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August Ferdinand Schärttner, geb.
am
31.Januar 1817, und gestorben vor 150 Jahren, am 22. Februar 1859,
war der Sohn des Küfermeisters und Weinhändlers Corel Lodewigk
Schärttner, einem Nachkommen flämischer Hugenotten, und der Hanauerin
Maria Christina Hörner.
Bei seinem Vater erlernte er das Küferhandwerk und ging nach Abschluss
der Lehre auf Wanderschaft, „auf die Walz“. Nach seiner Rückkehr 1837
schloss er sich sofort der kurz vorher gegründeten Hanauer
Turngemeinde an. Bereits 1841 wurde er deren Vorsitzender. Da im
Verein nicht nur geturnt wurde, sondern auch Wehrübungen stattfanden,
war dies für den kräftigen und intelligenten Revolutionär Schärttner
das geeignete Forum, seine politischen Ansichten zu verbreiten. Er
knüpfte Beziehungen zu vielen anderen Turnvereinen.
So kam es bereits im Winter 1840, zwei Jahre vor der Aufhebung der
sogenannten Turnsperre, zu ersten Zusammenkünften in Deutschland von
Turnern aus Frankfurt, Hanau, Mainz und Offenbach auf der Mainkur,
einem Hofgut vor den Toren Frankfurts. |
August
Schärttner
1817 - 1859 |
Aus diesen Zusammenkünften entstand der
erste Turnverband in Deutschland:
der Rheinisch-hessische Turnbezirk.
Dem auf Initiative von A. Ravenstein aus Frankfurt erstmals 1844 auf
dem Feldberg gefeierten, damit ältesten und heute noch stattfindenden
Bergturnfest gab August Schärttner die turnerische Prägung. Die in den
nächsten Jahren auf überregionalen Turnfesten in Heilbronn 1846,
Bingen und Frankfurt 1847 diskutierte Idee eines nationalen
Turnverbandes setzte A. Schärttner 1848 in die Tat um.
Nachdem er mit einer Volkskommission in Kassel am 12. März ultimativ
unter anderen Grundrechten die Versammlungsfreiheit für Kurhessen
erreicht hatte, erließ die Turngemeinde Hanau an alle Turnvereine
Deutschlands am 19. März den Aufruf zu einer Zusammenkunft in Hanau am
2. April. Inzwischen hatten die Turner die ganze Stadt in Feststimmung
gebracht.
Der Gründer des Turnens,
Friedrich
Ludwig Jahn, wohnte bei A. Schärttner in der Fischergasse 25.
Der erste Deutsche Turnerbund entstand am 3. April 1848 und die
Turngemeinde Hanau wurde zum ersten geschäftsführenden Vorort gewählt.
Da sich die Turner aber in ihrer politischen Zielsetzung nicht einig
waren, berief Schärttner einen zweiten Turntag zum 2./3. Juli 1848
wiederum nach Hanau. Die kontroversen Diskussionen um eine deutsche
Monarchie oder Republik führte zur Spaltung des DTB. Schärttner hatte
den Vorsitz abgegeben. Er wurde zum Sprecher des neu gegründeten
Demokratischen Turnerbundes und hatte sich, wie alle Hanauer Turner,
mit Jahn zerstritten. Schärttner hatte mit dem DTB weniger einen
Turnerbund als vielmehr eine demokratische Partei geschaffen.
Nach der Ablehnung der Kaiserkrone durch Preußens König kam es zur
Reichsverfassungskampagne, die an mehreren Orten Deutschlands zur
Mairevolution 1849 führte.
Da war auch der Demokrat Schärttner nicht fern:
Mit seiner Hanauer Turnerwehr zog er nach Baden in den Kampf, war aber
den gut ausgebildeten und bewaffneten Regierungstruppen letztlich
unterlegen und emigrierte über die Schweiz nach London im September
1849. Beim ebenfalls ins Exil gegangenen Badener Kneipenwirt Göringer
verdingte sich der agile Schärttner zunächst als Kellner und trat dem
„Bund der Kommunisten“ bei.
Nach einem Jahr erwarb er in der Long-Acre-Street 27 ein Lokal und
nannte es „Deutsches Haus“. Es war Treffpunkt der Emigranten, zu denen
kurzzeitig Karl Schurz, Karl Marx, Gottfried Kinkel, ehemals
Chefredakteur der „Bonner Zeitung“, Prof. Damm, ehemals Präsident der
badischen Kammer, auch der berühmte Architekt Gottfried Semper aus
Dresden und einige seiner Mitstreiter im badischen Aufstand gehörten.
Aus seiner Zeit in London ist über den „unerbittlichen“ Schärttner,
wie ihn Marx in einem Brief an Friedrich Engels einmal nannte, nur
wenig bekannt.
Göringers Bedienstete, die Bauerntochter Mary Elisabeth, hatte
Schärttner mit in sein Haus genommen und sie am 22. April 1851
geheiratet. Am 2. Oktober 1857 ist A. Schärttner in Abwesenheit in
Hanau zu acht Jahren Zuchthaus wegen Hochverrats (der Staatsanwalt
hatte zehn Jahre gefordert) verurteilt worden.
Die Jahre später erfolgte Generalamnestie des Kurfürsten von
Hessen-Kassel erreichte A. Schärttner nicht mehr.
Am
22. Februar 1859 verstarb er 42jährig und ist in London begraben.
Mit keinem Wort wurde sein Tod in dem in deutscher Sprache in London
erschienenen Wochenblatt „Hermann“ von G. Kinkel erwähnt, der sich mit
K. Marx aus politischen Gründen von Schärttner getrennt hatte.
Dem Revolutionär A. Schärttner wird nachgesagt, ein rechtschaffener
Mann gewesen zu sein, der als Junge von dreizehn Jahren Kenntnis von
der Juli-Revolution von 1830 in Frankreich, in Polen, Russland und
deren Auswirkungen auf Deutschland auch in Hanau erhalten hatte. Er
hatte gehört, dass der Landgraf, später Kurfürst, von Hessen-Kassel
junge Männer als Soldaten an die Engländer für den amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg (1776-1783) verlieh (der Ausdruck „ab nach
Kassel“ ist noch heute geläufig), hatte die Ideale der Französischen
Revolution von 1789 „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“
verinnerlicht und sich, wie Marx von ihm berichtete, unerbittlich für
soziale Gerechtigkeit und die Einheit Deutschlands in einer Demokratie
eingesetzt.
** Quelle: Der Beitrag erschien in:
"150 Jahre Revolution und Turnerbewegung Hanau
1848-1998",
Stadtzeit - Reise durch Hanaus Geschichte, Band 2, Hanau 1998.
In diesem Band finden Sie auch noch weitere Informationen zum Thema.
** ... mehr dazu: "
... ein fast vergessener Geburtstag"
Jahnbrief von
Karl Thielecke |
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