Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
01-Nov-2004

Zur Situation im Umgang mit Dopingproblematik im DSAB
- am aktuellen Beispiel der Herren-Vierergruppe -

- von Dr. Sabine Frank-Behrendt, Sportstadt Riesa
Dopingbeauftragte des Deutschen Sportakrobatikbundes

 


Dr. Sabine Frank-Behrendt
- DSAB-Dopingbeauftragte -

Seit den Deutschen Meisterschaften der Meisterklasse 2004 wird nun auch offiziell über den Dopingfall Jens Quitte diskutiert.
Als Antidoping-Beauftragte des DSAB (seit März 04) berührt mich dieser Fall sehr. Mittlerweile hat sich darüber auch so viel Wut aufgestaut, dass ich nun öffentlich Stellung beziehen möchte.


Als Sportmedizinerin hatte ich die Funktion des Antidoping-Beauftragten des DSAB übernommen....

"Fünftes Rad" am Wagen des DSAB...?
... frisch zur Tat schreitend musste ich jedoch feststellen, dass es nicht sehr viel zu tun gab. Eingeführt wurde ich in dieses Amt seitens des Präsidiums nie. Adressen habe ich mir selber gesucht. Auf eine aktuelle Kaderliste wartete ich mit mehreren Bitten mehr als vier Wochen. Die Deutschen Schüler und Jugendmeisterschaften nutzte ich, Trainer und Verantwortliche über Neuerungen in Sachen Doping zu informieren und stellte mich als Ansprechpartner zur Verfügung. Erstmals fiel mir im Mai 2004 vor der WM auf, dass keinerlei Listen über Dauerpräparate  von den Athleten existierten. Das versetzte mich schon in Alarmstimmung, da die von mir betreuten Sportler ihre Medikamente ordnungsgemäß gemeldet hatten. Als dann Herr Dieter Mertes (Vizepräsidend Finanzen u. Verwaltung, DSAB) an die WM-Teilnehmer die Antidoping-Erklärungen versandte, mit dem Hinweis "unterschrieben an ihn zurück", bekundete ich ihm gegenüber meinen Unmut, da er nicht verlangen könne, dass Minderjährige ohne spezielle Aufklärung dies unterschreiben sollten. Er würde alles nur ehrenamtlich machen und Herr Bernd Hegele (Vizepräs. Sport, DSAB) hätte ihm diesen Auftrage erteilt. 
Wieder einmal kam ich mir überflüssig vor. 

Wie eine Dopingbeauftragte im DSAB mit Doping zu tun bekommt...
Am 27. 6. 2004 erhielt ich dann einen Anruf von Herrn Hegele, der mir mitteilte, dass Herr Jens Quitte das Medikament "Tamoxifen" nehmen würde und ob ich eine Ausnahmeregelung finden könne. Ich prüfte das Medikament und nahm auch Rücksprache mit dem Dopinglabor in Kreischa. Doch Tamoxifen darf nicht eingenommen werden, weil durch dieses Antiöstrogen Anabolikaeinnahmen vertuscht werden können. In Deutschland ist das Medikament nur für Frauen nach Brustkrebserkrankungen zugelassen. Selbst wenn es Herr Quitte von einem Arzt für andere Zwecke erhalten hat, muss er von diesem genau darüber informiert werden. Herr Quitte hätte sich also erkundigen müssen, zumal er als Nationalmannschaftsmitglied die Dopingerklärung ohne Rückfragen akzeptiert und unterschrieben hatte. 
Meine Ergebnisse teilte ich sowohl Herrn Hegele als auch Herrn Quitte am 28. und 29.6.2004 mit.
Dass Herr Quitte zu diesem Zeitpunkt bereits positiv getestet war, wurde mir als der doch Dopingbeauftragten von beiden Personen nicht mitgeteilt !!!
 
Der unerklärliche dunkle Gang der Dinge...
Bist zum 9.9.2004 passierte überhaupt nichts. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre auch bis heute nicht Licht ins Dunkel gekommen, wenn mich nicht ein Präsidiumsmitglied wegen eines (anderen) Präparates kontaktiert hätte. Nur in einem Nebensatz fragte er mich, ob ich wüsste, dass Herr Quitte positiv getestet sei. Daraufhin besorgte ich mir sämtliche Unterlagen von der NADA (Nationale Dopingagentur, Bonn), die nach dem Versenden eines positiven Testes (bereits am 14.06.2004!!) weder vom Verband noch vom Sportler eine Rückmeldung erhalten hatten. Der Fall lag also in der Schwebe. 
Als ich Herrn Mertes telefonisch zur Rede stellte (10.9.2004), hieß es, dass die Post solange beim kranken Präsidenten gelegen hätte.... – was schlichtweg eine Lüge war. Nach langen vergeblichen Versuchen, konnte ich mit Herrn Hegele am 22.9.2004 sprechen.

