Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
01-Nov-2004

Eigenartigkeiten im Umgang mit Dopingfall
- am aktuellen Beispiel der Herren-Vierergruppe -

- Kommentar vom Eckhard Herholz,
Chefredakteur GYMmedia INTERNATIONAL, Berlin

 


Eckhard Herholz- GYMmedia-Chefredakteur

Am Rande der Deutschen Sportakrobatikmeisterschaften im südhessischen Hattingen wurde der Dopingfall eines Mitglieds der Vierer-Herrengruppe der DJK-SG Wasseralfingen am letzten Oktober-Wochenende 2004 bekannt.
Nach Trainingskontrolle im Sommer wurde eine positive A-Probe bei Jens Quitte festgestellt.
Dieser Fakt wurde durch die Nationale Dopingagentur NADA bereits am 14. Juni dem zuständigen Deutschen Sportakrobatikbund DSAB mitgeteilt...
Auf den am 17. Oktober veröffentlichten Meldelisten fehlte daraufhin die Gruppe... wurde aber zur Meisterschaft am 29./30. Oktober als startberechtigt zugelassen – und als Deutscher Meister gekürt!

Unbedarftheit oder Absicht ? Wie man im DSAB mit Dopingproblematik umgeht

Der DSAB hat sogar eine Dopingbeauftragte, laut Verbands-Website wird sie gar unter „Mitglied des Präsidiums“ geführt, ist sie aber nicht.  Sie selbst hat zunächst von diesem Fall auch gar nichts gewusst und nur per Zufall in einem Telefonat beiläufig davon gehört.

Doch zunächst die Fakten der Reihe nach:
- Am 14.06. 2004 informiert die NADA den DSAB über eine positive A-Probe des Sportlers Jens Qittte bei von der DJK-SG Wasseralfingen einer Trainingskontrolle.
- Bei einer - Wochen danach (!!) - im Sommer in Pfungstadt stattfindenden Präsidiumstagung stand dieser Fall weder auf der Tagesordnung, noch wurde er erwähnt, noch erhielt die „Dopingverantwortliche“ irgend einen Bescheid.
- Am 9. September wohl soll eine erste Information von Vizepräsident Dieter Mertes an andere (?) Präsidiumsmitglieder gegangen sein.
- Erst am 27. September – mehr als ein Vierteljahr nach Kenntnisgabe – bei einem Treffen von Präsidiumsmitgliedern am Rande der Deutschen Juniorenmeisterschaften in Bad Blankenburg (25.09.), kam es durch Druck des 3. Vizepräsidenten Dr. Johannes Eismann (Leipzig), der selbst bis zum 22. September nichts wusste, zu einer „vorläufigen Sperre“; diese Tatsache wurde per Post an die Präsidiumsmitglieder versandt. 
Die „Dopingbeauftragte“, die  Riesaer Ärztin Frau Dr. Sabine Frank-Behrendt erhielt auch hiervon keine Mitteilung. Sie erfuhr davon im oben genannten Telefonat, so ganz nebenbei...!

Darauf drängte sie auf ein Gespräch mit der NADA, das dann mit Werner Kasper (DSAB-Lehrwart), dem Athleten und einem NADA-Vertreter (Dr. Augustin) am 22.10. stattfand – 4 Monate und 4 Tage nach der ersten Mitteilung (!!) Vizepräsident Bernd Hegele – selbst bei diesem NADA-Kontakt nicht dabei – versandte die  daraufhin getroffene „vorläufige Regelung“ an die Präsidiumsmitglieder - aber wiederum nicht an die Dopingbeauftragte, die davon aus dritter Hand ein Fax bekam!
(Nachfrage bei dem NADA-Vertreter Dr. Augustin ergab, dass dieser Termin nicht der 22.10. sondern der 15. 10. war, was allerdings so dem Präsidenten Becker nicht mitgeteilt wurde...???)
Mit der Begründung, dass von diesem Gespräch noch bis heute kein Protokoll vorhanden sei, blieb die Festlegung einer 4-monatigen Sperre des Athleten, -rückwirkend zum 14.6. - bestehen. Allerdings wies der NADA-Vertreter noch einmal eindeutig darauf hin, dass für Sperren und Strafmaß ausschließlich der Verband verantwortlich sei, und auch dazu von dem Sitzungsbericht diesbezüglich keine Ableitungen zu erwarten seien!
 Ein ursprüngliches Maß von 8 Monaten war von Vize-Präsidenten Bernd Hegele „auf 50% reduziert“ worden (- keiner weiß warum und auf welcher Grundlage?). Dies wurde den Präsidiumsmitgliedern erst eine Woche vor den Meisterschaften per E-Mail mitgeteilt - und siehe da, fröhlich nahm der nunmehr wieder startberechtigte Vierer pünktlich und quietschvergnügt die Medaillen eines Deutschen Meisters entgegen!
Alles nicht so schlimm, sagt sich da sicher jener Athlet, der Arges im Sinn hat – meine Funktionäre werden’s schon richten, wenn ich weiter fleißig trainiere ...alles nur halb so schlimm!

