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"... das war nun wahrlich kein
Aufgalopp für die WM 2007, das ist eher eine Fallgrube",
beklagte sich dann auch DTB-Sportdirektor
Wolfgang Willam resigniert.
Umsonst hatte er in Leipzig versucht,
Ullrich Feldhoff in seinen Argumentationen zu widersprechen, der dagegen den DTB auf die
künftigen Möglichkeiten zum Ausgleich nun fehlender Finanzen über den Weg von
sog. "Projekten" verwies.
Auch Dr. Klaus Rost, der Verantwortliche für Nachwuchsleistungssport im IAT (Institut für Angewandte Trainingswissenschaft, Leipzig), hatte im Rahmen seiner Analysen über das Anschlusstraining
bei o.g. Veranstaltung eindringlich auf die Bedeutung gezielter |
Wolfgang Willam
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Förderung besonders in diesem
Nachwuchsbereich hingewiesen....
Alles richtig, denn dieses sogenannte
"DSB-Förderkonzept" wird tatsächlich schon längst nicht mehr seinem Namen
gerecht... |
DSB - "Förder"konzept
- unzeitgemäß, aber...
Es fördert zu wenig, ja es stampft die "Zurückgebliebenen" scheinbar noch tiefer in die Asche.
Es ist dringlichst reformbedürftig!
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Rechnet man z.B. im Turnen mal die Leistungen Griechenlands - selbst mit
einem Weltmeister und einem Olympiasieger (!) - nach diesem Förderkonzept,
dann wären die genauso wie die Turnnationen Weißrussland oder
Frankreich in der "Kellerklasse 4". Schizophren....!
Wenn auch die DSB-Oberen meinen, man könne nun ab sofort finanzielle
Defizite durch "Beantragung von Projekten" ausgleichen - damit
ist es aber längst nicht getan.
Der Schaden, der mit solcherart unzeitgemäßem weil undifferenziertem
DSB-Konzept entsteht - ablesbar am Prozess der Rückentwicklung
des gesamten deutschen Leistungssports - ist weit komplexer und nicht
nur mit geringeren finanziellen Mitteln zu definieren. |
Die weitaus
schlimmeren Folgen..
...dieser Rückstufung nun auch des Kunstturnens der Männer
bestehen vor
allem im Statusverlust und Abwertung der Sportart in den Ländern,
also vor Ort, im Alltag.
Fordere man doch dort als
"Kellerkind" dringend notwendige Maßnahmen oder gar
Investitionen medizinischer,
therapeutischer oder Laufbahnbetreuung oder gar den dringlichst
erforderlichen Ausbau komplexer Leistungsdiagnostik...
....wenn es da nicht an der Basis weitsichtige Funktionäre gibt, dann
entstehen in den Ländern irreversible Schäden in dieser komplexen
olympischen Kernsportart, in der neben Leichtathletik und Schwimmen pro
Athlet mit die größten Medaillenmöglichkeiten bestehen.
Will man wieder in den Turn- und Gymnastikdisziplinen zurück in die
Weltspitze, muss man klug und langfristig investieren und nicht
unsensibel und undifferenziert rückstufen!
Aber: Dies ist aber nur die eine Seite
fehlender deutscher Turn-Medaillen - die quasi zentral verordnete!
Viel schlimmer steht's nach wie vor um die Ursachen, die zu dieser
Abstufung führten, und die sind nicht neu - sie sind DTB-seitig
hausgemacht
DTB -Verdammt zur
Eigenleistung
Nun haben nach den Frauen auch die Rhythmische Sportgymnastik und auch
das Männerturnen laut "Schulordnung" im Lande das Klassenziel
nicht erreicht. Keine Überraschung, denn die Leistungskurve zeigte seit
über einem Jahrzehnt und zunehmend steiler bergab.
Wie jedoch rappelt man sich als "Sitzenbleiber" wieder nach oben...? Mit Streicheleinheiten, mit Belohnungen für schlechte Leistungen....? Oder mit Unterstützung der
Familie, Mutter, Vater, Geschwister... also durch Mobilisation des eigenen Umfeldes,
letztlich von sich selbst..?!
Betreffs Turn-Entwicklung in Deutschland der letzten 15 Jahre übersehe
man bitte nicht die Faktenlage:
- Hier hat seit über einem Jahrzehnt ein Verband seine Hausaufgaben
in Sachen Spitzensport nicht gemacht!
