Ist der deutsche Turnsport noch zu retten...?
13-Jan-2005

Ein Rückschritt bis 2006.....?
Bemerkungen zum Informationsschreiben der FIG vom 23.12.2004
betreffs der Änderung der Wertungsvorschriften für das Jahr 2005 

- von Mario Cacchivio (Schweiz)

 


Mario CACCIVIO (SUI)

Nach der kritischen Beurteilung der Kampfrichterleistung im Männerkunstturnen anlässlich der Olympischen Spielen 2004 hat die FIG die Änderungen für das Jahr 2005 - welches wohl als Übergangsjahr zählt - bekannt gegeben.  

Ich kann mich erinnern, dass seit langem die Absicht bestand, der Ausführung (Technik und Haltung) und der gerätespezifischen Vielfalt im Kunstturnen mehr Gewicht zu verleihen. "Es darf nicht sein, das Kunstturnen in eine Zirkusveranstaltung ausartet" (Zitat Bruno Grandi).
Das kann ich absolut unterstützen.

Mit den Änderungen wird hingegen die andere Richtung eingeschlagen! Wieso...?

Ø             Erhöhung der möglichen Bonuspunkte für schwierige Elemente- und Elementverbindungen von 1,2 auf 1,6 Punkte

Ø             Reduktion der Punkte für die speziellen Anforderungen von 1,0 Punkte auf 0,6.

Ø             Technik und Haltung weiterhin 5,0 Punkte.

Was hat das für Konsequenzen?
Noch mehr fokussiert man sich auf das Erlernen von schwierigen Elementen auf Kosten der technischen und haltungsmäßige Ausführung. Das Erlernen der verschiedenen turnspezifischen Elemente je Gerät lohnt sich nicht. Die teilweise monotonen und sich ähnlichen Übungen (vor allem Pferdpauschen und Ringe) werden weiterhin indirekt gefördert.

Was für eine Lösung für eine Zwischenjahr wäre möglich gewesen?
Auch wenn viele Übungen bereits jetzt mit einer Ausgangsnote 10,0 beginnen (und teilweise sogar darüber), hätte man festhalten können, dass im Jahre 2005 rigoros die Abzüge für schlechte und ungenügende Technik/Haltung gemäss den Wertungsvorschriften in die B-Note einfliessen sollen/ müssen. Diverse vorgesehene Abzüge in den Wertungsvorschriften wurden bis heute nur sehr zögerlich angewandt. Hier einige Beispiele:

Ø             Boden: Unkontrollierte Landungen bei Übergängen (typisches Beispiel nach einer Vorwärtsbahn  

                ein Satz von 2 m nach vorne in den Liegestütz), Art. 26, Ziff. 3f

Ø             Boden: Ungenügende Höhe bei akrobatischen Elementen, Art. 28, Abzugstab.

Ø             Pferd: Winkelabweichungen beim Transport 1-5, Art. 32, Abzugstab.

Ø             Pferd: Mangelnde Amplitude bei Kreisflanken, Art. 32, Abzugstab.

Ø             Ringe: Halteposition muss direkt ohne Korrekturen erreicht werden, Art. 34, Ziff. 5a

Ø             Ringe: Halteposition 2 sek. Art. 34, Ziff. 5b

Ø             Sprung: mangelnde Streckung vor der Landung, Art. 40, Abzugstab.

Ø             Sprung: ungenügende Anhebung des KPS in der zweiten Flugphase, Art. 40 Abzugstab.

Ø             Barren: Nichterreichen der Handstandposition, Art. 43, Ziff. 3a

Ø             Barren: beabsichtigter Halt muss 2 sek. gehalten werden, Art. 42, Ziff. 5b

Ø             Reck: Abweichung von der Handstandposition bei Längsdrehungen, Art. 47, Ziff. 4f

Ø             Reck: zu frühes Wiederfassen bei gesprungenen Handstanddrehungen, Art. 47, Ziff. 4g

Ein weiteres Problem könnte die generelle Akzeptanz von Protesten gegen die Vergabe der A-Note werden. Wenn keine einschränkende Regelung oder detaillierte Richtlinien aufgestellt werden, wird es vermutlich viele Proteste geben. Diese innerhalb kürzester Frist so zu behandeln, dass Medien und Zuschauer nicht 1 Stunde oder länger auf das offizielle Ergebnis warten müssen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit und fördert sicher nicht das Image unserer Sportart.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass direkt am Anschluss der Übung, diese am Video innerhalb nützlicher Frist nochmals begutachtet werden kann. Zudem ist auch bei einer Videoaufnahme nicht feststellen, ob der Turner an den Ringen die Schwalbe jetzt mindestens eine Sekunde gehalten hat.

Ich hoffe für unsere Sportart, dass sich diese Änderungen nicht negativ auf die Medien, Zuschauer, usw. auswirken und mit dem neuen Code ab 2006 all diese Probleme verschwinden.

  M. Caccivio, Kampfrichter NKL, Liestal / Schweiz
 
>> ... lesen Sie auch von M. Caccavio: "Kampfrichteranalyse Olympia 2004"
 

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