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Dr. Petra Theiss
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Mit
Befremden habe ich die
Diskussionen um Personen und Konzepte im Bereich des deutschen Männerturnens
verfolgt.
In meiner Funktion als Teamchefin der
Turnerinnen im DTB habe ich bis zum heutigen Tag Zurückhaltung
bewahrt. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen sehe ich mich
allerdings veranlasst, einige persönliche Anmerkungen zu
machen, ohne Partei im Bereich des Männerturnens ergreifen zu
wollen. |
Mein
Amt als Teamchefin habe ich, wie bereits schon früher erwähnt,
u.a. auch deshalb angetreten, weil ich mir des geradlinigen und
leistungsbezogenen Rückhalts eines Vizepräsidenten Eduard
Friedrich sicher war und hoffentlich auch zukünftig sicher
sein kann. Ich kenne keine Person im DTB, die sich derart konsequent und
erfolgreich für den Spitzensport im Deutschen Turner-Bund eingesetzt
hat und nicht nur – wie für den Deutschen Sport oftmals symptomatisch
– geredet, endlos diskutiert und Konzepte gefordert hat, sondern tatkräftig–
und dabei habe ich mich an seiner zum Teil drastischen Ausdrucksweise
wenig gestört - Entwicklungen im Sinne des Leistungssports
vorangetrieben hat.
Die jüngsten positiven Entwicklungen im Frauenturnen, u.a. zusätzliche
finanzielle Unterstützung im Bereich Akrobatik oder durch die Stiftung
Deutsche Sporthilfe für einzelnen Athletinnen, haben wir insbesondere
der Person des Vizepräsidenten und seiner guten Lobby im Deutschen
Spitzensport zu verdanken. Persönlich schätzen gelernt habe ich
insbesondere, dass E. Friedrich für handfeste fachliche und auch pädagogische
(!) Argumente immer zugänglich ist, gleichzeitig jedoch eine Kuschelpädagogik
ablehnt.
Zum
Thema Zentralisierung: Ich denke es ist unumstritten, dass
sich eine zeitlich möglichst ausgedehnte Konzentrierung auf starke
Trainingsgruppen positiv auf die Leistungsentwicklung der einzelnen
Athletinnen auswirkt. Wie E. Friedrich richtig dargestellt hat, bemühen
wir uns bei den Turnerinnen aufgrund der schulischen Vorgaben, aber auch
aus pädagogischen Gründen (u.a. Bindung an das Elternhaus, das soziale
Umfeld etc., der in der Regel noch sehr jungen Athletinnen) um individuelle
Lösungen einer konzentrierten Zusammenarbeit für den
Athenkader.
Wie ich den jüngsten Entwicklungen und Gesprächen im deutschen
Frauenturnen allerdings entnehmen musste, ist auch dieses in Deutschland
nicht flächendeckend gewollt.
Dieser bei den Turnern wohl als pädagogisch wertvoll gepriesene Weg
scheint bei den Turnerinnen interessanterweise nicht zu
funktionieren bzw. wird ebenfalls nur von einigen Personen
mitgetragen, über deren uneingeschränktes Engagement ich mich in den
vergangenen Wochen besonders gefreut habe! Auch die Art der
Vorgehensweise bzw. der Ausdrucksweise der für die Umsetzung eines
Konzeptes verantwortlichen Personen, sei es nun Vizepräsident,
Sportdirektor oder Teamchefin, scheint aus meiner Sicht eine eher
untergeordnete Rolle zu spielen. Wie man es macht bzw. „das Konzept an
den Mann oder die Frau bringt“, es ist doch meist verkehrt. In dem
einen Fall fühlen sich Turnerinnen, Eltern oder Heimtrainer überfahren,
im anderen Fall die Vertreter der Landesturnverbände auf den Schlips
getreten. Alle wollen mitsprechen, nur frage ich mich tatsächlich:
Wollen auch alle Beteiligten in Deutschland internationale
Spitzenleistung im Kunstturnen?
Falls ja, erscheint mir das Engagement zumindest teilweise halbherzig.
Da wo es die eigene Bequemlichkeit oder individuelle Interessen jedweder
Art tangiert, macht man hier und da doch lieber einen Rückzieher oder führt
fadenscheinige, oftmals auch soziale und pädagogische Argumente für
das Scheitern einer Konzeption bereits im Vorfeld an.
So musste ich u.a. lernen, dass es aus der Sicht Einiger wesentlich
humaner sei, eine Zentralisierung bei den Turnerinnen professionell -
ohne Wenn und Aber - durchzuziehen. Das bedeutet doch im Umkehrschluss,
dass eine zeitweise Konzentrierung von Turnerinnen mit Rücksicht auf
schulische Vorgaben und soziale Belange an einem oder mehreren Stützpunkten
unprofessionell ist. Nur frage ich mich manchmal, wo steckt, auch nur
ansatzweise, die Professionalität vielerorts im Heimtraining?
Dann gibt es die Zentralisierungsgegner, für die bereits eine
auf ein bis zwei Wochen befristete konzentrierte Zusammenarbeit pro
Monat, selbst bei weitgehender Abklärung der schulischen und sozialen
Belange, aus unterschiedlichen Gründen eine unzumutbare Belastung
darzustellen scheint.
Es
gibt immer Pro und Contra für zentrale wie für dezentrale Konzepte.
Die zentrale Frage scheint mir eher zu sein:
Inwieweit
sind die Betroffenen (in erster Linie natürlich Athletinnen und
Trainer) bereit,
auch persönliche „Opfer“
- besser:
persönlichen Einsatz
- für die
Leistungsentwicklung zu bringen?
Ein
Spaziergang wird der Weg nach Anaheim bzw. Athen mit Sicherheit nicht
werden!
Dr.
Petra Theiss
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