09. Juli 2010
Ottawa, Kanada
Gerätturnen
Der FAHRIG als SUPER G - Turnersprache um einen Begriff reicher!
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Matthias Fahrig (SV Halle) : 12. deutscher 'Erfinder' im Turnerlexikon;
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Auf seiner Sitzung im kanadischen Ottawa hat das Technische Komitee Kunstturnen der Männer des Weltturnverbandes F.I.G. gestern die Welt-Neuheit des halleschen Europameisters
Matthias FAHRIG am Boden als "neues Element" anerkannt und im Schwierigkeitsgrad die höchst-mögliche Stufe "G" (Wertigkeit: 0.7) vergeben. Damit hat der zum
Japan-Cup am letzten Wochenende in Tokio erstmals in
gebückter Form geturnte
Doppeltwist mit nachfolgender eineinhalb Schraube alle Chancen, als der "
Fahrig"-Salto in den "Code de Pointage" - die internationale Werungsvorschriften der Turner aufgenommen zu werden.
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Sven Tippelt bei 'seinem' Übergrätschen zum Handstand am Barren (WM 1987); ein Jahr später folgte seine zweite anerkannte Erfindung am Pauschenpferd
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Letzte deutsche Turn-Innovation vor 22 Jahren
Es war 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul der Leipziger Turner Sven Tippelt, als letzter Deutscher, dessen kreative Neuerung als Weltneuheit anerkannt und am Pauschenpferd als "der TIPPELT" als Konventionalausdruck Eingang in die Turnersprache gefunden hatte, die im trockenen Turnerdeutsch sonst so klingt: "Gespreizte Kreisflanken durch den Handstand, Abschwung in die gespreizten Kreisflanken oder auch "Thomas - Handstand - Thomas").
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Roland Brückner, Boden-Weltmeister 1979 und Olympiasieger 1980
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Deutsche sind nun wieder "Vorturner"
Über zwei Jahrzehnte turnten die Deutschen also vorwiegend nach, und überhaupt war der Boden absolut k e i n deutsches Paradegerät.
Den einzigen WM-Titel holte 1981 der Berliner Olympiasieger von Moskau (1980), Roland Brückner; 1981 am selben Ort; die letzte WM-Medaille 1992 in Paris Maik Krahberg (SV Halle; Bronze) und seither war Matthias Fahrig (ebenfalls Halle) der einzige deutsche Turner, der an diesem Gerät überhaupt ein WM-Finale erreichte (6. in London 2009), und jetzt, kurz nach dem Gewinn seines EM-Titels in Birmingham:
SUPER 'G' im Kunstturnen
Momentan gibt es am Boden überhaupt nur drei "
G"-Elemente der allerhöchsten Schwierigkeitskategorie (von A - G) und zwei davon beherrschen verblüffender Weise nun deutsche Athleten:
* Matthias Fahrig, mit der eben anerkannten Kreation "Doppel-Twist, 11/2-Schraube, gebückt" (
>> "Fahrig-Salto" Tokio 2010 (youtube) und
* Marcel Nguyen, mit seinem Dreifach-Tsukahara (Doppelsalto gehockt mit 3-Längenachsendrehungen)
* ... das dritte, ein "Jahrhundert- G-Teil", ist der legendäre Dreifachsalto rw. gehockt des
Valeri Ljukin aus dem Jahre 1987 zur EM in Moskau....
Deutsche "Turnpatente" der Männer
Nicht dass es nicht eine Vielzahl deutscher Turner und deren Trainer gegeben hätte oder gibt, die sich an Neuerungen wagten, aber nicht alle Kreationen erhielten o f f i z i e l l auch den Namen des Erfinders im Turnerlexikon anerkannt.
Genau genommen waren es bislang 11 deutsche Turner, deren bloße Namensnennungen speziell in Fachkreisen "Aha"-Reaktionen auslösten:
* Am Boden ...
