Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
26-April-2004

Turn-Gipfeltreffen der Landesfürsten

Arbeitstreffen der Präsidenten deutscher Landes-Turnverbände
am 24./25.April 2004 in Düsseldorf

- von Eckhard Herholz (GYMmedia) 
nach Informationen von Teilnehmern dieser Veranstaltung

 
TAGUNGSBERICHT:
In der momentanen strategisch bedeutungsvollen Situation zwischen den Europameisterschaften und kurz vor den Olympischen Spielen sei in dieser kurzen Reflexion auf dieses Arbeitstreffen ausschließlich auf Themen der Leistungssportsituation im DTB eingegangen.

Dem Bericht liegen Informationen verschiedener Teilnehmer dieser Tagung  zugrunde:
TAGESORDNUNG:

- Internationales Deutsches Turnfest in Berlin;

- 3. Deutscher Turntag (November 2004, Berlin)

<< Leistungssportkonzept
<<  Vergabe nationaler und intern. Veranstaltungen

- Zur Situation der nicht-olympischen Sportarten;

- Zum Protokoll der Landesgeschäftsführer-Tagung vom 14. Jan, Berlin

- Zur Finanzsituation des DTB.
  • Strukturdebatte:
    Ein wesentlicher Diskussionspunkt waren Strukturdebatten um die momentane Situation der Einbindung der "Olympischen Säule" im DTB-Dachverband:
    Angesprochen wurde z.B. die mangelhafte Verzahnung zwischen Olympischem Spitzensport und Sportartentwicklung, die der Praxis nicht gerecht wird, da die Spitze momentan dem Bereich des Vize-Präsidenten Olympischer Spitzensport, der Nachwuchs aber dem Bereich des Vize-Präsidenten Sportartenentwicklung zugeordnet ist.
  • Personaldebatte:
    Die Präsidenten der Landesverbände äußerten einstimmig (bei einer Enthaltung) ihr Befremden über die Nominierung des DTB-Sportdirektors Wolfgang Willam als deutschen Kandidaten für die Wahlen zu einem Amt im Weltverband FIG.
    Eindeutig wurde die Frage gestellt, ob nicht der international wesentlich renommiertere Eberhard Gienger das deutsche Turnen
    wirkungsvoller und nachhaltiger vertreten würde.
    Damit ergäben sich weitere personalpolitisch positive Folgen:
    - Zum einen könnte sich der national und international kompetenteste Vertreter der letzten Jahrzehnte, Hans-Jürgen Zacharias, gar weitere 4 Jahre als Vize-Präsident Sportartenentwicklung vorstellen (- es gibt momentan keinen Funktionär weit und breit mit derart Überblick über das Gesamtgefüge der Sportarten).
    - Zum anderen wäre das seit Herbst 2002 vakante Amt des Vizepräsidenten Spitzensport - das derzeit vom DTB-Präsidenten Brechtken kommissarisch geführt wird, und für das sich Eberhard Gienger bewirbt - anderweitig zu besetzen:
    Auf Anfrage - selbst aus Kreisen jener Kräfte, die vor knapp 2 Jahren seinen Rücktritt forderten und durchsetzten - schloss der Präsident des Mecklenburg-Vorpommerschen Verbandes Eduard Friedrich, eine Rückkehr in dieses Amt nicht aus, wenn sich dazu eine Mehrheit im DTB finden würde.
    Friedrich räumte in Düsseldorf in Rückblende auch persönliche, strategische Fehler ein - die angebotenen Korrekturen und perspektivischen Schlussfolgerungen fanden jedoch bei den Kongressteilnehmern ziemlich nachhaltigen Zuspruch.
    Trainerfragen wurden nicht vordergründig diskutiert - besondere positive Erwähnung fand die Arbeit des verantwortlichen Juniorentrainers Jens Milbradt (Berlin).
  • Debatte um das Leistungssportkonzept:
    Dieser Tagesordnungspunkt wurde auf den 2. Tag gelegt, da STB-Präsident Rainer Brechtken - in Personalunion sowohl DTB-Präsident als auch Vize-Präsident Spitzensport - am ersten Tag nicht anwesend war:
    Als richtig und notwendig erkannten die Präsidenten das Konzept der Talenteschulen, mahnten aber hierbei entsprechende Modifizierungen für Jungen, bzw. Mädchen wie auch zwischen Turnen, RSG und Trampolin an.
    Ebenso erkannten die Präsidenten, dass es um die Realisierung eines flächendeckenden Systems der Talente gehen muss (Sichtung, Auswahl, Förderung).
    Einig war man sich hierbei auch in der sinnvollen Bildung von Regionalgruppen zwecks Zusammenarbeit, vielfältiger Synergieeffekte und Delegierungsmöglichkeiten...
    Das Spitzensportkonzept sei in seiner Grundrichtung richtig - i
    mmer noch völlig offen aber sind dabei alle Fragen der notwendigen Finanzierung!
  • Zentralisierung:
    Mit der Ansicht Rainer Brechtkens, momentan die Fragen der Zentralisierung im Spitzenbereich zurückzustellen, waren einige der Tagungsteilnehmer nicht einverstanden und erklärten dies zu einem dringlichen Thema, hat sich doch die in jüngster Vergangenheit auf nur 2 Zentren (Stuttgart, Berlin) als nicht erfolgreich genug herausgestellt, da sich die anderen 4 der insgesamt 6 Bundesstützpunkte zurückgesetzt und in ihrer Entwicklung zurückgestuft bzw. behindert fühlten.
    Dies wurde auch von E. Friedrich als Fehler eingeräumt. Seine neuerlichen Vorschläge gingen eher in Richtung konzentrierter Lehrgangstätigkeit an "einem zentralen Ort", auch unter Berücksichtigung von Fragen der Kostenoptimierung eines effizienteren Lehrgangssystems, welches insbesondere im Vorfeld der vorolympischen Weltmeisterschaften und der Olympischen Spiele selbst konsequent angewandt werden sollte.
    Ebenso kritisch setze man sich mit der Einschätzung Brechtkens auseinander, "...man sei in den letzten zwei Jahren gut voran gekommen...":
    Hier wurde erwähnt, dass bei allen Fortschritten (- z.B. der Männer an einzelnen Geräten) die Fortschritte der Konkurrenz-Nationen wesentlich größer seien und dass der 12. Platz zur WM in Anaheim  - trotz der Olympiaqualifikation - eigentlich eine (wenn auch glimpfliche) Niederlage gewesen war!
  • Nationale / internationale Veranstaltungen:
    Generell wurden die Rolle des DTB und seiner "Vermarktungsstrategien" gegenüber nationalen Ausrichtern kritisch angemerkt: Statt über diese Veranstaltungen "Geld zu verdienen" müsse stärker die Situation der Ausrichter berücksichtigt werden, sonst fände man künftig kaum noch bereitwillige Strukturen für Großveranstaltungen. Reaktiviert soll die bereits im Vorjahr gebildete Arbeitsgemeinschaft aus kompetenten Vertretern werden, die eigentlich ihre Arbeit bereits eingestellt hatte, weil sie an den dazu anzusprechenden DTB-Strukturen bereits gescheitert war.
    Dringlichst wiesen die LTV-Präsidenten darauf hin, dass man bei der Suche nach Ausrichtern (z.B. für künftige Turnfeste) in keiner Weise die Landesturnverbände übergehen dürfe, bzw. sie erstrangig über entsprechende Absichten zu informieren hätte!

