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Eva Hörstensmeyer, an den Präsidenten des Deutschen Turner-Bundes, Prof. Jürgen Dieckert

Bergisch Gladbach, den 30.10.1999

Betr. Öffentliche Reaktionen auf das Abschneiden der deutschen Turnerinnen bei   der WM in China

Sehr geehrter Herr Dieckert,

mit diesem Schreiben wende ich mich an Sie als Mutter einer Nachwuchsturnerin und als Pädagogin im Primarstufenbereich, bestärkt durch Gespräche mit Eltern von Turnerinnen unseres Vereins.
Anlass ist die für mich nicht nachvollziehbare erste öffentliche Bewertung (zur Pressekonferenz in Tianjin. die Red.) des Abschneidens der deutschen Frauenmannschaft bei den WM in China, wie sie gegenüber den Medien von einigen offiziellen Vertretern des DTB vor Ort erfolgte. Ich kann als Mutter einer Nachwuchsturnerin (KTZ Bergisch Gladbach, Landeskader des RTB in der AK 10 und Rheinische Meisterin 1999) durchaus verstehen,  wenn in den ersten Stunden der Enttäuschung über die nicht erreichte Qualifikation für die Olympischen Spiele 2000 die richtigen Worte für Erklärungen nur sehr schwer gefunden werden. Für eine dadurch begründete Zurückhaltung in offiziellen Verlautbarungen hätte ich jedoch eher Verständnis aufgebracht, als für die recht einstimmige und für mich unbegründete einseitige Schuldzuweisung an die jungen Turnerinnen.

Ist man im DTB wirklich der Meinung, dass die Mädchen einen ‘Super-GAU’ verursacht haben? GAU - größter anzunehmender Unfall. Schließlich ging es um Platz 12, mit einem 13. Platz musste realistisch gerechnet werden. Was die Qualifikation für Olympia betrifft, wäre auch Platz 13 ein ‘GAU’ gewesen. Erschreckend finde ich diese technische und unsensible Sprache in Bezug auf junge SportlerInnen. Spiegelt dies die Einstellung des Chef-Trainers zu ihnen wider?

Können nach jahrelangem, beinahe täglichem mehrstündigen Training, können nach der Teilnahme an mehreren Qualifikationen und Länderkämpfen, nach Krankheiten und Verletzungen ‘fehlender Kampfgeist’ und ‘eine nicht lodernde olympische Flamme’ wirklich die Gründe sein für nicht erfüllte Leistungen während der WM ?

Wenn ja, dann stellt sich für mich als Lehrerin zuerst die Frage: Waren die Mädchen psychologisch und pädagogisch auf diesen wichtigen Höhepunkt vorbereitet?

Ich habe mit meiner Tochter alle Länderkämpfe der WM-Kader in Deutschland und in Eindhoven, sowie die 2. WM-Qualifikation sehr aufmerksam und direkt verfolgt. Bei aller Anerkennung der nicht zu übersehenden Fortschritte hinsichtlich der Leistung einzelner Turnerinnen, bzw. der Mannschaft - eine Reihe von Instabilitäten und Unkonzentriertheiten waren bis Karlsruhe nicht zu übersehen. Diese konnten offensichtlich nicht bis zur WM überwunden werden.

Nicht unterschätzen darf man in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass - wie aus den Printmedien zu entnehmen war - mehrere Turnerinnen in der Vorbereitung auf diese WM z.T. längerfristig mit Krankheiten und Verletzungs- problemen zu kämpfen hatten. Aus meiner Sicht haben sie sich dennoch mit vollem Einsatz und hart an der Grenze des gesundheitlichen Risikos auf diese WM vorbereitet. Das trifft z.B. für Yvonne Pioch, Birgit Schweigert und insbesondere Dagmar Fehrenschild zu, deren Training ich in Bergisch Gladbach während der Vorbereitungslehrgänge verfolgen konnte, weil meine Tochter in der gleichen Halle des RTB trainiert. Nicht nur Dagmar hat eine derartig einseitige Schuldzuweisung u.a. von ihrem Trainer nicht verdient.

Ich halte es für ausgesprochen unsensibel und ungerecht, wenn den Turnerinnen der ‘Super-GAU’ angelastet wird, während dem verantwortlichen Teamchef ‘120% Engagement’ (Die Welt, 11.10.99) bescheinigt wird.

Als Pädagogin weiß ich aus eigener Erfahrung, dass nach einer nicht erfüllten Leistung von Schülern, zunächst eine kritische Selbstreflexion des/der Erziehenden einsetzen muss. Waren die Erwartungen zu hoch, haben sich die Schüler überschätzt, sind sie ermutigt worden, gab es methodische Fehler, war die Vorbereitungszeit gut geplant, stimmte die Lernatmosphäre,...?

Bei mir, sowie bei anderen Eltern , haben sich nach dieser WM erstmals ernste Zweifel eingestellt, ob es richtig ist, meine Tochter auch künftig die Leistungssportart Kunstturnen ausüben zu lassen. Sollte sie später die Erwartungen einmal nicht erfüllen (wie in diesem Jahr die deutschen WM-Turnerinnen), müsste sie mit Vorwürfen wie ‘Super-Gau’, ‘Desaster’, ‘desolate und nicht akzeptable Leistung’ leben. Sie wäre mit daran Schuld, wenn die Förderung für den Nachwuchs gekürzt wird. Bei der Verarbeitung dieser psychische Belastung müsste ich, als Mutter, ihr helfen. Insoweit wäre auch ich von solchen Vorgängen stark betroffen. Soweit möchte ich es aber gar nicht kommen lassen.

Sehr geehrter Herr Dieckert, ich gehe davon aus, dass Sie meine besorgten Gedanken und kritischen Standpunkte mit Verständnis aufnehmen. Ich bitte Sie, Ihre Möglichkeiten als Präsident des DTB zu nutzen, damit in den entsprechenden Gremien und nicht zuletzt auch im Präsidium eine selbstkritische Analyse dieser WM erfolgt, ohne die für mich eine Perspektive im Kunstturnen der Frauen sehr in Frage gestellt ist.
Aus persönlicher Beobachtung der geringen Teilnahme von Mädchen am Leistungsturnen bei der Sichtung im Rahmen des Landesprogramms ‘Talentsuche und Talentförderung’ in Bergisch Gladbach, kann ich feststellen, dass es noch großer Anstrengungen bedarf, um das leider sehr festgefahren negative Image des Frauenturnens zu durchbrechen. Man sollte alles tun, um zu verhindern, jene Mädchen, die bereits gewonnen wurden, durch unbedachte oder ungerechte Bewertungen ihrer Vorbilder zu verlieren.

Wenn es sich Presseberichten zufolge bewahrheiten sollte, dass Abstriche bei der Nachwuchsförderung erfolgen, so bin ich sowohl als Mutter als auch als Lehrerin, d.h. als Multiplikatorin, nicht mehr motiviert, für eine positive Einstellung zum weiblichen Kunstturnen bei Eltern zu werben und Schülerinnen für diesen Sport zu interessieren.

Ich würde mich sehr freuen, die Standpunkte bzw. Entscheidungen des DTB zu diesem Thema aus erster Hand zu erfahren, schon deswegen, weil meine eigene Tochter in der Nachwuchsförderung betroffen ist. Da sie durchaus auch andere Interessen hat, möchte ich ihr frühzeitig den Zugang z.B. zu einer anderen Sportart eröffnen.

Mit der Bitte um Antwort grüßt Sie freundlich

Eva Hörstensmeyer

 

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