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Gisela Bader
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Unsere
GYMmedia-Mitarbeiterin Gisela Bader,
(Beauftragte des Deutsch-Französischen Jugendwerkes,
verantwortlich für Leistungssport in der Deutsche
Turnerjugend) blickt einmal über den
Zaun zu den Nachbarn, den Franzosen, wie die mit dem Problem umgehen:
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Vor 10 Jahren reduzierte
der Französische Turnverband seine nationalen Zentren auf drei,
in denen die besten Athleten
trainierten
- 5 Jahre später wurde
Frankreich Europameister!
Die Voraussetzungen
waren jedoch völlig andere als in Deutschland:
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>> Seit 1985 besteht dort ein durchgängiges
Fördersystem, nach dem sich eine Delegation des französischen
Sportministeriums nach einer DDR-Reise die für sie relevanten Merkmale
des damaligen Fördersystems angeschaut, für das westliche
Gesellschaftssystem modifiziert und schrittweise angewandt hatten:
Die Nachwuchsturner werden in ein
Nachwuchszentrum berufen (Qualifikation durch Testwettkämpfe), von dort
werden die besten Junioren in den sogenannten "Pôle France" -
vergleichbar mit Bundesleistungszentrum - zu gemeinsamen Lehrgängen
zusammen gerufen. Anschließend wechseln diese Athleten unter Berücksichtigung
ihrer persönlichen Situation in solch einen Pôle France - aber immer
nach dem Motto: „Wer will, der kann“!
Diese Athleten gehen keinem Beruf nach. Allerdings bekommen sie eine
monatliche Zuwendung, die es ihnen erlaubt, ein in unserer Gesellschaft
adäquates Leben zu führen. Darüber hinaus verbessern individuelle
Sponsorenverträge den Lebensunterhalt.
Oftmals nehmen die Athleten frühzeitig ein Fernstudium, auch für den
schulischen Abschluss, auf, um eine entsprechende Berufsqualifikation
neben ihrem „ Beruf“ Hochleistungssportler erwerben zu können.
Allerdings gibt es auch diejenigen, die nichts gelernt haben außer
„Hochleistungssportler“ zu sein. In vielen Fällen jedoch wird das
„Professorat du Sport“, vergleichbar mit unserem Trainerdiplom
angestrebt, mit der Aussicht bei entsprechender Eignung auf eine Stelle
in der Turnstruktur. Das Diplom wird im INSEP Paris (Nationales Institut
für Spitzensport und Leibeserziehung) durch Fernstudium während der
sportlichen Karriere und Prüfungssemestern nach der sportlichen
Karriere absolviert. Die Athleten die dort trainieren studieren nach
einem Stundenplan, der sich nach dem Training richtet.
Die Spitzenathleten ( WM-Kader, OS-Kader) der 3 Pôle France werden zu zentralen Lehrgängen mehrmals,
auch zu längeren zentralen Lehrgängen (z. B. zur letzten
Olympiavorbereitung ein Jahr lang !!) zusammengezogen, allerdings mit der
oben beschriebenen Absicherung. Die Karriere der einzelnen Sportler wird
langfristig vorbereitet, begleitet, kontrolliert und korrigiert durch
den Sportdirektor des Französischen Turnverbandes und seinen Direktor für
das Kunstturnen Männer.
Da der Turner in einer langfristigen Karriereplanung steht, ist nicht
nur er persönlich durch ständige Betreuung und Beratung darauf
vorbereitet wie der Weg zur Höchstleistung nach Vorstellungen des
Verbandes auszusehen hat, sondern auch das gesamte Umfeld:
Die Schule wird - wenn möglich ab der Grundschule - an das Training
angepasst
(zwei tägliche Trainingseinheiten).
Das Training erfolgt im
Verein, Departementstützpunkt oder / und im Nachwuchsstützpunkt.
Vor dem Eintritt in den Nachwuchsstützpunkt werden Eltern, Lehrer
Kinder genauestens über den Weg zum Spitzensport informiert und eine
Laufbahnberatung vorgenommen. Psychologische Tests sollen sicherstellen,
welche Einstellung Athlet und Umfeld haben, um den steinigen Weg bis zur
Goldmedaille zu gehen zu können.
Jeder Athlet hat eine Probezeit von 3 Monaten, um sich zu prüfen, wie
er mit den veränderten Bedingungen leben kann.
So weiß jeder Athlet genau, wohin bei steigender Leistung sein
Weg geht, in welchem Zentrum, bei welchen Trainern, und unter welchen
Bedingungen er trainieren wird. Die Nachwuchszentren sind quasi flächendeckend
auf die Regionen Frankreichs
verteilt. Der Weg in die nationalen Zentren vorgegeben.
Und dennoch gibt es auch überall individuelle
Lösungen!!
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Eric Poujade (FRA)
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Das beste Beispiel Eric Poujade, ein steter Punktesammler im
Weltcup am Pauschenpferd. Er ging ab dem 16. Lebensjahr seinen eigenen
Weg , mit seinem Trainer. Auch wenn der Trainer in seinem Heimatzentrum
blieb, so fragte er ihn immer um Rat
Er organisierte sein Training, sein Leben alleine und drang
trotzdem vor bis in die Weltspitze.
