16. Juni 2011
Kienbaum
Gerätturnen
Philipp Boy vertrat Turn-Team-Deutschland bei Schlüsselübergabe ... der Europa-Meister 2011 im GYMmedia-Sommer-Interview
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Philipp Boy, relaxed in Kienbaum
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"Kienbaum ist fast schon mein zweites Zuhause", sagte gestern auf dem Gelände des Bundesleistungszentrums, 35 km vor den Toren Berlins, der aktuelle Vize-Welt und Mehrkampf-Europameister Philipp BOY (SC Cottbus), der bei der Schlüsselübergabe eines modernen Verwaltungsgebäudes prominenter Vertreter des Turn-Teams Deutschland war.
Das jährliche Kienbaumer Sommerfest war in diesem Jahr der vor 20 Jahren erfolgten Gründung des "Trägervereins (BLZ) Kienbaum" gewidmet, dessen Initiativen es zu verdanken war, dass das ehemalige DDR-Spitzenzentrum dem deutschen Sport nicht nur erhalten blieb, sondern neu ausgerichtet, strukturiert und ausgebaut wurde...
Das neue Verwaltungsgebäudes des Bundesleistungszentrums Kienbaum
- am 15. Juni 2011 bei der feierlichen Schlüsselübergabe
Beim vorjährigen Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte sie:
"Jeder Euro in Kienbaum ist hier gut angelegt!"
... und tatsächlich imposant ist das inzwischen hier Geleistete, wo schon längst kaum noch etwas an alte DDR-Zeiten erinnert:
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Rückansicht des nigel-, nagelneuen Verwaltungsgebäudes am Rande des idyllischen Liebenberger Sees.
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Heute gehört das Areal am Liebenberger See, gut 35 Kilometer östlich von Berlin, mit seinen 60 Hektar zu den modernsten und meistgenutzten Stützpunkten des deutschen Spitzensports. Auf knapp 70.000 Übernachtungen kam das BLZ mit seinen 200 Zimmern und 400 Betten im vergangenen Jahr - die Nachfrage ist sogar noch größer!
Und, es ist Hauptort der Lehrgangstätigkeit auch des Deutschen Turner-Bundes mit seinen Auswahlathleten ...!
Hatte hier bereits seit 1952 der DDR-Spitzensport sein oft auch geheimnisumwittertes Domizil aufgeschlagen, und es kam 1970 dann auch eine Turnhalle hinzu (siehe unten).
Seither war Kienbaum auch der Ort der zentralen Lehrgänge der DDR-Nationalmannschaften der Turnerinnen und Turner vor ihren Auftritten bei Großereignissen, wo i. d. Regel auch die offiziellen Pressefotos vor Abreise zu den Wettkämpfen entstanden, wie im z. B. von der DDR-Männer-Olympiariege 1976 vor Montreal:
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DDR-Turn-Olympiariege 1976 in Kienbaum (vor dem damaligen Versorgungsgebäude), mit: v. li. n. re.:) Cheftrainer Peter Weber, Bernd Jäger (Potsdam), Ralph Bärthel (Halle), Lutz Mack (Halle, Kapitän), Wolfgang Klotz (Potsdam), Roland Brückner (Berlin), Rainer Hanschke (Halle), Michael Nikolay (Berlin)
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... jetzt liegt z. B. seit kurzem ein neuer, hochmoderner, grasgrüner 'Bodenteppich', mit einer Gesamt-Investition von 120.000,- EURO, der Bestbedingungen für die bevorstehende WM in Tokio bietet!
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Hier in Kienbaum wurden in den folgenden zwei Jahrzehnten bei "zentralen Lehrgangsmaßnahmen" die Grundlagen des im Förderstufen - und Clubsystems der DDR erzielten Ergebnisse derart verfeinert, dass sich die DDR-Turnerinnen und Turner in der absoluten Weltspitze nicht nur etablierten - sondern zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des politischen Systems - neben der Sowjetunion und Rumänien und noch v o r den USA, vor China und Japan - diese maßgeblich mitbestimmten.
Kienbaum war schon damals Haupt-Lehrgangsort sogenannter "UWV"-Maßnahmen ("unmittelbare Wettkampfvorbereitung")
und spielte zwar dabei auch eine herausragende Rolle, doch obwohl die damaligen Ausstattungsbedingungen nach DDR-Standard hervorragend waren, sind sie natürlich aus heutiger Sicht als eher bescheiden einzuordnen - aber es sind eben nicht allein nur die materiellen Dinge, die zu internationalen Top-Leistungen des Spitzensports führen!
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GYMmedia-Chefredakteur Eckhard Herholz im Gespräch mit Philipp Boy
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GYMmedia- SOMMER-INTERVIEW mit Philipp B O Y (SC Cottbus)
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Am Rande des Kienbaumer Sommerfests gab es gestern eine lockere Gelegenheit, sich mit dem
aktuellen Turn-Europameister 2011 - gekürt im April in der deutschen Hauptstadt - mit
Philipp BOY zu unterhalten:
Philipp --: "... klar, Kienbaum ist verdammt wichtig! Und inzwischen fühlt sich unsere Turntruppe hier so richtig wohl, weil - hier stimmt inzwischen alles! Klasse Trainingsbedingungen, Versorgung, Umfeld, Freizeitmöglichkeiten, aber besonders die relative Abgeschiedenheit: man kann sich hier auf das Wesentliche konzentrieren!!"
