Notizen
von der VDS-Tagung Von Hans-Jürgen Zeume |
Deutschland vor, noch einen Punkt Der deutsche Sport praktiziert für Sydney 2000 alte ostdeutsche "olympische Denkmodelle" 12. April 2000 |
. | "Ich rechne mit 460 bis 480
Athleten in Sydney. Da ist Berlin eine feine Adresse zur Bildung der
deutschen Olympiamannschaft". O-Ton von Armin
Baumert, Vorsitzender des Bundesausschusses Leistungssport im
DSB, deren Zentrale in Frankfurt am Main gewissermaßen Mittelpunkt des
deutschen Sport ist. Am 16. Mai wird in Berlin die erste Runde der
Nominierung bekanntgegeben, am 6. Juli und am 3. August in Frankfurt am
Main die zweite und dritte. "Meldeschluß beim SOCOC in Sydney ist
der 25. August. In Sonderfällen werden wir am 22. August noch
entscheiden, wer die Mannschaft komplettieren wird."
Baumert wartete bei "Berlin, Hören & Sehen", auf Einladung des VDS, des Verbandes Deutscher Sportjournalisten, am Dienstag (11.04.) auch mit diesen zwei Analysen auf, die stark an alte DDR-Recherchen erinnerten. In einer Punktetabelle, die die Plätze eins bis zehn bei Welttitelkämpfen in den olympischen Disziplinen im Jahre 1999 auflistet, nimmt der deutsche Sport den ersten Platz ein. In einer "olympischen Wertung", die traditionell den Gewinn von Medaillen erfasst, rangieren die "Germans" hinter den "Russians" an zweiter Stelle, noch vor den "Americans". Einen anderen Hintergrund dieser optimistischen vorolympischen Bilanz führte er erstaunlich offen aus. "Wir haben in den zurückliegenden zehn Jahren von den ehemals 33 Eliteschulen der DDR 21 erhalten. Das war nicht ganz so einfach... Wir haben drei, vier Jahre gebraucht, ehe aus den Köpfen verdrängt wurde, dass dieses alte KJS-Modell die einzige Alternative ist, ohne vielleicht den Königsweg darzustellen." 157 Tage vor Sydney 2000 eine erstaunliche Analyse, in deren Hintergrund das erfolglose Bemühen von DSB-Präsident Manfred von Richthofen auch steht, im Westteil Berlins eine sportbetonte Schule des Hochleistungssport zu gründen. Mittlerweilen liegt ein umfassendes Konzept des LSB Berlin beim Senat vor, das eine "West-KJS" (politisch entrümpelt) auf dem Gelände und in den Einrichtungen rund um das Olympiastadion vorsieht. Doch die Berliner müssen sich beeilen. Denn auch Armin Baumert macht auf den ungenügenden sportlichen Ausbildungsstand der Kinder aufmerksam: "Wenn die Bewegungserfahrung der Kinder verloren geht, nutzen alle Konzepte nichts und alle schicken Klamotten, dann wird es künftig keine Sporterfolge geben." Für die Jahre 2001 bis 2003 stehen dem DSB aus dem Staatssäckl für die Sportförderung jeweils 140 Mio DM zur Verfügung. Das zwinge Baumert und seinem Ausschuss, nur noch die Sportarten zu fördern, die mit entsprechendem Resultat von den Olympischen Spielen heimkehren. Das erinnert fatal an die DTSB-Politik des Jahres 1968. Aus Mexiko-Stadt heimgekehrt strichen Sportorganisation und Staat die Förderung von Modernem Fünfkampf, Basketball, Wasserball. Dafür investierte man später auffallend in den Bobsport, baute später zwei Kunsteisbahnen, eine in Oberhof, die andere in Altenberg. Der Westen zog mit Königssee und Winterberg im "kalten Medaillenkrieg" nach. Angesichts dieser Situation hat Baumert auch ein mulmiges Gefühl. Der frühere DDR-Cheftrainer Raimund Bethge hat aus diesen optimalen, den besten Bedingungen der Welt, alles herausgeholt. Er ist für Baumert neben Skisprung-Cheftrainer Reinhard Heß, Biathloner Frank Ullrich und Eisschnelläufer Joachim Franke ("das goldene Ost-Quartett") die große Vorzeige. Wird sich der deutsche Sport künftig,
winters wie sommers, nur noch auf die Elitesportarten konzentrieren? Was
wird zum Beispiel mit dem Turnen, der deutschen Ursportart. Baumert:
"Von 1990 bis jetzt ist Kunstturnen männlich und weiblich zum
Beispiel in Berlin so gepuscht worden, wie es mit unseren Möglichkeiten
nicht besser gehen konnte." Jeweils sechs hochbezahlte Trainer wurden
eingesetzt. "Wir sehen, was herausgekommen ist! Was Kunstturnen
Frauen angeht, so glaube ich, dass wir auf längere Zeit keine Chancen
haben, wieder den Anschluss an die Weltspitze herzustellen, höchstens im
Einzelfall." Und werden die Turnerinnen ab 2001 aus dem Fördertopf
verschwinden? Baumert: "So lange ein Fünkchen Hoffnung da ist,
werden wir ihre Möglichkeiten bewerten." Ein Journalist hatte
nämlich angefragt, was denn mit den 12- bis 14jährigen
verheißungsvollen Talente werde? Werden sie nun nach Hause geschickt,
wenn mangels fehlender Olympiapräsenz keine Anhaltspunkte mehr gegeben
sind? |
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