- Hier sieht ein Verband durch nachweisbaren Abbau und Vernachlässigung seiner leistungssportlichen Strukturen dem Niedergang international relevanter Leistungen zu, ohne
ausreichend selbst zu investieren!
- Hier ist die Qualität der wissenschaftlichen,
trainingsmethodischen, medizinischen und komplexen leistungsdiagnostischen Durchdringung
des Spitzenbereiches in DTB-Verantwortung auf ein bedauernswertes Niveau gesunken, welches einem Aufwärtstrend in einer
Hightech-Disziplin wie Gerätturnen geradezu diametral entgegen
steht!
- Hier gibt es eine unzureichende Anzahl
wirklich nach leistungssportlichen Grundsätzen trainierenden
Jugendlichen, wie die letzten Deutschen Jugendmeisterschaften in Celle gezeigt haben!
(Die nach elitären Gesichtspunkten erfolgende Auswahl zu
Juniorenhöhepunkten kaschiert diese Feststellung!)
- Hier gibt es nicht mehr genügende und
ungenügend motivierte und ausgebildete und am Weltspitzenstand der
Sportart orientierte Trainer!
- Hier fehlt es in Leitungsetagen an
Kompetenz und konstruktiv und visionär handelnden Experten die
tatsächlich das Sagen haben, wenn es um die Schaffung moderner,
effizienter, spitzensportlicher Strukturen geht!
- Hier ist die Eigenleistung zur Organisation eines internationalen Ansprüchen für Medaillenleistungen gerecht werdenden Top-Sports absolut unzureichend... man hält
stets die Hände auf, statt in voller Absicht zuerst selbst zu investieren!
... und nun bleiben weitere Mittel aus, weil Mittelmäßigkeit nicht länger belohnt
wird!
Hat man das nicht zu allen Zeiten gewusst? (- siehe Beitrag
Eduard Friedrich, Jan 2004)
Da mag mancher Experte aus der Ex-DDR wieder traurig an den steten Fluss der ehemaligen stattlichen Mittel denken, aber er sollte auch nicht vergessen, mit welcher Konsequenz dazumal die Medaillenleistung abgefordert wurde!
(Überhaupt, dazumal, ...das ist heute überhaupt nicht mehr relevant, einzig nur die Effizienz:
Mit ungleich weniger Geld und Aufwand pro errungener internationaler Goldmedaille
als heute war das DDR-Sportsystem zu einem vielbewunderten Gebilde aufgestiegen - als helle leuchtende Säule aus einer grauen, den Ansprüchen der Menschen und der Zeit nicht mehr gerecht werdenden Gesellschaft.
... - allerdings ging es aus eben dieser Widersprüchlichkeit
folgerichtig zu Grunde.)
Apropos, Effizienz...?
- Wo und wofür wird h e u t e
das Geld ausgegeben in einem
5-Millionenverband wie dem DTB?
- Wie steht es dort mit
"Effizienz" - wer hinterfragt sie?
- Welche Rolle spielen olympische Strategien und Zielstellungen in den Köpfen der verantwortlichen Funktionäre
tatsächlich?
- Was ist dieser Riese DTB wirklich? Der "größte Volksbelustigungsverband der Welt" oder ein Verband für vorwiegend wettkampfsporttreibende Kinder, Jugendliche und Erwachsene...?
- Sind Mitgliederentwicklung und
Mitgliederzahlen (Quantitäten) alleinige "heilige Kühe"
und in welchem Verhältnis stehen sie zur Qualität der komplexen
Aufgabenstellung in einem Spitzenverband?
- In diesem Verband mit seinen gewaltigen Potenzen steht eine derzeit "Leitbild-Diskussion" auf der Tagesordnung: Mit welcher Konsequenz kommt darin ein
wieder international anerkannter Spitzensport vor?
Kluge Sprüche reichen
längst nicht mehr
Brechtken
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"Wenn der Deutsche Turner-Bund
den
Spitzensport nicht ins Zentrum seiner Strategie setzt, dann wird er künftig nicht mehr wahr, ja sogar nicht mehr ernst
genommen!", diesen klugen
und in allen seinen Teilen stimmigen Satz sagte vor drei Jahren (!) dessen Präsident Rainer
Brechtken.
Was hat sich jedoch seither geändert? Ob der
Tatenlosigkeit in Sachen Elitesport erscheinen die Sprüche des
Präsidenten eher als Schein einer "Nebelkerze". |
1997 noch in der komfortablen Fördergruppe 2 (- dank Weckers
Olympiagold), über die Katastrophen der beiden letzten Olympiazyklen, über die Stationen WM Tianjin (1999), Sydney (2000),
WM Gent (2001, 13. Platz) und WM Anaheim, 13. Platz) kann nun aber auch der unerwartet positive Auftritt der Athen-Mannschaft nicht
darüber hinwegtäuschen, dass:
- auch ein achter Platz weit von einer Medaille weg ist!
