Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
19-SEP-2002

"Turner, wehrt Euch doch endlich!
( von Ex-Ringe-Weltmeister Andreas Aguilar / Lehrte)

 


Andreas Aguilar

"Dieser unerfreuliche Konflikt zwischen Funktionären und Aktiven ist so alt wie der Sport selbst. Beide Seiten haben mitunter recht unterschiedliche Vorstellungen darüber, was im Sport zu Erfolgen führt.

In der Regel funktioniert die Zusammenarbeit und man zieht gemeinsam an einem Strang - im Falle Eduard Friedrich leider nicht! Meinungsverschiedenheiten können schon mal vorkommen. Wichtig ist nur wie man mit ihnen umgeht. Es gibt eine sehr sichere Methode um zu überprüfen ob ein Mensch eine soziale Kompetenz hat oder nicht: Man gibt ihm Macht und beobachtet anschließend, was er damit anfängt. Nutzt er die Macht für oder gegen das Gemeinwohl?

Ich habe Respekt vor unserem Bundestrainer Rainer Hanschke, der erkannt hatte, dass er die Zentralisierung nicht gegen den Willen aller Athleten durchsetzen kann. Konsequenterweise trat er zurück. Eduard Friedrich ist aber von ganz anderem Schlag: Hier ein paar Aussagen, die er Kraft seines Amtes gegen kooperationsunwillige Turner und Trainer einsetzt: (Quelle: siehe NTB-Rücktrittsforderung vom 12.9.2002)
>1. Es kann sich jeder an fünf Fingern abzählen, dass Bundesstützpunkte, die sich nicht an der Zentralisierung beteiligen, zuerst dran glauben werden.
>2. Wir reden nicht darüber, ob wir die Zentralisierung machen, sondern wir machen sie.
>3. Auf die Frage eines Aktiven, ob Herr Friedrich ihn erpressen will: Wir haben ganz andere Möglichkeiten, Euch zu erpressen.
>4. Lehnen die Aktiven die Zentralisierung ab, werden nicht nur die Stützpunkte geschlossen, sondern auch die finanzielle Unterstützung der Stützpunkte und der Trainer eingestellt. Etwaige bauliche Maßnahmen werden nicht mehr vorgenommen. Sollten sich die Aktiven für die Zentralisierung entscheiden, werden die Stützpunkte sicherlich erhalten bleiben.
>5. Das Soziale lassen wir erst einmal weg.

Soweit zu seiner sozialen Kompetenz. Diese Dallas- und Denver-Methoden kann man vielleicht als Manager im knallharten Geschäftsleben einsetzen. Als Sportfunktionär sollte man aber eine gewisse moralische Vorbildfunktion erfüllen. Sport und Fairness müssen eine Einheit bilden - nicht nur bei Aktiven, auch bei Funktionären! Ohne diese Ethik ist der gesamte Sport verloren!

Bei dieser Sachlage ist es für mich unvorstellbar, dass Eduard Friedrich Vize-Präsident des DTB bleibt. Wenn ich allerdings die Pressemitteilung des DTB lese, dann erkennt man ganz massive Rettungsversuche vom DTB-Präsidenten.
U. a. steht dort:
> "...Im Zuge der Planungen ... war es ... zu Irritationen gekommen."
 Eine wirklich nette Umschreibung für die "Welle der Empörung", die Eduard Friedrich ausgelöst hat. 
> "...Diese sind nach eingehenden Gesprächen ... mit den betroffenen Turnern, den beteiligten Stützpunkten und Landesturnverbänden weitgehend ausgeräumt." ...??
 Kann das irgendjemand bestätigen? Soweit ich weiß, ist noch gar nichts ausgeräumt. 
> “Das fachliche Konzept ist im Grundsatz nicht umstritten³, so DTB-Präsident Rainer Brechtken, “es geht dem Landesturnverband um die Form der Vorgehensweise des zuständigen Vizepräsidenten.

Dies ist der hinterhältigste Teil der DTB-Erklärung! 
Gerade das fachliche
Konzept der Zentralisierung ist umstritten und gescheitert! Ich vermute, dass dieser Satz Eduard Friedrich zumindest fachlich auf sicheren Boden stellen soll, denn dann lässt sich das Problem auf seine skandalöse Vorgehensweise reduzieren. Zwischen den Zeilen erkennen wir aber ganz deutlich: Der DTB versucht seinen Vize-Präsidenten zu retten! Und so sieht die DTB-Argumentationskette aus:
1.) Fachlich hat Eduard Friedrich absolut recht,
2.) nur leider hat er seine Wünsche ein wenig ungeschickt formuliert,
3.) wodurch sich wiederum übertrieben empfindliche Gemüter/Turner auf die Füße getreten fühlen könnten.

Liebe Athen-Turner, wollt Ihr Euch das bieten lassen? Wollt ihr dazu schweigen?

Wenn Ihr Eduard Friedrich wirklich loswerden wollt, dann rate ich Euch JETZT Eure Meinung zu sagen! Viele haben ihre Meinung geäußert, nur leider zu wenig direkt Betroffene. 
EINE (!) Aussage von Mannschaftskapitän reicht jetzt nicht mehr aus! Ihr müsst zeigen, dass  I h r 
die Mehrheit seid.
Beim Deutschen Turntag könnt Ihr nicht wählen und fragen wird Euch auch niemand. Diejenigen, die über Eduard Friedrich entscheiden sollen, werden sich auch hier in diesem GYMforum Ihre Meinung bilden. Da zählt also hier jede Aussage und je mehr sich äußern umso klarer wird, dass Eduard Friedrich sich längst isoliert hat - und nur das kann ihn stürzen.

Meine persönliche Meinung und letztlich auch der Grund, warum ich mich äußern möchte: 

Es bringt mich einfach "auf die Palme", dass man sich nach der Wende 10 Jahre lang entspannt zurücklegte und nur noch die Früchte des DDR-Arbeit genoss. Man hat schlichtweg die Arbeit eingestellt und wichtige strukturelle Veränderungen, die nötig gewesen wären um da Niveau zu halten, fahrlässig unterlassen. Es ist, als wenn man eine Riesen-Erbschaft "versoffen" hätte. Jetzt, wo nichts mehr bleibt, holt man zweifelhafte Zentralisierungskonzepte aus der Schublade um mehr Kontrolle über die Motivation der Turner zu haben.


Aguilar in action!

Wer sich weigert, wird als bequem abgestempelt. Ich finde es schlicht und ergreifend eine Sauerei, wie hier versucht wird, die aus den eigenen Versäumnissen resultierenden Probleme auf die Sportler abzuwälzen.  Wer mehr oder weniger unendgeldlich 30 Stunden pro Woche trainiert, sollte über alle Zweifel erhaben sein.
Vergessen wir nicht: Für das, was wir den Turnern zu bieten haben, haben wir genau die entsprechende Gegenleistung erhalten! Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Mit sportlichen Grüßen
Andreas Aguilar
Ehemaliger Deutscher Meister
Ex-Ringe-Weltmeister (Stuttgart 1989)
.

Aktuelle Diskussion nach dem deutschen Turn-Desaster 
bei Olympia
2000,
nach der Turn-WM 2001 
sowie nach den "Konzentrationsversuchen" des DTB in der aktuellen Athenvorbereitung 2004
:

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