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Als einer der mehr als 40 Teilnehmer an der Trainerfortbildung
/ Kunstturnen vom 30.3.-1.4.2001 in Cottbus möchte ich einige
kurze Gedanken zu dieser Veranstaltung äußern.
Vorab: Umfeld und Atmosphäre für diesen Kurz-Lehrgang waren top. Wie in
den zurückliegenden Jahren auch war die Verbindung zwischen reiner
Weiterbildung und Wettkampf-Hospitation beim Grand Prix Turnier eine
äußerst gelungene Synthese von Theorie und Praxis. Sämtliche Abläufe
waren durch die Organisatoren mit Rainhard Weber
an der Spitze optimal gesichert und dass die Teilnehmer im Holiday Inn und
nicht (wie vor zwei Jahren noch) in einem heruntergekommenen
Arbeiterwohnheim campierten, rundete das gute Bild ab.
Zwiespältiger ist der Eindruck von dem, was da an Inhalten
herübergebracht wurde.
Denkanstöße aus Theorie und Praxis
Als sehr gelungen, weil praxisnah,
abwechslungsreich und mit zahlreichen Denkanstößen durchsetzt, sehe ich
die 4 Stunden bei Andreas Hirsch und
seinen (Workshop-) Assistenten Jens Milbradt
und Bernd Metzner.
Der Nachwuchsbundestrainer versuchte in lockerer, zugleich aber auch
nachdrücklicher und eindringlicher Weise eine Turnphilosophie
herüberzubringen, die sich im Ergebnis vieler Hospitationen bei
führenden Turnnationen (Russland, China, Japan und Frankreich) als einzig
erfolgreiche Strategie herauskristallisiert hat.
Informativ, didaktisch und rhetorisch
brillant zeigte sich auch Dr. Peter Frei (Köln)
mit seinem Seminar zur pädagogischen Ebene der BISP-Studie "Risiken
und Chancen im Kunstturnen...". Glaubwürdig dargestellt und
Diskussionen herausfordernd machte dieser Beitrag Appetit auf das Studium
der kompletten Ergebnisse des Projektes.
Albträume des deutschen
Spitzensports?
Leider konnte gerade die
Auftaktveranstaltung mit dem eigentlich interessantesten Thema:
"Ziele und Aufgaben im neuen Olympiazyklus" qualitativ nicht
überzeugen. DTB-Vizepräsident Eduard Friedrich
und TK-Vorsitzende Birgit Lummer mühten
sich zwar redlich, Optimismus zu verbreiten und signalisierten
(moralische) Unterstützung der DTB-Führung für neue Wege.
Wenn jedoch die Quintessenz aus dem
olympischen Desaster darin besteht,
- das TZ-System der DDR auf ehrenamtlicher
und freiwilliger Vereins-Basis wiederbeleben zu lassen, finanziert
durch noch zu findende Sponsoren und deutliche Erhöhung der
Elternanteile,
- ein noch zu erarbeitendes gemeinsames
Wettkampfsystem zu installieren, das wettkampforientierten
Breitensport (B-Stufen) wieder mit dem Leistungssport vereint,
- helles Entsetzen darüber zu bekunden,
dass die Landesturnverbände und –sportbünde die restriktiven
Vorgaben des DTB hinsichtlich der Sportförderung und
Traineranstellung auch zu ihrer eigenen Politik machen, statt
"alle Kraft in den Nachwuchs zu investieren" und
- sich fast die Zunge zu brechen bei der
Begriffsvereinigung oder -trennung von Gerät- und Kunstturnen,
dann kann man nur hoffen, dass die Visionen
von Vizepräsident und TK-Vorsitzender nicht zu Albträumen des deutschen
Spitzensports werden.
Nur gut, dass DTB-Präsident
Rainer Brechtken sich am Ende des Lehrgangs die Zeit nahm, in
einer kurzen Diskussionsrunde einige der nebulösen Aussagen zu
präzisieren und statt bloßem Wunschdenken und Absichtserklärungen auch
konkrete Zielvorstellungen kundtat.
Fazit also: Schwacher Start
und starkes Finale, der Deutsche Turnerbund ist offensichtlich noch
steigerungsfähig.
Die Teilnahme in Cottbus lohnte sich jedenfalls.
P.S. Dies ist eine persönliche
Sichtweise eines Teilnehmers, die sicher mit der vieler Trainer
übereinstimmt – es ist keine Rezension eines (neuen)
Lehrreferenten des Berliner Turnerbundes.
Jurij Robel |