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(update:
13-05-2000)

23rd EUROPEAN CHAMPIONSHIPS 2000
WOMEN's Artistic Gymnastics
Paris-Bercy, 2000, May 12-14
- BALANCE II / GERMANY -

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pulsar_rot_blau.gif (1701 Byte) Retrospect:    St.Petersburg  WOMEN 1998   /  Juniors, Women 1998       

 pulsar_rot_blau.gif (1701 Byte) CHAMPIONS ALL


DAS WAREN DIE 23. EUROPAMEISTERSCHAFTEN 2000 IM OLYMPIAJAHR

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Zum Abschneidens der deutschen Kunstturnerinnen
- Eine EM-Analyse von Petra Theiss, OSP Frankfurt-Rhein-Main -

Zur Nominierung:
Bevor ich auf die Europameisterschaften selbst eingehe, zunächst einige Anmerkungen zur Nominierung des Seniorinnen-Teams, welche vielleicht bei einigen "Insidern" auf Unverständnis gestoßen ist. Auf der Grundlage eines während der Endvorbereitung in Frankfurt durchgeführten internen Test-Wettkampfs sowie der gezeigten und dokumentierten Trainingsleistungen haben sich Lisa Brüggemann und Dagmar Fehrenschild souverän als Vierkämpferinnen für die EM empfohlen. Birgit Schweigert konnte am Barren und Balken ebenfalls eindeutig überzeugen, ihre Sprungleistung unterschied sich nur unwesentlich von der Gritt Hofmanns und am Boden stellte sich der Leistungsunterschied zu Katja Dreyer infolge der Aufstockung ihres akrobatischen Programms nicht mehr so deutlich dar wie noch in der Vergangenheit. Allein im Interesse eines guten Mannschaftsergebnisses bei den Europameisterschafen soll nicht unerwähnt bleiben, dass Gritt Hofmann und Katja Dreyer durchaus berechtigte Chancen hinsichtlich eines EM-Einsatzes an den Geräten Sprung und Boden gehabt hätten. Durch die besondere Situation der Möglichkeit der Olympiaqualifikation bei den Europameisterschaften, sowohl über den Einzel-Mehrkampf als auch über das Gerätefinale, gab jedoch letztendlich die Einschätzung der potentiellen "Olympiachance" der Turnerinnen Lisa Brüggemann (Mehrkampf und Boden), Dagmar Fehrenschild (Mehrkampf und Barren) und Birgit Schweigert (Mehrkampf und Balken, evtl. Barren) den Ausschlag für die Nominierung von drei Vierkämpferinnen. Für Birgit Schweigert als Vierkämpferin sprach zudem ihr in der Vergangenheit wiederholt sicheres Auftreten bei internationalen Wettkämpfen (z.B. LK Eindhoven 1999, WM Tianjin 1999, Turnier USA 2000), das sie auch in Paris als beste deutsche Turnerin (Rang 12 im Einzel-Mehrkampf) erneut unter Beweis stellen konnte.
Um so erfreulicher, dass Katja Dreyer und Gritt Hofmann die für sie persönlich sicherlich "harte" fachliche Entscheidung des EM- und JEM-Trainerteams akzeptiert haben und die Mannschaft in der verbleibenden Vorbereitungszeit sowie zum Wettkampf selbst ohne Einschränkungen unterstützt haben. An dieser Stelle nochmals vielen Dank und ein dickes Lob an Gritt und Katja.

