Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
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(update: 11-April-2001)

..Visionen und Philosophie 

Anmerkungen zur Trainerfortbildung in Cottbus

Von Jurij Robel, Berlin

. Als einer der mehr als 40 Teilnehmer an der Trainerfortbildung / Kunstturnen vom 30.3.-1.4.2001 in Cottbus möchte ich einige kurze Gedanken zu dieser Veranstaltung äußern.
Vorab: Umfeld und Atmosphäre für diesen Kurz-Lehrgang waren top. Wie in den zurückliegenden Jahren auch war die Verbindung zwischen reiner Weiterbildung und Wettkampf-Hospitation beim Grand Prix Turnier eine äußerst gelungene Synthese von Theorie und Praxis. Sämtliche Abläufe waren durch die Organisatoren mit Rainhard Weber an der Spitze optimal gesichert und dass die Teilnehmer im Holiday Inn und nicht (wie vor zwei Jahren noch) in einem heruntergekommenen Arbeiterwohnheim campierten, rundete das gute Bild ab.
Zwiespältiger ist der Eindruck von dem, was da an Inhalten herübergebracht wurde.

Denkanstöße aus Theorie und Praxis
Als sehr gelungen, weil praxisnah, abwechslungsreich und mit zahlreichen Denkanstößen durchsetzt, sehe ich die 4 Stunden bei Andreas Hirsch und seinen (Workshop-) Assistenten Jens Milbradt und Bernd Metzner.
Der Nachwuchsbundestrainer versuchte in lockerer, zugleich aber auch nachdrücklicher und eindringlicher Weise eine Turnphilosophie herüberzubringen, die sich im Ergebnis vieler Hospitationen bei führenden Turnnationen (Russland, China, Japan und Frankreich) als einzig erfolgreiche Strategie herauskristallisiert hat.
Informativ, didaktisch und rhetorisch brillant zeigte sich auch Dr. Peter Frei (Köln) mit seinem Seminar zur pädagogischen Ebene der BISP-Studie "Risiken und Chancen im Kunstturnen...". Glaubwürdig dargestellt und Diskussionen herausfordernd machte dieser Beitrag Appetit auf das Studium der kompletten Ergebnisse des Projektes.

Albträume des deutschen Spitzensports?
Leider konnte gerade die Auftaktveranstaltung mit dem eigentlich interessantesten Thema: "Ziele und Aufgaben im neuen Olympiazyklus" qualitativ nicht überzeugen. DTB-Vizepräsident Eduard Friedrich und TK-Vorsitzende Birgit Lummer mühten sich zwar redlich, Optimismus zu verbreiten und signalisierten (moralische) Unterstützung der DTB-Führung für neue Wege.
Wenn jedoch die Quintessenz aus dem olympischen Desaster darin besteht,

  1. das TZ-System der DDR auf ehrenamtlicher und freiwilliger Vereins-Basis wiederbeleben zu lassen, finanziert durch noch zu findende Sponsoren und deutliche Erhöhung der Elternanteile,
  2. ein noch zu erarbeitendes gemeinsames Wettkampfsystem zu installieren, das wettkampforientierten Breitensport (B-Stufen) wieder mit dem Leistungssport vereint,
  3. helles Entsetzen darüber zu bekunden, dass die Landesturnverbände und –sportbünde die restriktiven Vorgaben des DTB hinsichtlich der Sportförderung und Traineranstellung auch zu ihrer eigenen Politik machen, statt "alle Kraft in den Nachwuchs zu investieren" und 
  4. sich fast die Zunge zu brechen bei der Begriffsvereinigung oder -trennung von Gerät- und Kunstturnen,

dann kann man nur hoffen, dass die Visionen von Vizepräsident und TK-Vorsitzender nicht zu Albträumen des deutschen Spitzensports werden.
Nur gut, dass DTB-Präsident Rainer Brechtken sich am Ende des Lehrgangs die Zeit nahm, in einer kurzen Diskussionsrunde einige der nebulösen Aussagen zu präzisieren und statt bloßem Wunschdenken und Absichtserklärungen auch konkrete Zielvorstellungen kundtat.

Fazit also: Schwacher Start und starkes Finale, der Deutsche Turnerbund ist offensichtlich noch steigerungsfähig.
Die Teilnahme in Cottbus lohnte sich jedenfalls.

P.S. Dies ist eine persönliche Sichtweise eines Teilnehmers, die sicher mit der vieler Trainer übereinstimmt – es ist keine Rezension eines (neuen) Lehrreferenten des Berliner Turnerbundes.

Jurij Robel

 

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