|
Die Situation eines
dramatischen Leistungsabstiegs – wohl des größten in der gesamten
deutschen Turngeschichte - im
letzten Jahrzehnt ist bekannt und bedarf an dieser Stelle keiner
Zahlenbelege mehr.
Nicht die Personaldiskussion steht hier im Mittelpunkt, sondern sie
selbst ist ja nur die Folge von Fehlentwicklungen und Ursachen, die es
hier zu analysieren gilt – mehr noch:
Für die es hier um Lösungen, Auswege und Strukturen geht.
Ich sehe zwei
Hauptaufgaben:
1. Sofortmaßnahmen zur Sicherung der
anstehenden Olympiaqualifikationen,
Hierzu laufen bereits die
Vorbereitungen, Konzentrierungs- und Lehrgangsmaßnahmen, Leistungs- und
Wettkampfplanungen sind sicherlich in vollem Gange – Personaldebatten
und Verantwortlichkeiten gilt es schnellst-möglich abzuschließen......
Das sind die aktuellen Aufgaben des DTB – die lasse ich hier
einmal außen vor, auch wenn sie absolute Priorität haben: Nicht
auszudenken, wenn die Turnnation Deutschland aus der Olympic Family –
nach den Frauen nun auch bei den Männern - ausgeschlossen bliebe...!
aber parallel dazu geht es um
2.
Maßnahmen einer mittel- und langfristigen Leistungsentwicklung.
Maßnahmen zur mittel-
und langfristigen Leistungsentwicklung – sprich: Final- und
Medaillenleistungen zur WM 2007 und Medaillen- und Siegleistungen zu den
Olympischen Spielen 2008 / 2012.
Was ist hier zu tun?
Ich sehe zuvor mehrere Grundsatzfragen, vor denen m. E. der Deutsche
Turner-Bund noch immer und permanent steht und die durch die sog.
„neue Verbandsstruktur“ derzeit nicht gelöst, sondern z.T.
dramatisch verschärft wurden:
- Welche
Rolle spielt ein an internationalen Maßstäben ausgerichteter
Leistungssport in der Verbandsphilosophie des Sportverbandes DTB?
- Welcher
Strukturen bedarf der Sportverband zur Entwicklung von sportlicher
Leistung und zur disziplingerechten Wettkampftätigkeit?
- Welche
Szenarien ergeben sich für DTB – gemessen an der rasanten
medialen Entwicklung - um wieder größere öffentliche Wahrnehmung,
größere Außenwirkung zu erzielen
Zu
Punkt 1: Hier ist eine strategische Korrektur
größeren Ausmaßes erforderlich:
Es ist sportpolitisch völlig wirkungslos, wie die letzten Jahrzehnte
bewiesen, gebetsmühlenartig den „Spagat“ zwischen Spitzen – und
Breitensport zu beklagen oder immer wieder zu verbalisieren, sondern:
Ein nach humanen Prinzipien und international
ausgerichteten Zielen gestalteter Spitzensport muss zum Kernstück
der Verbandsarbeit gehören, weil er
strategisches Hauptmittel öffentlicher und medialer Erkennbarkeit ist.
Brutal – aber wahr: Ohne Turnhelden, Gymnastik-Stars, Trampolin-Champs,
Aerobic-Sieger ... keine Fernseh-Minuten.
Gnadenlos: Ohne TV-Präsenz – keine Sponsoren, ohne Sponsoren –
leere Kassen.
Den Teufelskreis kennt jeder. Ein Beklagen der Umstände und Außenbedingungen
bringt keine Lösungen!
Hier ist deshalb zunächst
innerhalb des DTB eine völlig neue
Wertediskussion angesagt!
Diese aber hat – bitte schön,
absolut nichts, aber gar nichts mit einer Abwertung der Rolle des
Freizeit- und Breitensportbereiches zu tun – den betreibt schließlich
die erdrückende Mehrheit dieses faszinierenden 5-Millionen-Gebildes –
erdrückend aber, in des Wortes wahrster Bedeutung!!
Strategische
Neuausrichtung, das heißt:
Damit eine 4 Millionen
freizeit- fitness- und bewegungsbewusste Riesenmasse der Gesellschaft
auch weiter und immer besser ihren Ausgleich im DTB, jeder in seinem
Verein, suchen, finden und gestalten kann,
- muss man der anderen Million (oder halben Million)
leistungsorientierter Kinder, Talente, Jugendlicher und Erwachsener
solche Bedingungen schaffen, dass sie ihren Sport bis hin zu nationalem
und internationalem Ruhm betreiben kann und
zwar in letzter Konsequenz!!