Der Mannschaftswettbewerb:
Das retrospektiv betrachtete zufriedenstellende Abschneiden im Rahmen des Mannschaftswettkampfs (Rang 9) ist bereits wiederholt in den Medien betont worden, wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass der 8. Platz in greifbarer Nähe war. Gleichzeitig gilt es jedoch auch zu erkennen, dass selbst bei optimalem Wettkampfverlauf eine noch bessere Platzierung nicht möglich gewesen wäre, da der Punktabstand zu den nächstplatzierten Italien und Spanien aktuell mit ca. 3 Punkten noch sehr deutlich ausgefallen ist. Unter Berücksichtigung des besonderen Wettkampfmodus (ohne Streichnote) und der Tatsache, dass die drei nominierten Turnerinnen noch im unmittelbaren Vorfeld der EM mit kleineren, akuten Verletzungen zu tun hatten, die Dank der intensiven medizinischen und physiotherapeutischen Betreuung sowohl am Heimat-Stützpunkt (u.a. durch Dr. R. Koll, Physiotherapie Bergisch-Gladbach und Köln) als auch während der Vorbereitung in Frankfurt (Dr. H. Lohrer, Physiotherapie OSP-Frankfurt-Rhein-Main) und Paris (Dr. R. Eckhardt, S. Karrasch) erfolgreich behandelt werden konnten, kann man aus deutscher Sicht mit dem erzielten 9. Rang zunächst zufrieden sein. Abgesehen von den genannten kleineren Blessuren stellte sich das gesamte EM-Team (einschließlich Gritt Hofmann und Katja Dreyer) im Gegensatz zum WM-Team 1999, bereits zu Beginn der EM-Vorbereitung in einer guten bis sehr guten körperlichen Verfassung vor, d.h. eine adäquate körperliche und psychische Belastungsverträglichkeit während der knapp bemessenen Endvorbereitung war gegeben und am Wettkampftag waren die Turnerinnen ohne Einschränkung einsatzfähig.

Die Inhalte:
Deutliche Unterschiede zur europäischen Spitze zeigten sich natürlich im Schwierigkeitsgrad der Programme, augenscheinlicher jedoch wieder einmal in der Dynamik des Auftretens (u.a. infolge von Kraftdefiziten), der Qualität der gymnastischen Ausbildung (insb. mangelnde Fußarbeit und fehlende Ausdrucksstärke) sowie der Übungsstabilität. Letztere ist auf eine noch mangelnde internationale Wettkampferfahrung und die damit zwangsläufig verbundenen "Reise-Strapazen", die auch eine bestimmtes Maß an psychischer Robustheit erfordern, in Zusammenhang zu bringen. Darüber hinaus standen natürlich alle drei Turnerinnen unter der zusätzlichen Nervenbelastung der Olympiaqualifikation.
Die Turnerinnen:

Dagmar Fehrenschild konnte ihre Leistungsfähigkeit noch während der Endvorbereitung in Frankfurt kontinuierlich steigern und mit einem quasi fehlerfreien Wettkampf im Mannschaftsdurchgang auch ihr starkes Nervenkostüm unter Beweis stellen. Die im Mehrkampffinale aufgetretenen Fehler (Sturz am Balken bei der langen Reihe und nicht ganz vollendete Dreifachschraube am Boden) sind letztendlich die Folge technischer Defizite, die de facto noch bestehen. Um so erfreulicher, dass Dagmar an ihrer "Achillesferse", dem Pferdsprung, erstmals den Yurtchenko in gestreckter Haltung realisieren konnte. Der Einzug ins Barrenfinale wäre in der letzten Startgruppe, mit einem knappen Zehntel-Punkt mehr, ebenfalls denkbar gewesen,

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"Daggi" Fehrenschild

wobei die Top-Übungen im Gerätefinale allerdings mehr und mehr durch direkte Holmwechsel (kein Aufbücken bzw. Sohlwellumschwung) und exakte End- bzw. Handstandpositionen gekennzeichnet sind.

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"Biggi" Schweigert

Birgit Schweigert konnte, wie in Tianjin 1999, ihre Stärke im Mehrkampf erneut unter Beweis stellen. Dass es gerade am Balken, ihrem Paradegerät, nicht so gut geklappt hat, ist sicherlich nicht auf bewegungstechnische Mängel, zurückzuführen. Hier haben vielleicht einmal die Nerven, der ansonsten als nervenstark bekannten Biggi, dem enormen Druck der Olympiakriterien nicht standhalten können. Hinzu kommt ein Trainingsrückstand infolge einer leichten Knieverletzung im Vorfeld der EM. Unter diesem Aspekt ist allerdings auch davon auszugehen, dass Birgit kurz- bzw. mittelfristig, mit dem bereits zur EM-Qualifikation gezeigten neuen Rondat-Sprung (Omeliantchik), ihren Ausgangswert weiter aufstocken und den Deutschen Turner-Bund, ebenso wie Dagmar Fehrenschild, würdig bei den Olympischen Spielen in Sydney vertreten kann.

