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Von
Michael Müller
Leipziger Olympiabewerbungs-Logo 2012:
nicht besonders originell,
nun möglicherweise völlig umsonst
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Am
Sonnabend beginnt in Leipzig das Deutsche Turnfest. Nun ist der
Chef des Organisationskomitees beurlaubt worden.
Der Anlass: Eine überregionale Zeitung schrieb gestern, der
Mann sei Außen-Aufklärer des DDR-Ministeriums für Nationale
Verteidigung gewesen. |
Dieser Mann, der für
den Deutschen Turnerbund in Leipzig eine der weltweit größten
Breitensportveranstaltungen vorbereitete, heißt Volker Mattausch.
Ihm wurde, wie er gegenüber ND sagte, von seinem Arbeitgeber schon am
Sonntagabend »lakonisch mitgeteilt«, dass er »bis zur Überprüfung
der Beschuldigungen beurlaubt« sei.
Was das für welchen Zeitraum konkret bedeutet, wurde Mattausch nicht
angedeutet. Wenn es nach ihm ginge, könnte diese »Überprüfung«
jedoch recht schnell gehen. Denn die Fakten, die die Tageszeitung »Die
Welt« da gestern anführte, bestätigte er auch gegenüber ND im
Wesentlichen: »Ich habe zwar selbst meine Unterlagen von der
›Birthler-Behörde‹ auch nach Jahren noch nicht erhalten, aber
faktisch stimmt das so etwa, was diese Zeitung, die wohl bessere Behördenbeziehungen
hat als ich, da schreibt.«
Mattausch, beruflich einst Professor an der Deutschen Hochschule für Körperkultur
und in den letzten DDR-Jahren auch ihr Prorektor, versorgte demnach
DDR-Militäraufklärer mit relevanten Informationen, an die er auf
Auslandsreisen herankam. »Dazu hatte ich mich zwar nie schriftlich
verpflichtet«, sagte Mattausch ND auf Nachfrage. »Aber zu der
Motivation, die mich dazu veranlasste, auf diese Weise als
Reserveoffizier tätig zu werden, stehe ich nach wie vor: In der Zeit
des Kalten Krieges hielt ich es für wichtig, dass man wusste, was wo
mit Raketenstellungen und -bewegungen los war.« Und aus damaliger wie
heutiger Sicht habe das, was er lieferte, »ja auch irgendwie zur
Sicherung des Friedens beigetragen«
Der Deutsche Turnerbund erklärte gestern
in einer Pressemitteilung, dass Mattausch vor der Einstellung bei der »Gauck-Behörde«
geprüft worden sei. Dabei hätten die Recherchen »keine bedenklichen
Fakten« ergeben. Die Sächsische Staatsregierung wollte am Montag keine
Stellungnahme abgeben. Eine Sprecherin der Staatskanzlei verwies darauf,
dass das Turnfest in alleiniger Regie des Turnerbundes veranstaltet
werde.
In der Leipziger Stadtverwaltung äußerte
sich gestern ND gegenüber keiner konkret, warum man dem Turnerbund
lediglich auf der Grundlage eines Pressebeitrages empfohlen hat,
Mattausch zu beurlauben. Die »Dokumente«, von denen »Die Welt«
berichtete, dass sie ihr vorlägen, kannte man in Leipzig gestern
jedenfalls noch nicht. Stattdessen versuchte Oberbürgermeister Wolfgang
Tiefensee am Nachmittag Mattaus gesamten Mitarbeiterstab, der
sich mit ihm offen solidarisch zeigte, mit der Bemerkung zu
beschwichtigen: »Ich bitte Sie um Verständnis für die Entscheidung,
die nichts mit der Person zu tun hat, sondern nur mit den Vorwürfen.«
Dass die Stadt Leipzig so rigide und überhastet reagierte, wollte
Mattausch gegenüber ND nicht kommentieren. Er hätte das allerdings »nach
jahrelanger gedeihlicher Zusammenarbeit so nicht erwartet« und er fühle
sich »doch schon irgendwie als ein Bauernopfer«.
Wofür er geopfert werden soll,
liegt für Beobachter der Leipziger sportpolitischen Szene auf der Hand.
Ebenso, warum der Zeitpunkt des »Geheimdienst-Skandals«, wie sogar die
»dpa« gestern glaubte titeln zu müssen, manchem in dieser Republik
sehr zu passe kommen dürfte:
Leipzig bewirbt sich bekanntlich in der internen innerdeutschen
Auswahlrunde darum, Olympiastadt 2012 zu werden – zusammen mit Düsseldorf,
Frankfurt (Main), Hamburg und Stuttgart. Morgen ist Abgabetermin der
Bewerbungsunterlagen beim Nationalen Olympischen Komitee...
Indirekt zur Bewerbung gehört natürlich auch das Ereignis Deutscher
Turnertag. Nun ist das NOK zwar eine in der Regel eher nüchtern
urteilende Institution, und es wird zur deutschen Bewerberstadt erst im
Juni 2003 entscheiden. Doch dass Leipzig im Zusammenhang mit diesem
nationalen Turnertag von den ja nicht ganz einflusslosen Springer-Medien
das »Stasi«-Etikett angepappt bekommt, könnte Langzeitwirkung haben.
Dr. Volker Külow, Leipziger
PDS-Vorsitzender, verweist gegenüber ND darauf: »Mit der Schürung von
Ost-West-Ressentiments durch den gleichen Journalisten, der bereits die
angebliche Stasi-Verstrik-
kung des MDR ›enthüllte‹, wird politische Brunnenvergiftung
betrieben. Wenn der Leipziger Beigeordnete Burkhard
Jung glaubt, mit der Suspendierung des Geschäftsführers
Prof. Volker Mattausch aus der konservativen und zugleich
anti-ostdeutschen Schusslinie zu gelangen, befindet er sich auf dem
Holzweg.«
Mit dieser Einschätzung dürfte Külow nicht ganz falsch liegen.
Immerhin teilte erst gestern kein Geringerer als Bundestagspräsident
Wolfgang Thierse (SPD) der westdeutschen Elite per »F.A.Z.«
mit, dass der Sport in der DDR »fast als Ersatzkriegshandlung
missbraucht« und die »Vereinskultur reduziert und politisch
ideologisch überformt« worden sei.
Kein Wunder, dass natürlich auch die Friedensfahrt davon heute noch
infiziert ist. Gesternabend meldete besagte »Welt« vorab gleich zwei
neue Ex-Stasi-Mitarbeiter vom Course de la Paix.
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