03. Februar 2023  
Markkleeberg, GER  
Gerätturnen

Altersturner Dr. Paul REITER und eine Jahrhundert-Geschichte

100. Geburtstag!


In der Geburtsstadt des Literatur-Nobelpreisträgers Gerhart Hauptmann, in Bad Salzbrunn (damals Niederschlesien), dem heutigen polnischen Szczawno-Zdrój, wurde heute, vor 100 Jahren "Paulchen" REITER geboren. Nach einem keineswegs leichten Leben in einem bewegten Jahrhundert, begeht nun der promovierte Hochschullehrer und aktive Altersturner Dr. Paul REITER heute in Leipzig seinen 100. Geburtstag, der gleichzeitig zu einem Fest- und Ehrentag seines Heimatvereins TV Markkleeberg von 1871 gestaltet werden soll, der zuletzt Gastgeber der 22. Deutschen Senioren-Turnmeisterschaften 2022 war, und der seit vielen Jahren zur sportlichen Heimat des beseelten Gerätturners, Paul Reiter geworden ist ...:

Der Großvater und sein Enkel Michael mit der historischen Erinnerungs-Broschüre an die legendären Städte-Wettkämpfe Hamburg - Berlin - Leipzig ...
(c) Kerstin Förster


DHfK 1952: Paul Reiter, Pferd-Abgang

Und dabei stand es zuvor um die ursprünglichen Lebensumstände des Jungen Paul Reiter ganz und gar nicht zum Besten!
Geboren 1923 in Schlesien, 1929 ins Ruhrgebiet umgezogen, wurde dort Vater Paul nach der Machtergreifung Hitlers von den Nazis verhaftet und nach 18 Monaten Haft mit Berufsverbot belegt.

Keine einfache Kindheit im Bergarbeitermilieu der dreißiger Jahre (Paul junior, hinten, rechts)
(c) privat
Sohn Paul konnte dann mit 13 Jahren im Ruhrgebiet in der Zeche Scholven eine Bergmannslehre beginnen. Die von ihm betriebeneTurnerei im Turnverein Gladbeck führte zunehmend zu Erfolgen, auch weil der Vereinsvorsitzende Ernst Schiffmann als Direktor des Steinkohlekraftwerks in Scholven dem talentierten Turner eine Ausbildungsstelle zum Elektriker im Kraftwerk verschaffte, und zwar nur mit Frühdiensten, was ihm ein regelmäßiges Turntraining ermöglichte.

Die Turnriege des TV Gladbeck in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts;
Paul Reiter (1. v. li.) im Gladbecker Stadion
  (c) privat
So wurde Paul Reiter 1941 bereits mit 18 Jahren in die legendäre Westfalen-Riege aufgenommen, der später solche Athleten wie Adalbert Dickhut und Günter Lyhs angehörten. Höhepunkt im selben Jahr war eine Reise mit dieser Regionalauswahl nach Italien und Spanien (für jeweils 4 Wochen), mit zahlreichen Turnvorführungen, u.a. auch in der Mailänder Scala ...!
Ab 1942 folgte dann die Einberufung zur Wehrmacht und der unseeligen II. Weltkrieg führte ihn nachfolgend zu Einsätzen in Russland, später in Frankreich.

Nach Kriegsende schloss Paul Reiter die Ausbildung zum Elektriker ab - eine Qualifikation zum Meister wurde ihm wegen jedoch seiner KPD-Mitgliedschaft verwehrt.
Noch im Ruhrgebiet heiratete Paul 1951 mit 28 Jahren seine Margot und im selben Jahr erfolgte der Umzug nach Leipzig, in die DDR.
Dort in Sachsen taten sich für ihn völlig neue, unerwartete Möglichkeiten auf:
Von 1951 - 1953 erwarb der Arbeitersohn an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät (der späteren Deutschen Hochschule für Körperkultur DHfK) das Abitur und studierte danach an dieser Einrichtung.
Im Eröffnungsjahr der DHfK 1952 gehörte Paul Reiter einer ersten Hochschulriege im Gerätturnen an, startete auch bei den 20. Deutschen Turnmeisterschaften - den 5. DDR-Titelkämpfen in Karl-Marx-Stadt - war 6. im Mehrkampf und verpasste als Vierter am Reck das Podium nur knapp.
Paul war Mitglied der Leipziger Stadtauswahl und absolvierte die damals hochdotierten Städte-Vergleiche (wie z. B. Leipzig gegen Stuttgart) und stand 1952 in Leipzigs Riege im traditionellen 49. Städte-Wettkampf BERLIN - LEIPZIG - HAMBURG, ebenso wie noch einmal im Jahre 1954, bevor diese Serie dann 1957 endete ...!