Verkettung unglücklicher Umstände...?
Die Verschleppung des Dopingfalles läge an der "Verkettung unglücklicher Umstände". Als ich ihn fragte, warum er mir im Juni bei seiner Anfrage nicht gesagt hätte, dass Herr Quitte bereits positiv getestet ist, bekam ich zur Antwort, dass er gedacht hätte, ich wüsste es bereits.
Das stellen sich mir schon einige Fragen:
-  Wie kann ich von etwas wissen, was mir stetig vorenthalten wird (bewusst – zu dieser Erkenntnis bin ich jetzt gekommen). Die Aussage von Herrn Hegele beweist, dass er bereits am 27.6.2004 (s.o.) von dem Testergebnis unterrichtet gewesen sein musste. 
- Auf mein Drängen, wer denn nun eine Sperre veranlassen muss, sagte Herr Hegele das er das Präsidium zusammenrufen würde. Auch hier wusste er ganz genau, dass er als Vize-Präsident verantwortlich war, die Sperre auszusprechen, denn das dürfen weder die NADA noch die Antidoping-Beauftragten. 

Ein unverständliches Strafmaß für Doping pur
Am 27.9.2004 erfolgte nach mehr als dreimonatiger Verzögerung endlich die "vorläufige" Sperre.
Am 22.10.2004 nahm der betroffene Sportler Jens Quitte ein Gespräch bei der NADA war. Zu diesem Gespräch wurde ich als Antidoping-Beauftragte ebenfalls  n i c h t  hinzugezogen. 
Der DSAB wurde durch Herrn Werner Kasper vertreten. Ohne, dass Ergebnisse dieser Aussprache auch nur einem Mitglied der Führungsebene bekannt sind, wurde übereilig von Herrn Hegele eine E-Mail am 21.10.2004 über ein Ergebnis von der Sitzung vom 22.10.2004 !!! verfasst und an alle Präsidiumsmitglieder verschickt. (selbst am 1.11.2004 war bei der NADA noch kein Protokoll zu erhalten, also  n a c h   den Deutschen Meisterschaften!)
Darin beteuert er die Unschuld von Herrn Quitte, der "lediglich ein Mittel genommen hätte, dass den Muskelquerschnitt aufbaut". In den Augen eines Sportmediziners ist das Doping pur und belastet Herrn Quitte um so mehr. 
Angeblich hätte die NADA durchblicken lassen, dass man, ausgehend von der letzten Dopingstrafe (-sieben Monate),  50 Prozent abgezogen werden könne, womit ein Strafmaß von vier Monaten verbleibt, die rückwirkend vom 14.6.2004 aus gültig sind. 
Dieser rechnerischen Logik kann ich nicht folgen!
Ich weiß nur, dass damit Herr Quitte eigentlich überhaupt keine Strafe erhielt. Wohl dem, dem sich da nicht die Haare sträuben!
Nun haben wir wissentlich gedopte Deutsche Meister. Mir steht nicht zu, darüber zu urteilen. Leid tut mir nur, das der langjährige Präsident Kurt Becker, von seinen Vertretern (Vize-Präsidenten) falsch informiert wurde und deshalb die Starterlaubnis für die deutsche Meisterschaft letztes Wochenende gab.

Präsident hintergangen - Kurt Becker im Nachhinein entsetzt!
Nach einem persönlichem Gespräch vom 28.10.2004 mit mir, war Kurt Becker entsetzt über seine Entscheidung. Wir waren dabei, kurzfristig Ergänzungen für die Satzung des DSAB über den Umgang mit Doping und Dopingsündern zu erstellen. 
Leider erlitt Herr Becker am 30.10.2004 wieder einen schweren gesundheitlichen Zusammenbruch und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Aufregung der letzten Tage wird auch ihren Beitrag dazu geleistet haben.
Das gesamte DSAB-Präsidium sollte sich fragen, ob es ihrer würdig ist, dass sie so den DSAB vertreten!
Die Schwarzen Peter werden hin und her geschoben, Lug und Trug haben Einzug gehalten, worüber ich sehr traurig bin. 
Kompetente Leute werden an den Rand gedrängt, um eine Änderung im Führungsstil nicht vornehmen zu müssen. Ich hoffe inständig, dass sich diese Dinge ändern, damit wir besten Gewissens unseren Kindern und Nachwuchssportlern die Grundidee des Sports auch in Zukunft noch vermitteln können.
(Zwischentitel und Hervorhebungen: gymmedia)

 
  Dr. Sabine Frank-Behrendt
- Dopingbeauftragte des Deutschen Sportakrobatikbundes

>> Lesen Sie dazu auch die Stellungnahme des DSAB-Vizepräsidenten Bernd Hegele
     auf der  DSAB-Website

 

 

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