Das Wort „strategisch“ bezieht sich dabei auf die künstlich
und medial erzeugte, aber objektiv vorhandene Überbedeutung der
Spitzen-Leistung, der Topstars, der Helden, die diese Gesellschaft
scheinbar braucht, die unsere Kinder auch als Vorbilder benötigen,
...... die gebraucht werden, um ständige Reizschwellenwerte in unserer
Kommunikationsgesellschaft zu produzieren, die ihren Marktwert aus ihrem
Unterhaltungswert beziehen....
Looser werden aussortiert, nicht gesendet, finden nicht statt – ob man
das gut findet oder nicht –
es sind Tatsachen.
Also bedarf es deswegen der sportpolitischen Neuausrichtung oder
Korrektur eines jeden Funktionärs, der im oder für einen Turnverband
oder – verein arbeitet, handelt oder Verantwortung trägt:
-
Wer nicht alles in
seinem Verantwortungsbereich für die Entwicklung eines modernen
Wettkampfsports aller Disziplinen,
des Nachwuchs- und Spitzensports tut,
- der schädigt die
Zukunftsaussichten und damit a
l l e Bereiches des
Sportverbandes DTB,
- der handelt strategisch unklug und
- der entzieht seinem Verband enorme Möglichkeiten externer
Re-Finanzierung.
Stichwort: Wirtschaft,
Sponsoring, Partnerschaften, TV-Gelder....!!
Wer dies nicht erkennt
oder dagegen verstößt, hat in verantwortungsvollen Positionen nichts
zu suchen!
Ich weiß, wie
provokant das wirkt. Das ist meine Absicht – aber keine Überspitzung!
Davon hängt die Zukunft des Sportverbandes
DTB ab,
- dessen Haupttendenzen momentan extrem in Richtung eines
Freizeit- und Erholungssport-Verbandes zeigen... der im Extremfalle gar
als „Volksbelustigungsverband“ bezeichnet wird (hunderte
Performances, Landesturnfeste, Gymnaestraden usw.... bedürfen des
qualitativ und verstärkten Gegenstücks qualitativer Sportwettbewerbe.
Das will und braucht unsere Jugend auch!)
- dessen Kernsportarten und wettkampforientierten Disziplinen
bedrohlich in einem Verdrängungswettbewerb sowohl quantitativ als auch
qualitativ zu unterliegen drohen,
- dessen Spitzensportbereich internationalem Anspruch zunehmend
weniger genügt und
- der deshalb vor ernsten Debatten seiner Struktur steht oder gar seiner
Zukunft gestellt werden könnte:
Nicht zum ersten Male steht die Frage im Raum,
ob sich die leistungs- und wettkampforientierten Disziplinen und
olympischen Kernsportarten noch vom DTB richtig vertreten fühlen.
- Es sei an die Bemühungen aus den Zeiten eines Herrn Albert
Zellegen in den sechziger Jahren erinnert, der damals bereits
für eine eigenständige Kunstturn-Vereinigung „KTV“ plädierte,
sogar bereits erste Medaillen prägen ließ,
- oder an die Diskussionen in den achtziger Jahren (Herwig
Matthes) u.a., als man sich in der damaligen
Systemauseinandersetzung des kalten Sportkrieges insbesondere mit dem
anderen deutschen Turnmodell in der DDR erneut intensive Gedanken über
Eigenständigkeit machte...
- bis zuletzt 1996 ... ich erinnere an die Vorschläge von Jürgen
Uhr u.a. (Satzung der D O T, „Deutsches Olympisches
Turnen“) - als die extreme Rückentwicklung im Frauenbereich zur
olympischen Nichtteilnahme einer deutschen Riege in Atlanta führte und
dieselbe Tendenz trotz des Weckergoldes auch bei den Männern längst
absehbar war....
In allen diesen Fällen kam man über Androhungen oder Denkansätze
nicht hinaus – man wurde nicht ernst genommen, es verlief sich im
Sande.....
Ich glaube, ein neuerlicher Ansatz in diese Richtung sollte vom DTB
nicht unterschätzt werden, denn noch nie war die Situation so prekär,
weil derart durch die gesellschaftlichen Prozesse zugespitzt.
Zurück zu der von mir begründeten Wertediskussion:
Deshalb also - aus existentiellen Gründen – muss von DTB-Funktionären
ein Umdenken gefordert werden, wenngleich von ihnen weiterhin dasselbe
Engagement für alle ihre Verbands- und Vereinsinteressen wie bisher
erwartet wird – das eine tun ohne das andere zu lassen.
Es sind nämlich
Grundsatzfragen zu klären:
Zu Punkt 2. Welcher Strukturen bedarf
der Sportverband zur Entwicklung von sportlicher Leistung und zur
disziplingerechten Wettkampftätigkeit?
