tagen in der Halle in
Hohenschönhausen beim Training zusah. "Sehr launisch war ich da, konnte mich einfach
nicht mehr motivieren." Im kleinen Kreis überredeten sie ihre Trainer um Steffen
Gödicke, wenigstens dieSaison zu Ende zu turnen. Aber Ende Dezemberwar dann endgültig
Schluss. |
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Überhöhte Olympia-Norm
"Bis zuletzt haben wir versucht, sie umzustimmen", sagt
Olympiastützpunkt-Trainerin Heidrun Effler enttäuscht. Doch die unrealistischen
Kriterien des Nationalen Olympischen Komitees für die zwei Einzelstartplätze für Sydney
zerschlugen den Trainern jegliche Argumente: Ein Platz unter den ersten zehn im Mehrkampf
oder unter den ersten sechs in einem Einzelfinale bei der EM im April 2000. Da muss schon
alles optimal laufen; auch für Katrin Kewitz, die sich durchaus Chancen am Sprung oder am
Boden ausrechnen durfte. |
Kewitz: Wozu das Ganze...?
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"Wozu das Ganze?",
fragte sich Kewitz und fand für sich die Antwort im Beenden der Laufbahn. "Da
ackerst du dich sowieso nur wieder ab und schaffst es dann doch nicht." Noch einmal
wollte sie das nicht erleben. "Das wäre wie bei der WM." Nun turnt sie nur
noch, wenn sie Lust dazu hat, und wenn nicht, "dann gehe ich eben direkt nach
Hause." Das deutsche Turnen hat mit Katrin Kewitz eine sehr ausdrucksstarke Akteurin
verloren. Die aber hat ihre gute Laune wieder gefunden; man sieht es ihr an.
(Michael Kölmel) |
Kewitz, Pioch, Hofmann -
Good bye, deutsches Frauenturnen...?
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(Bln.Ztg., Artikel vom 15. Januar 2000,
Hervorhebungen, Bildunterschriften GYMmedia, Fotos GYMview Berlin)
Am 25. Januar erklärte mit Yvonne Pioch eine weitere Berliner
National-Turnerin Ihren Rücktritt vom aktiven Leistungssport. Lesen Sie dazu das
GYMmedia-Exclusiv-Interview:
"ENDE DER BEDENKZEIT - ENDE
DER KARRIERE" |
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