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GYMmedia -- : "... das da wäre ...?
Philipp --: "Na, eindeutig Olympia 2012! Dem ordne ich schon seit einiger Zeit alles unter. Natürlich habe ich auch unterschiedliche Phasen durchgemacht. Das Jahr 2009 lief für mich absolut nicht gut. Irgendwie habe ich dann Anfang 2010 immer mehr auf die Reihe bekommen, wurde auch im Kopf klarer. Und die WM 2010 in Rotterdam, war dann einfach der Hammer! Und dass ich dort hinter dem Ausnahme-Athleten Kohei Uchimura zweitbester Mehrkämpfer der Welt werden konnte, ist eigentlich auch jetzt noch ziemlich unglaublich!"
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GYMmedia -- : " ... apropos, Uchimura:
Der hat eben beim NHK-Cup in Japan eben wieder 94 Punkte geturnt ...!"
Philipp --: "Tatsächlich...? Ja, für mich ist und bleibt er ein Ausnahmeathlet. Der turnt nicht nur Spitze, sondern der 'zelebriert' unsere Sportart förmlich, und das auf der Basis unglaublicher technischer Perfektion und Eleganz!"
* GYMmedia -- : " ... das heißt, Du hältst ihn momentan für unschlagbar?!"
Philipp --: "Ja, ich weiß nicht...?! Zumindest lege ich es selbst mit meinem Trainer Karsten Oelsch nicht darauf an, anzugreifen, um auf Teufel komm' raus den Mann zu schlagen. Das ist wohl vermessen. Wir konzentrieren uns einfach auf uns, loten die eigenen Möglichkeiten aus.. Natürlich weiß ich, dass Uchimura z. B. am Sprung von einem 16.6'er- Element (Rondat mit 2 1/2-Drehungen in der 2. Flugphase) eine halbe Drehung draufgepackt hat - jetzt also einen17.0-Ausgangswert hat.
Ich dagegen will dem Überschlag-Doppelsalto vw. bis London noch eine halbe Drehung hinzufügen, also aus dem 'Roche' einen 'Dragulescu' machen. So muss jeder Athlet seinen spezifischen Weg gehen ..."
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GYMmedia -- : "Es war doch nicht nur die Vorbereitungszeit auf die
Berliner EM anstrengend, sondern auch die Zeit danach?"
Philipp --: "Ja, klar, man unterschätzt vielleicht immer ein wenig die Gesamtbelastung, Termine, Veranstaltungen, Interviews, Feiern, Ehrungen, ... aber natürlich macht das auch Spaß, wenn man sich dabei nicht von seinem Hauptziel abbringen lässt und das sind die Olympischen Spiele in London in 14 Monaten. Die Berliner EM war da eben nur ein erster Schritt dahin ...!"
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GYMmedia -- : "Der Typ zum Abheben bist Du aber eher nicht ...?!"
Philipp --: "Nee --! Erstens bin ich dafür wirklich nicht der Typ - das wissen auch alle, die mich kennen. Und zweitens habe ich da schon eine Menge Leute um mich herum, die mich im Falle der Fälle am Boden halten. Auch sind wir mit unserer Auswahltruppe ein so geiles Team, leistungs- wie stimmungsmäßig! Wer da irgendwas von Problemen, Dissonanzen oder sonst 'was sieht, schreibt oder 'reinreden will, der hat entweder keine Ahnung oder tut es mit unlauterer Absicht. Wir verstehen uns alle richtig klasse!"
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Philipp testete schon mal den exzellenten Service an der Rezeption des neuen Hauses in Kienbaum ...
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* GYMmedia -- : "Wie sehen Deine nächsten Schritte aus?"
Philipp --: "Mein persönlicher Aufgalopp hat ja längst begonnen: Zu Hause in Cottbus wird momentan intensiv trainiert: Da habe ich schon mal am Reck dem Kolman-Salto mit einer zusätzlichen 1/2-Schraube getestet oder am Boden einer 2 1/2-Schraube einen Doppelsalto vorwärts folgen lassen. Bestbedingungen habe ich nach modernster Hallenausstattung zu Hause auch und in der Bundeswehr-Sportfördergruppe sowieso!
Wettkampfmäßig geht's Anfang August in der Bundesliga mit meinem SC Cottbus los,
... ja und dann folgen ja schon die 1. WM-Qualifikation und Ende des Monats August die Deutschen Meisterschaften, die gleichzeitig als 2. WM-Quali gelten - und dann sind wir eigentlich schon wieder mittendrin, in der WM-Vorbereitung für Tokio - ganz sicher wieder hier in Kienbaum!
In Tokio geht's bekanntlich um Olympia-Qualifikation als Team, aber natürlich auch um nachhaltige Präsentation vor dem Hauptereignis inmitten all' der Konkurrenten und nicht bloß Uchimura - und die schlafen ja bekanntlich auch alle nicht!"
* Das GYMmedia-Sommer-Interview führte Eckhard Herholz