Ob "Fliegende Sachsen", sächsische Turnerjugend oder
Leipziger Informationsständler, sie alle werben in der Turnfestwoche bei ihren
Vorgängern für Kommendes:
Das nächste Deutsche Turnfest wird im Jahre 2002 in Leipzig stattfinden,
und diese Tatsache erfreut offensichtlich fast alle permanenten Turnfestfreaks wenn
sie den östlichen Austragungsort auch mit unterschiedlicher Aufgeschlossenheit bedenken.
Ob man denn überhaupt Sportstätten habe, wurden die Damen am Informationsstand der
Messestadt schon gefragt, aber auch, ob es schon die Wettkampfausschreibungen gibt... Aber
unisono verkünden sie, das diesjährige Turnfest-Motto "Wir sind dabei"
unbedingt auch auf Leipzig anwenden zu wollen. |
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"Das freut
mich sehr, denn die Herzlichkeit auf der Gastgeberseite wird ebenso groß sein" - Wolfgang
Tiefensee ist froh über diese Resonanz, die er auch persönlich zu spüren
bekam, als er am Sonntag den Eröffnungstag des "30." erlebte. "Ich habe
hier ein ganz fröhliches, ausgelassenes Fest erlebt. Die Menschen der vielen
verschiedenen Turnverbände reden miteinander, feiern, haben Spaß und Freude. Es ist eine
tolle Stimmung in der Stadt, die meine Vorfreude auf unser Turnfest noch größer werden
läßt."
Wolfgang
Tiefensee:"Meine Vorfreude ist hier noch größer geworden!" |
Der frisch gewählte Oberbürgermeister der
sächsischen Metropole, der als noch-Beigeordneter für Jugend, Schule und Sport mit
ganzer Kraft und Persönlichkeit dieses Turnfest haben wollte, ist ein begeisterter und
begeisternder Repräsentant seiner Stadt. Der 43jährige studierte Informatiker kam aus
der Bürgerbewegung der Wendezeit zur SPD, hat einiges getan, um Leipzigs Sport wieder auf
feste Füße zu stellen und wird Ende Juni Hinrich Lehmann-Grube ablösen, der sich in
seiner Amtszeit stark gemacht hatte für ein Turnfest in Leipzig. Mit Erfolg, denn die
Abstimmung München-Leipzig fiel schon vor sechs Jahren im Hauptausschuß des Deutschen
Turner-Bundes nach der Leipzig-Präsentation des OB denkbar knapp aus. Unsere Stärke ist unsere Bevölkerung!
Die Sportstättensituation und die nicht
hinreichende Infrastruktur waren wohl ein wesentlicher Grund, um sich
"zunächst" für München zu entscheiden, die Leipziger Option für 2002 blieb
gleich bestehen.
Mittlerweile ist viel geschehen in Leipzig, gebaut wird allerorten, vom neuen
Messegelände hat man möglicherweise sogar schon in Bayern gehört der OB stellt
dennoch einen ganz anderen Aspekt in den Vordergrund: "Leipzig wirbt dafür, daß wir
ein Deutsches Turnfest mindestens genausogut ausrichten können wie unsere Vorgänger. Und
das vor allem, weil der Turnfest-Gedanke ganz fest verankert ist in der Leipziger
Bevölkerung. Die Leipziger hängen mit ganzem Herzen an dieser Turnbewegung, und diese
Aufgeschlossenheit, diese herzlich-gastfreundliche Atmosphäre ist unsere ganz große
Stärke." |
Produktiv mit
der Vergangenheit umgehen
Leipzig und Turnfest das gehörte zu DDR-Zeiten untrennbar zusammen; alle vier
Jahre fanden die Turn- und Sportfeste statt. Heute bleibt in so mancher Außenbetrachtung
nur mehr der zweifellos vorhandene Mißbrauch dieser Feste für damaliges politisches
Renommee übrig. "Es ist wohl klar, daß wir nicht in die DDR-Traditionen eintreten,
und ich als jemand, der über die Bürgerbewegung in die Politik gekommen ist, stehe wohl
außerhalb jedes Verdachts, etwas davon pauschal übernehmen zu wollen. Aber es geht doch
nicht an, daß man mit solchen Pauschalisierungen die Sportler von damals klein macht, die
tausenden Ehrenamtlichen, die im Sport tätig waren und diese Feste mit vorbereitet haben.