Von einem wirklichen "Pechvogel" ist im Zusammenhang mit der möglichen Olympiaqualifikation von Lisa Brüggemann zu sprechen, die ihren Mannschafts-Mehrkampf am Pferdsprung (9.025) und Stufenbarren (9.437) sehr stark und souverän begonnen hat. Auch am Balken hatte Lisa einen überzeugenden Start mit Angang (Rondat-Spreizsalto) und langer Akroreihe (Flick-Flack-Spreizsalto-Flick-Flack). Erst beim neu in die Übung integrierten Salto vorwärts, der ihr bereits im Vorfeld der EM technische Schwierigkeiten bereitete, musste sie das Gerät verlassen, was zur Folge hatte, dass der Rest der Übung (akrobatisch-gymnastische Verbindung und gymnastische Sprungverbíndung) auch nicht mehr ganz "rund lief" und sie erhebliche Einschränkungen (0.6 Punkte) im Ausgangswert in Kauf nehmen musste.

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Lisa Brüggemann

Sie hat sich jedoch hierdurch noch keineswegs entmutigen lassen und ist guter Dinge und voller Elan an ihre Bodenübung gegangen, mit der sie - wie sich später auch aus Kampfrichtersicht herausstellen sollte - berechtigterweise eine Finalchance gehabt hätte. So gut wie selten ist ihr die erste akrobatische Reihe mit einer Kombination aus Rondat - Flick-Flack 1 1/2 Schraube und 2 1/2 Schraube mit direktem Salto vorwärts gelungen und auch den anschließenden Doppeltwist in der 2. Akroreihe konnte sie sicher zum Stand bringen. Sie machte schon beinahe einen befreiten Eindruck, als sie dann leider bei der Landung nach dem Tsukahara die Beine zu steif gegen die Bodenfläche stellte, was quasi zu einem "Konterstoß" durch die elastische Unterlage und letztlich zum Sturz bzw. Aufstützen einer Hand am Boden führte. Insbesondere die fehlende Erfahrung mit der besonderen Beschaffenheit der elastischen Unterlage ist als Ursache heranzuziehen, was insgesamt wiederum dafür spricht, dass junge Turnerinnen jede Gelegenheit nutzen sollten, internationale Wettkampf-erfahrung zu sammeln. Für ihre Bodenübung, die sie mit einem hohen und sicher gelandeten Doppelsalto gebückt beendete, erhielt Lisa noch eine 9,075. Damit war aber leider nicht nur der Traum von Olympia, sondern auch ein Start im Einzel-Mehrkampf geplatzt, was sie verständlicherweise sehr traurig stimmte.

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Das deutsche EM- und JEM-Team, Paris 2000

Wie gut die Stimmung im gesamten Team war, zeigte sich unter anderem in den anschließenden tröstenden Worten der Mannschaftskolleginnen und Betreuer, die Lisa in ihrem Bemühen, mit dem Misserfolg, der leider auch zum Leistungssport gehört, fertig zu werden, zu unterstützen versuchten. So fand sie auch sehr schnell die Kraft ihre Mannschaftskolleginnen an den folgenden Wettkampftagen tatkräftig zu unterstützen und – berechtigterweise(!) – wieder nach vorne zu blicken.
Das Fazit:
Dagmar, Birgit und Lisa hinterliessen insgesamt einen guten Eindruck in Paris sodass sie ihre aktuelle Olympiareife sowie ihr noch vorhandenes Potential, trotz der unterlaufenen Fehler, nicht verhehlen konnten. Mit Dagmar Fehrenschild, Lisa Brüggemann, Birgit Schweigert, Katja Dreyer, Gritt Hofmann, Katja Abel und Conny Schütz sowie weiteren (wenn auch wenigen!) Nachwuchsturnerinnen.

An erster Stelle sind hier Daria Bijak und Janina Jeworutzki zu nennen, die beide ein beachtliches JEM-Ergebnis turnten, steht dem Deutschen Turner-Bund mit Sicherheit eine ausreichende Anzahl an Turnerinnen zur Verfügung, die bei optimaler Betreuung das physische und psychische Anforderungsprofil für eine Olympiaqualifikation 2003 erfüllen könnten.

Konzepte sind in ausreichendem Maße und in entsprechender Qualität in Deutschland vorhanden, zur Umsetzung fehlt unter anderem die notwendige Bereitschaft zur konsequenten, aber auch kollegialen Zusammenarbeit aller am Prozess beteiligten Personen bzw. Institutionen im Interesse einer leistungsbetonten Entwicklung des deutschen Frauenturnens.

Petra Theiss / OSP Frankfurt-Rhein-Main

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                                                 "Ergänzungen zur EM-Analyse von P.Theiss"

 

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16-05-2000
- ehe -