Die
Praxis beweist schmerzhaft:
Der Spitzen- und Wettkampfsport bedarf umgehend einer
strukturellen Eigenständigkeit, anzustreben zunächst unter dem Dach
des DTB (- ich verweise auf den Status etwa der Deutschen
Turnerjugend...).
Es sind dies die Zeichen der Komplexität der Prozesse des nationalen
und internationalen Berufssports und seiner Einbindung und Verflechtung
in Medien, Wirtschaft und Gesellschaft, dass
eine solche sich selbst verwaltende Struktur nur professionell, also
hauptamtlich sein kann!
Dabei sind an die Akteure solcher Strukturen höchste
Kompetenzansprüche zu
stellen. Sie müssen mehr als nur Ahnung haben, von dem was sie tun!
Mit Verlaub:
– es geht doch nicht an,
dass Funktionäre im Ehrenamt oder als Rentner ausgerechnet den
Olympischen Spitzensport verwalten oder verantworten – bei allem
Engagement....
- es kann doch nicht sein,
dass Technische Komitees durch private Personalentscheidungen und damit
willkürlich zusammengesetzt werden,
- es ist doch kurios,
wenn durch Inkompetenzen statt nach objektiven Kompetenzmerkmalen
breitensportlastige Gremien beginnen, Regeln für den Spitzensport
aufzustellen und dabei die Gefahr akute besteht, internationale
Regelwerke auszuhebeln. (Nationale Alleingänge, wie schwedische,
belgische, skandinavische o.a. Subjektivismen hat doch unsere Sportart
schon vor über 80 Jahren überwunden.)
Bei
der Schaffung eines wirklich
professionellen Management zur
Lösung all solcher Fragen
sollte der nach Fußball zweitgrößte Sportverband im Lande, der größte
Sportverband der Welt eigentlich und schon längst die Vorreiterrolle
bei der Schaffung solcher Strukturen spielen,
ja
mehr noch:
Er sollte darin eine attraktive Herausforderung sehen !!! Auch das sei
Bestandteil – HAUPT-bestandteil einer neuen Wertediskussion...!
Eine Analyse der Brauchbarkeit momentaner Strukturen sollte sich
nur noch darauf beschränken, Wertvolles und Verwendbares weiter zu führen,
aber:
Arbeitsschwerpunkt eines zu bildenden Expertenrates des
Leistungssportes sollte sein:
Wie
muss die effiziente Struktur eines hochkompetenten Führungs- und
Leitungsteams, eines Sportmanagements, aussehen,
- dass in erster Etappe bis 2004
- in zweiter Etappe bis 2008 – mit Zwischenzielstellung WM 2007 und
- in dritter Etappe bis Olympia 2012
Deutschland mit seinen olympischen und nichtolympischen
Wettkampfdisziplinen wieder in internationale Medaillenbereiche zurück
geführt werden kann.
Ein
solches professionelles, autarkes
Management steht vor folgenden
Schwerpunktaufgaben:
1.
Bildung einer kompetenten und effektiven Innenstruktur und
Selbstverwaltung, gemessen an den Erfordernissen des modernen,
internationalen Spitzensports, deren Hauptziele die Bedingungen und die
Wege zu sportlichen Höchstleistungen sind.
2.
Schaffung von Verbindungen zu geeigneten Strukturen national und
global agierender Wirtschaftsbereiche.
3.
Aufbau von öffentlichkeits- und medienwirksamen Außenwirkungen
vielfältigster Art.
4.
Sicherung und Perfektionierung
der Verbindungslinien zur Gesamtheit der jeweiligen Disziplin und ihrer
Verbandsstrukturen im Sinne der Einheitlichkeit und Einheit der Sportart
und zu ihren Mitgliedern als wesentliche Zielgruppenbestandteile sowie
5.
Koordination aller Schwerpunkte
mit den entsprechenden Gremien des Verbandes.
Solcherart
Grundsatzfragen stehen vor unseren komplexen aber schönen Sportarten
und Disziplinen, will man sie im Zeitalter der Spaßgesellschaft vor
Fit- und Fun- und anderen Feez-Einflüssen abgrenzen, erhalten und als
echte leistungsorientierte Alternative für Kinder und Jugendliche mit
Erfolg anbieten.
Nach Klärung solcherart Grundfragen sind dann die im Detail liegenden
verschiedensten Szenarien zu schreiben, die einen wieder erfolgreichen
Sportverband DTB im ersten Jahrzehnts dieses neuen Jahrtausends
ausmachen sollten...:
|