    In Sachen INTERNATIONALES DEUTSCHES TURNFEST 2005 Berlin, gab der Präsident des BTB, Peter Hanisch 13 Monate vor dem weltgrößten Sportereignis  interessante Einblicke in den Stand der Vorbereitungen:
  • IDTF 2005:
    - Die Übernachtungs- und Belegungspläne sind (fast) fertig. Von 800 gesichteten Schulen hat man 550 als für Gemeinschaftsunterkünfte bestens geeignet befunden. 
    Bereits jetzt haben 40 Berliner Vereine Patenschaften über 100 dieser Schulen übernommen. Diese Patenschaften werden als eine Art Netzwerk konkretisiert, mit dem Ziel, dass sich ALLE Gäste in der Hauptstadt in erster Linie gut betreut und wohl fühlen sollen.
    - Die über 9.000 Ausschreibungen sind verschickt, Inhalte online abrufbar bzw. Fragen stehen Hotlines zur Verfügung.
    - Eine besondere Darstellung erfuhr der Eröffnungstag:
    Aus Erfahrung der letzten beiden Turnfeste München und Leipzig und unter Berücksichtigung der besonderen Situation Berlins ist es praktisch nicht durchführbar, mit einen stundenlangen Festumzug die innerhauptstädtische Leben "lahm zu legen".
    Stattdessen plane man am 
    Samstag, den 14. Mai 2005 die Gliederung des Eröffnungstages in 4 Teile:
    1. Ein Treffen aller Landesturnverbände unter den Linden
    2. Einen gestalteten Festumzug (Landesverbände unter bestimmtem Motto) eventuell auf der südlichen Fahrbahn bzw. auch im Gegenstromprinzip Richtung Brandenburger Tor (- Planungen noch nicht abgeschlossen)
    3. Eine Eröffnungsfeier vor dem Brandenburger Tor mit protokollarischen Reden und Musikprogramm
    4. Eine Turnfestfeier auf dem Platz vor dem Roten Rathaus.

    Auch hier wurde der DTB angemahnt, dieses Turnfest in erster Linie auch als eine Veranstaltung einer Regien mit hoher Verantwortung derselben und ebensolchem (auch finanziellem) Engagement zu betrachten. Man tue gut daran, in vielen Fragen der Verantwortlichkeit und Entscheidungsfindung dies stärker als bisher zu berücksichtigen!
  • Schlusstag:
    Durch die Abwesenheit des DTB-Präsidenten am ersten Tag, kam es am zweiten in einigen Fragen zum Teil zu widersprüchlichen Standpunkten.
    Dass von Brechtken z.B. rundum eine Kandidatur Eberhard Giengers für ein internationales Amt abgelehnt wurde, der stattdessen Wolfgang Willam favorisierte, wurde mit großem Befremden aufgenommen und eine entsprechend dringende Empfehlung zur Korrektur dieser Nominierung an das Präsidium des DTB gerichtet.
    Bericht: Eckhard Herholz / gymmedia

Weitere aktuelle Lesestoffe in Sachen Spitzensport :
 "Ist das Tal der Tränen bereits durchschritten...?" Kommentar, E.Herholz
 "Licht und Schatten" (Kommentar, P.Rupp, Saarbrücken)

 

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Aktuelle Diskussion nach dem deutschen Turn-Desaster 
bei Olympia
2000,
nach der Turn-WM 2001 
sowie nach den "Konzentrationsversuchen" des DTB in der aktuellen Athenvorbereitung 2004
:

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