Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
(- in German only)
(update: 18
-NOV-2001)

..Sven Tippelt:

Laute Kritik aus dem Mund eines stillen Meisters

Von Kerstin Förster, Leipzig

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Tippelt, bei seinem Element: Die Tippelt-Grätsche am Barren

Leopoldshöhe/Leipzig.
Die Videosammlung im Hause Tippelt hat seit vergangener
Woche einen neuen Bestseller: Teil 1: Turnen von einem anderen Stern. Teil 2: Der Niedergang des deutschen Turnens. 
"Entgegen allem, was an
Schönfärberei in die Welt gesetzt wurde, hat es sich doch schon vor einigen Jahren angedeutet, dass es bergab geht. Es war ein langwieriger Prozess, dem nicht entgegen gewirkt wurde", kritisiert Sven Tippelt. Für den 36-jährigen ehemaligen Leipziger DHfK-Turner mit Jokey-Maßen (1,55 m) steht klar fest, warum die Gerätekunst hier zu Lande in der Krise steckt. 

"Das liegt zum einen an der Verbandsführung, in der sich einige Leute in Selbstherrlichkeit sonnen. Traditionen werden kaum gepflegt. Es wird versäumt, ehemalige Aktive in diese Arbeit zu integrieren. Es gibt Ausnahmen wie Sylvio Kroll. Doch die Franzosen oder Italiener machen uns in dieser Beziehung etwas vor", behauptet der Diplomsportlehrer und schiebt nach: "Sobald man die Nationalmannschaft verlassen hat, fällt man weg." Oder in Ungnade, wie Andreas Wecker. 
"Das letzte deutsche Turn-Idol wurde verheizt.
Er war unbequem und es hat nicht jedem gepasst, wie er sich gegeben hat. Aber jeder ist doch auch sein eigener Herr", meint Tippelt, der seine Olympia-Urkunde von 1992 vom Deutschen Turner-Bund zugeschickt bekam. Womit die "Kommunikation" zwischen dem mehrfachen Olympia-Medaillengewinner und der Verbands-Zentrale in Frankfurt beendet war.
Den Schluss-Strich unter den Leistungssport hatte der stille Meister gleich
nach der Wende gesetzt. Verletzungen zwangen zu diesem Schritt. Nach reiflicher Überlegung verließ Sven Tippelt seine Heimatstadt, suchte im Westen vor allem eine berufliche Chance. Diese bekam er in Iserlohn in einem mittelständischen Unternehmen. Der Chef, ein Freund des Turnens, ließ seinem Angestellten die nötigen Freiräume für dessen sportliche Ambitionen. Plötzlich war der Kick wieder da. "Ich habe mich auf die Olympia-Qualifikation vorbereitet und Barcelona geschafft. Auch dank meines Leipziger Trainers Lutz Kaps, zu dem ich immer noch einen guten Kontakt habe. Er ist jetzt arbeitslos, wie viele andere gute Trainer auch, die rausgeschmissen worden sind." 

Die Spiele in Spanien deuteten die Talfahrt des deutschen Kunstturnens bereits an. Platz vier erreichten die Männer. "Experten haben damals gesagt, dass dies für lange Zeit das beste Ergebnis bleiben wird", erinnert sich Tippelt. 
Realität WM 2001: Platz 13 und kein
DTB-Starter im Gerätefinale. Zumindest überraschten die jungen Damen mit Platz acht. Die Turn-Familie Tippelt diskutiert. Für Senior Frank Tippelt (64), einst Auswahlmitglied und mehrfacher Meister, sind "die Leistungen geradezu in den Keller gegangen. Leider gibt es heute nur Einzelne, die sich dem anstrengenden Training unterziehen." Svens Schwester Anja (32), die für den SCL erfolgreich war, freut sich über die Ergebnisse der Frauen. Ihr Bruder hakt noch einmal nach.


Sven Tippelt, Wiedersehen 2001 mit internationalen Freunden: 
Bruno Cavelti, Schweiz

"Schon im unteren Bereich fehlen die Strukturen, um Weltspitzenleistungen zu entwickeln. Auch an der Basis ist nicht alles übers Ehrenamt zu machen. Es gibt Lichtblicke im Nachwuchs, aber einfach zu wenig", meint der Familienvater, der mit seiner Frau und den Kindern Anna (11) und Kai (7) in Leopoldshöhe bei Bielefeld lebt. 
Sven Tippelt teilt aus und tut etwas für seinen Lieblingssport. Er ist
Übungsleiter und Kampfrichter, plant fürs nächste Jahr eine intensivere Mitarbeit im Westfälischen Turner-Bund ("Um etwas zu bewegen"). Stolz berichtet der nicht mehr aktive Gerätekünstler ("Im Vorjahr habe ich meinen letzten Bundesliga-Wettkampf absolviert. Vielleicht sieht man mich mal als Altersturner wieder") über den bevorstehenden 9.Leo-Cup am 24.11.2001 in Leopoldshöhe. "Dieses Turnier hat sich zu einer internationalen Veranstaltung gemausert. Der WDR überträgt sogar live." "Nebenbei" muss der im kaufmännischen Bereich ausgebildete Mann noch fürs Examen büffeln. 
"Ich
schule gerade zum Physiotherapeuten um. Für eine künftige Arbeit schwebt mir eine Kombination meiner beiden Berufe vor", erzählt Sven Tippelt. 
Leipzig
lobt er sich aus der Fremde. Und kommt vorbei. Zum DHfK-Fasching sowieso und zum Turnfest 2002. "Trotz Prüfungsstress werde ich mir in dieser Zeit ein paar Tage freihalten." Zu Pfingsten ist das ganze Tippelt-Team unterwegs. "Bei uns werden sich Freunde aus Bückeburg einquartieren", sagt Frank Tippelt, der selbst an mehreren Turnfesten teilgenommen hat. 
Wunsch der
Experten für das Spektakel auf traditionsreichem Boden: Ein Bestseller, bitte! 

Kerstin Förster
Quelle: Rubrik: Lange nichts gehört von:  "Sven Tippelt
, Weltklasse-Turner", 
Leipziger Volkszeitung, 10./11. November 2001

 

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