Der französische Sportdirektor (selbst ehemals Leistungssportler,
danach Sportstudium mit Schwerpunkt Leistungssport Turnen) meint dazu „
Außerhalb unserer Struktur dürfte eigentlich niemand in die
Nationalmannschaft kommen. Sollte es doch jemand gelingen müssen wir
unsere Struktur überprüfen, denn dann stimmt sie irgendwo nicht.“
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Die Praxis beweist das
Gegenteil: Im Kunstturnen Frauen gelingt Pasquet der Sprung in
die WM-Mannschaft Frankreichs. Sie trainiert in einem Nachwuchszentrum
in Dijon bei Eric Boucharin - bekannter Nachwuchstrainer aus
Barcelona aus dem "Zulieferzentrum"
für Carballo in Madrid. Hingegen ist Goreac (ehemals Rumänien) dieser
Schritt nie gelungen.
Dennoch, das Prinzip ist durchgängig, transparent, verspricht die
erwartete Leistung und sichert den Athleten ab. Auch wenn es geschlossen
scheint, so zeigt es immer die menschliche Komponente, worum sich 24 Stunden.
am Tag und 365 Tage im Jahr der Sportdirektor mit seinem professionellen
Team bemüht. Er reist von Zentrum zu Zentrum, spricht persönlich mit
jedem Athleten und schafft so die große „Familie“ der 4 olympischen
Sportarten im französischen Turnverband.
Diese Struktur ist geprägt von reiner Hauptamtlichkeit, vom
Sportdirektor bis zum Trainer.
Zu jedem Stützpunkt gehört ein Verein, entweder aus dem Stützpunkt
erwachsen ( Beispiel Lyon) oder schon vorher vorhanden, der den
Nachwuchs aus den eigenen Reihen gewährleistet
und eine optimale Ausnutzung der bereitgestellten Mittel sichert.
Zudem wird eng mit den umliegenden Vereinen kooperiert, um die
Nachwuchsrekrutierung zu sichern. Die Vorbildfunktion der Topathleten für
den Nachwuchs und deren Trainer ist ein weiterer Faktor in dem eng gewobenen Netz zur
Leistungsentwicklung. Die Spitzenathleten trainieren nicht alleine,
sondern sind eingebettet in die Vielzahl der Gerätturner von niedrigen
bis hohem Niveau ( z.B. Pôle
France Antibes - dort ist die Halle immer voll !!)
Dieser französische Weg
scheint ein gangbarer zu sein in einer freiheitlichen Gesellschaft.
Gisela
Bader
Beauftragte des Deutsch-Französischen Jugendwerkes
(Leistungssport/Deutsche Turnerjugend)
Nachbemerkungen:
In einer veränderten
Struktur muss mit klaren Zielvorgaben und langfristig gearbeitet werden,
damit Entscheidungswege frühzeitig aufgezeigt werden, in denen Trainer
wie Athleten den Weg des Verbandes gehen können . Aber,......?
Das "Aber"
gibt es auch in Frankreich, denn dort sind ebenfalls Menschen am Werke. Maßgeblich
ist jedoch, dass diese Menschen ein gemeinsames Ziel haben und sich
verpflichten mit Professionalität und Qualitätssicherung gemeinsam
daran zu arbeiten.
Dazu gehört natürlich auch die turnfachliche und
menschliche Qualifikation der hauptamtlichen Führung.
> Übertragen auf ein
deutsches Fördersystem kann das regionale
Interesse nur sein, Nachwuchs für die nationalen Zentren heranzubilden.
> Die Anzahl der Bundeskaderathleten aus den Vereinen des Landes bestimmen
in der Menge die Höhe der Fördersumme im Land, d.h. je mehr
Bundeskaderathleten durch die regionale Förderung, den/die
Landestrainer/ Vereinstrainer herangebildet werden, umso mehr Geld fließt
in das Land zur weiteren Nachwuchsförderung.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fördersumme eines Landes
sich nach der Anzahl in seinem Zentrum trainierenden Bundeskader
richtet, sondern nach den aus seinen Vereinen kommenden, denn dann würde das Land Bundesaufgaben mit Landesmitteln
wahrnehmen. Das kann nicht Sinn einer Bundesförderstruktur sein. Die
Bundestrainer müssen ihre Bundesaufgabe mit Bundesmitteln erfüllen,
d.h. die Spitzenathleten Deutschlands an die Weltspitze heranführen.
Sinnvoll ist es daher die Konzentration der Athleten in wenige Stützpunkte.
>> Diese sollten dorthin gelegt werden, wo bereits die besten Athleten
trainieren, die regionale und Vereinstruktur die Nachwuchsbildung
garantiert und beide, Land und Bund, Hand in Hand arbeiten können. Bei
der Konzentration auf zwei Zentren können die übrigen
Landesleistungszentren in vollem Umfang ihrer Nachwuchshinführung an
die nationale Spitze nachkommen.
>> So sollte sich der DTB auch im Klaren sein, welche Verantwortung er mit einer
solchen Struktur übernimmt. Die Umsetzung kann deshalb nicht von
„jetzt auf eben“ oder mit der „Brechstange“ geschehen. Sie muss
umsichtig , langfristig unter Berücksichtigung bestehender Strukturen ,
mit klarer Zielsetzung , konsequenter Durchführung und optimaler
Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Mittel erfolgen.
Siehe auch das Beispiel: „Die Franzosen änderten die
Struktur - fünf (!) Jahre später waren sie Europameister“!
Aber nicht allein die Struktur macht
die Weltmeister, sondern vor allen Dingen die Menschen, die
verantwortungsvoll und umsichtig darin
handeln.
Alle im Spitzensport Tätigen stehen in Beziehung zu jungen Menschen,
deren sportliche Karrieren sie zu ermöglichen haben und nicht umgekehrt...
! G.B.
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