- ein Fabian Hambüchen .. pardon .. eben mal gerade "nur" Siebenter im
Reckfinale war ,
bei aller Wertschätzung für diesen Youngster persönlich und all
seinen erfrischenden Auftritten - der hat aber Zukunft noch vor sich,
die es erst noch abzusichern gilt!
Und überhaupt:
Es ist absolut nicht der
Sportverband DTB der in erster
Linie die sportliche Leistung dieses bewundernswerten Ausnahmeathleten
hervorbrachte, sondern es ist der "Mikrokosmos" seiner
Familie, seines Trainervaters Wolfgang und der durch ihn geschaffenen -
weil oft vom DTB eben nicht zur Verfügung gestellten - Mittel und
Bedingungen.
Und komme man diesem Dreamteam mal mit einer Forderung nach
"Konzentration", nach Umzug Fabians in irgendein
Zentrum....spätestens da merkt man, dass dieses vielzitierte
Lieblingsthema einiger hilfloser Funktionäre nicht die Lösung
ist. ( - siehe GYMmedia-Meltung,
10.10.04)
In einer Zeit akuter Rückentwicklung eines
leistungsorientierten, auf jeder Förderstufe an internationalen
Zielen und Maßstäben ausgerichteten Gerätturnens ist es
wichtiger, eine nach strategischen Programmen handelnde optimale
Anzahl von Leistungszentren zu halten und auszubauen. |
Mikrokosmos
Hambüchen
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Lehrgangstätigkeit
und Konzentration von Kaderkreisen zu bestimmten Zeitpunkten
und im Rotationsprinzip machen nur dann Sinn, wenn der infrastrukturelle
Unterbau stimmt! Um den geht es in erster Linie - und genau der ist in
Gefahr:
Turnzentren schließen reihenweise, ehemalige Leistungszentren haben
keine Kader mehr anzubieten, Trainerentlassungen und Planstellenverluste
sind überall auf der Tagesordnung. Im Ausland werden allerorten
Spitzencoaches gesucht und eingestellt - Deutschland beliefert sie.
Mehr Eigenleistung ist gefragt
Tunlichst sollte man also die DSB-Verweise, dass die mit der
Rückstufung nunmehr weniger zur Verfügung stehenden Mittel, mit
Beantragung für entsprechende Konzepte künftig "abzufordern"
und auszugleichen sind, ernst nehmen. Mag man dabei auch über zunehmende
Bürokratie klagen, der scheinbare Widerspruch "bist'e schlecht - kriegst'e weniger -
bleibst'e unten" einer tatsächlich unzeitgemäßen
DSB-Förderstrategie kann also nur als Aufforderung verstanden werden,
als Sportart und -verband mehr in seine Elitenförderung und -strukturen
zu investieren, also diesem Negativtrend selbstverantwortlich
entgegenzusteuern, und nicht bloß um Hilfe zu rufen oder um
ausbleibende Mittel zu klagen.
Und zum wiederholten Male hat dazu ein Verbandstag als das höchste
Gremium des DTB eine Chance zu einer Weichenstellung (November 2004).
Wieder einmal könnte die Finanzierung des
Spitzensports durch Eigenfinanzierung der Basis mit
Konsequenz eingefordert werden:
Nach wie vor gehört dazu die nicht neue Forderung 1
Euro pro Mitglied und Jahr ( - das wären 0,083 Cent pro
Mitglied und Monat!) endlich auf die Tagesordnung!!
Ansonsten wird der wehklagende und händeaufhaltende 5-Millionen-Verband
DTB von außen nur noch bedauert und international sowieso nur noch
belächelt werden können.
Ob man nun endlich und tatsächlich zu solcherart Einsichten einer erstrangig
"familiären Förderung des Sitzenbleibers" kommt, bleibt
anzuwarten. Den hoffnungsvollen Junioren and allen Turn-Talenten dieses
Landes wäre es nur zu wünschen.
Eckhard Herholz
> ... lesen Sie zu dieser Problematik
"DSB-Förderung" auch den Beitrag von E. FRIEDRICH
vom 19. Oktober 2004:
"Optimierung des Trainings ist das Gebot"
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