Leipzig hat Riesentraditionen in der Turnbewegung, die bis ins Jahr 1845 zurückreicht,
als der erste Allgemeine Turnverein zu Leipzig gegründet wurde. Diese Relationen sollten
wir auch sehen was sind 40 Jahre im Verhältnis zu dieser langen Zeit. Wir stehen
dazu, diese Turnfeste sind ein Stück unserer Vergangenheit, und wir werden produktiv
damit umgehen." |
Tradition spielt eine große Rolle in der
Leipziger Turnbewegung; schon 1863 fand das 3. Allgemeine Deutsche Turnfest statt, im
Jahre 1922 kamen 200.000 (!) zum Arbeiter-Turn und Sportfest. Die Sammlung des Leipziger
Sportmuseums, wohl die umfassendste in Deutschland, hat die gesamte Geschichte der
Leipziger Turnfeste dokumentiert, und wird diese Ausstellung natürlich auch anläßlich
des Deutschen Turnfestes 2002 zeigen. |
Ein modernes
Turnfest im Geiste des 21. Jahrhunderts
Wolfgang Tiefensee sieht bei aller Traditionsdiskussion lieber nach vorn und erläutert,
wie er sich das Leipziger Turnfest vorstellt. "Wir möchten ein Turnfest
organisieren, daß mit dem Beginn des neuen Jahrtausends neue Akzente setzt, vielleicht
sogar eine neue Ära einleitet. Uns liegt daran, die Internationalität mehr zu fördern,
das Turnfest zu öffnen, mehr osteuropäische oder auch südeuropäische Länder
einzubeziehen. Wir überlegen auch, ob wir zeitgleich Meisterschaften anderer Sportarten
ausrichten und inhaltlich noch stärker auf neue, moderne Sportformen orientieren
wobei das ja hier schon in sehr umfänglicher Form getan wird. Und noch ein Aspekt: Wir
leben in einer Mediengesellschaft, und Leipzig ist auf dem besten Wege, sich wieder einen
Namen als Medienstandort zu machen. Wir haben das modernste Verkabelungsnetz Europas,
einen sehr hohen Standard der Telekommunikation. Diese Aspekte werden eine Rolle spielen,
auch in der Zusammenarbeit mit den Medien."
Denkt man bei diesen Visionen an einige DTB-Strategen, dann mag es von Vorteil sein, daß
Wolfgang Tiefensee einst Leichtathlet war und Hürdenlauf gelernt hat...
Schwierige Infrastruktur -
stecken wir ein wenig zurück
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Visionen sind die eine Seite, die
andere, daß beispielsweise das Niveau der meisten Sportstätten dem des
Kommunikationsnetzes der Stadt keineswegs entspricht. "Das ist ganz klar mit
der Infrastruktur der Sportstätten Münchens können wir nicht mithalten, da stecken uns
die 40 Jahre noch zu tief in den Knochen. Es wird sicher kein Turnfest der Superlative
aber das darf kein Hinderungsgrund sein, und vielleicht ist es auch nicht schlecht,
wenn wir alle unsere Ansprüche etwas zurücknehmen. Leipzig hat ausreichend
Sportstätten. Wir beziehen das Sportforum mit ein, die Anlagen der einstigen Deutschen
Hochschule für Körperkultur, die bis dahin ihr Gesicht verändert haben werden. Und die
neue Messe, die jeden fasziniert, der sie einmal gesehen hat. Die Leipziger Innenstadt hat
eine sehr dichte, sehr schöne Atmosphäre, das werden alle bestätigen, die einmal da
waren. Es wird ganz sicher ein großes Erlebnis, in dieser Stadt die faszinierende
Turnfestatmosphäre zu erleben", so der Leipziger OB. |
Bleibt das Leipziger Zentralstadion, um dessen
Neu- oder Umbau es schon fast soviele Diskussionen gegeben hat wie um das Berliner
Olympiastadion. Jetzt soll im Wall des alten Stadions ein neues gebaut werden, das
Turnfest naht, und in der Ferne grüßt die Fußball-WM aber es ist noch nichts
definitiv, die Finanzierung steht nicht, und hier wie da hofft man auf die Unterstützug
des Bundes. Zum Turnfest jedenfalls soll alles gerichtet sein. |
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"Packen
Sie Ihre Taschen und kommen Sie zu uns!"
Daß Leipzig Großveranstaltungen mit
Volksfestcharakter bewältigt, ist kein Vor-Wende-Phänomen. "Wenn es überhaupt noch
eines Beweises bedurft hätte", so Wolfgang Tiefensee, "dann hat ihn der
Evangelische Kirchentag erbracht."
Helfermangel wie beim Münchner Turnfest sehen die Leipziger nicht, und da macht auch ihr
Bürgermeister keine Ausnahme. "Wir tun viel für den Sport und haben jetzt wieder
über 54.000 aktive Mitglieder in den Sportvereinen der Stadt. Wenn man bedenkt, daß es
vor der Wende 92.000 waren, unmittelbar danach 18.000, dann sind wir optimistisch."
Vier motivierte Helfer bringt er möglicherweise persönlich ein, denn seine vier Kinder -
jetzt 19, 16, 15 und 11 Jahre alt - sind allesamt sportbegeistert. Junior Andreas ist in
der kaum noch vorhandenen Freizeit des Vaters der Billardpartner und begleitete ihn auch
zu seinem kurzen Turnfestbesuch in München.
Die Einladung des Leipziger OB ist so herzlich
wie seine Leipziger als Gastgeber sein wollen: "Ich habe in vielen Gesprächen immer
wieder festgestellt, daß viele Leute gerade aus den alten Bundesländern sehr geringe
Kentnisse über Leipzig oder die neuen Bundesländer überhaupt haben, und doch viele
Meinungen von Vorurteilen belastet sind.
Mein Vorschlag ist, packen Sie Ihre Taschen, kommen Sie zu uns, sehen Sie sich die Stadt
an. Spätestens zum 31. Deutschen Turnfest. Seien Sie Herzlich Willkommen, wir freuen uns
riesig darauf.!"
Mit Wolfgang Tiefensee
unterhielt sich Sonja Schmeißer/GYMmedia Berlin |
-schm- / 08-11-99
update: 09-07-2000
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