- nun auch der
"FAHRIG"-Salto; es käme nun also
Matthias Fahrig (SV Halle) als 12. Turner zu diesem erlauchten Kreis hinzu, wenn er dieses Element im Oktober zur WM 2010 in Rotterdam auch zeigt ...;
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Michael Nikolay, Weltmeister 1981 in Viruose auf einer Pausche ...
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* Am Pauschenpferd:
- der "NIKOLAY"-Kreisel, d. h. direktes Stöckli B 3x auf 1 Pausche (WM 1979 in Fort Worth/USA), geturnt von späteren Weltmeister, Michael Nikolay (SC Dynamo Berlin);
- der "KROLL", Russenwendeschwung mit Stütz zwischen den Pauschen, geturnt vom Cottbusser Sylvio Kroll, WM 1985, Montreal;
- der "TIPPELT" - Thomasflanken - Handstand - Thomas, geturnt von Sven Tippelt (SC DHfK Leipzig/GDR) 1988 in Seoul (Olympische Spiele).
* An den Ringen
- der "KÖSTE" , d. h. Stemme rückwärts und Salto rw. gehockt oder gebückt, geturnt von Klaus Köste (SC DHfK Leipzig) 1972 zu den Olympischen Spielen in Mümchen;
- der "FISCHER", d. h. Doppelsalto vorwärts, gehockt mit 11/2-Drehung, geturnt von Jens Fischer (SC Cottbus) zu den sog. "Wettkämpfen der Freundschaft" 1984, den "Olympischen Ersatzspielen" zu Zeiten des Olympiaboykotts der sozialistischen Staaten im tschechischen Olomouc;
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Sylvio Kroll, Sprung-Weltmeister, 1988 um 0,025 Punkte an Olympiagold vorbei ...
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Maik Belle (Cottbus) am Reck: eine noch heute unfassbare Schwierigkeit, ein Dreifach-Salto plus ganzer Drehung!!! * siehe unten
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* Am Sprung:
- der "KROLL", d. h. Überschlag, Salto vorwärts, gehockt, mit 11/2-Schraube, geturnt vom späteren Sprung-Weltmeister ( '87), vom Cottbusser Sylvio Kroll, 1985 zur EM in Oslo;
* Am Barren:
- der "BELLE", d. h. Riesenfelge rückwärts und Doppelsalto rw. auf die Oberarme, geturnt von Maik Belle (SC Cottbus) 1987 in Moskau, der damit EM-Bronze gewann;
- der "TIPPELT", d. h. aus dem Handstand, Abschwung durch den Hang ("Moy") und Rückgrätschen gebückt zum Handstand, erfunden von Sven Tippelt (Leipzig) zur WM 1987 in Rotterdam;
* Am Reck:
- der "KÖSTE", d. h. Steinemann mit Ausbücken zum Handstand, geturnt vom WM-Bronze-Medaillengewinner 1970 in Ljubljana, Klaus Köste (GDR);
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Eberhard Gienger bei seinem legendären Gienger-Salto
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- der "JÄGER"-Salto, d. h., nach Rückschwung Salto vorwärts zum Hang, erstmals von Bernd Jäger (ASK 'Vorwärts' Potsdam) vorgestellt zur WM in Warna
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Matthias Fahrig, Marcel Nguyen: beherrschen allein 2 von insgesamt nur 3 SUPER 'G'-Teilen am Boden
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- der "QUAST", d. h . , Riesenfelgerückwärts mit gesprungener Pirouette in Handstandphase, geturnt von Ralf Quast (ASK Vorwärts Potsdam; GDR) zu den Moscow Ne
Matthias Fahrig hat sich nunmehr nicht nur ins "Turn-Erfinderlexikon" eingetragen, der dynamische Mann aus Halle hat nun auch urkundlich verbrieft das Zeug zu was ganz 'was Großem'...
... mal schau'n, was er nun draus macht!
* Quellen. "Mondsalto" - Die großen Erfinder (A.Götze/J. Uhr)
& Das Turnjahrhundert der Deutschen (E. Herholz/A. Götze)
(C) GYMmedia INTERNATIONAL
Eckhard Herholz