Ehrenamtlichkeit als Feigenblatt und Schlimmeres....
Durchweg alle Befragten in diesem Falle verwiesen auf ihre „Ehrenamtlichkeit“ ihrer Funktion, auf akute Zeitnot deshalb und dass man das doch alles nur in seiner Freizeit mache, und das dauere dann eben seine Zeit. Und überhaupt seien deshalb alle Materialien und Ordnungen des Verbandes noch in Arbeit – in den bislang gültigen kommt der Begriff Doping nicht vor, sieht eine Wettkampfordnung keinerlei Sanktionen vor, eine Rechts- oder Disziplinarordnung existiert nicht. Wie überhaupt ermittelt man Strafmaße im DSAB......?
Bei den Recherchen nach den Hintergründen dieses Falles wurde gar dem Autor dieses Beitrages bei ersten Nachfragen „gedroht“ und ihm Behinderung in der Berichterstattung angekündigt....!!
Immerhin handelte es sich bei dem missbräuchlich verwendeten Präparat um ein Medikament, dass der Delinquent nicht versehentlich genommen haben  k a n n, ist es doch in Deutschland ausschließlich zur Behandlung von Brustkrebs bei Frauen zugelassen – in Nebenwirkung allerdings bewirkt es auch Zunahme des Muskelquerschnitts... ein Schelm, der Arges dabei denkt.

Ein Vergleich ...
Nun gab es vor fünf Jahren bereits einmal solch eine Doping-Bewährungsprobe im Fall der für Riesa startenden und heute in Dresden lebenden  Sabine Schäfer.
Die hatte damals zur Behandlung von Nierenproblemen und Wasseransammlungen ein Diuretikum verschrieben bekommen, in Unkenntnis, dass dies auf der Verbotsliste stand. Derart positiv getestet bei den Deutschen Meisterschaften handelte der DSAB damals sofort und rigoros:
- Aberkennung und Rückgabe der Meistermedaillen sofort und am Tag danach,
- Startverbot zu den Mannschaftsmeisterschaften, 1 Jahr Sperre...
Erst nach vielen Anträgen, Eingaben und Schreiben bekam die Sportlerin die Chance zu einer Anhörung, die Sperre wurde reduziert auf  9 Monate, 750,- DM Strafe kamen dazu.
Vergleicht man dies mit dem aktuellen Fall, muss man höchst verwundert sein:
Was damals tatsächlich als ein Versehen im medizinischen Alltag nicht auszuschließen war, ist dieses Mal nun wahrlich extrem anders.
Ein derartiges Mittel wird und kann nicht versehentlich verordnet oder eingenommen worden sein, gehört es doch in eine ganz andere Medikamenten-Kategorie!

Welcher Teufel reitet die DSAB-Funktionäre
- zu einem solch verschleppten Verfahren, einer solch milden Strafe und dazu noch zu deren 50%igen Reduzierung des Strafmaßes zu greifen...?
Man muss wissen, dass dies scheinbar alles vorbei am Präsidenten des Verbandes, Kurt Becker, geschah. Aus akuten Krankheitsgründen lässt der nämlich – kontrolliert durch Posteingangs- und Postausgangsbuch - derzeit alle Post ungeöffnet weiterleiten an seine Vize-Präsidenten Dieter Mertes und/oder Bernd Hegele,  konnte also selbst nicht Kenntnis haben und wurde auch erst in Kenntnis gesetzt, als er nämlich die Starterlaubnis geben sollte. 
Beide Kompetenzträger des Verbandes sind schier unerreichbar und reagieren auch nicht auf hinterlassene Rückrufbotschaften.

Auch hier ein Schelm, der folgende Schlüsse zieht:
Wenn Würtembergs Sportler in Kürze keine Vierer-Gruppe zu den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften aufbieten können, bedeutet dies eine arge Schwächung gegenüber den sportlichen Gegnern aus Sachsen....!
Es bleibt nur zu hoffen, dass dies nur eine – allerdings von wissenden Insidern im Ernst ausgesprochene Vermutung –  n i c h t  dem Handlungshorizont der Sportfunktionäre des DSAB entspricht. Dann nämlich wäre dieser Fall, der eh schon schlimm genug ist, von einer noch weitaus schlimmeren Dimension.
Zumindest eine zum Himmel schreiende Unbedarftheit der Verantwortlichen eines deutschen Sportverbandes in Dopingfragen verlangt nach dringlichsten Klärungen.
Eckhard Herholz

 
>> Lesen Sie dazu auch eine detaillierte Stellungnahme der Dopingbeauftragten des DSAB,
Frau 
Dr. Sabine Frank-Behrendt:  "Zur Situation im Umgang mit Dopingproblematik im DSAB"

>> Lesen Sie dazu auch die Stellungnahme des DSAB-Vizepräsidenten Bernd Hegele
     auf der  DSAB-Website
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