Gerhard "Fliege" DIETRICH, *1942 - +2024 |
Gut zwei Monate vor seinem 82. Geburtstag ist gestern der Brandenburger Ex-Nationalturner der DDR, Gerhard "Fliege" DIETRICH in seiner Heimatstadt Brandenburg verstorben. Der Deutsche Mehrkampf-Vize-Meister von 1966 und zweimalige nationale Pauschenpferd -Champion der DDR (1966, 1970) war in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch international ein Phänomen: Als "Benjamin" der DDR-WM Riege 1966 in Dortmund und Neuling auf internationalem Podium filmten ihn insbesondere die Japaner in der Dortmunder Westphalenhalle, denn das Leichtgewicht brillierte damals als erster Turner der Welt mit einem Saltoabgang plus Doppelschraube am Reck, wie auch in der Bodenkür - das hatten damals noch nicht mal die Weltstars aus Japan riskiert ...! Zu ersten großen Medaillen reichte es dann ein Jahr später zur Europameisterschaft 1967 in Tampere, wo der zierliche Potsdamer ASK-Turner hinter Michail Woronin (URS) und Miroslav Cerar (YUG) Bronze am Pauschenpferd, wie auch Bronze am Sprungpferd erkämpfte und als 10. im Mehrkampf, nach dem Leipziger Matthias Brehme (6.) zweitbester deutscher Turner war.
1966, Als WM-Neuling der DDR-Riege in Dortmund |
Entdeckt wurde der zierliche, quirlige Junge bei einer Sichtung im Sportunterricht und kam zunächst über die Akrobaten zu den Turnern bei der BSG Aufbau Brandenburg.
1960 wurde er in die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) seiner Heimatstadt aufgenommen. Später wurde er Miltärangehöriger und war Mitglied des Armeesportklubs "Vorwärts" Potsdam, damals das führende Leistungszentrum des Männer-Kunstturnens der DDR.
Danach schien seine Sportkarriere schon beendet zu sein, denn bei einer Reihenuntersuchung wurde Ende 1967 bei ihm ein inaktive Tuberkulose festgestellt. Dennoch schaffte er nach einem Vierteljahr Klinikaufenthalt sogar den Sprung ins Olympiateam, das 1968 in Mexiko-City in einem legendären Mannschaftskampf mit +0,05 Punkten Vorsprung vor den Tschechen die Bronzemedaille hinter Japan und der Sowjetunion gewann. Damit stand Gerhard Dietrich nach den Weltmeisterschaften 1966 in Dortmund, 1970 in Ljubljana und nun auch bei Olympischen Spielen zum dritten Male in einer bronzenen deutschen Turnriege bei den Welt-Großereignissen!
Deutscher Pferdmeister 1966 und 1970 |
In den Jahren 1965 und 1970 errang Gerhard Dietrich bei DDR-Meisterschaften insgesamt zehn Medaillen, war 1966 Deutscher Vize-Meister im Mehrkampf, hinter dem Leipziger DHfK-Athleten Matthias Brehme, aber gefolgt von gleich drei weiteren Potsdamer Turnen, was die damalige Führungsposition des Armeesportklubs unterstrich. Zwei Meistertitel gewann er am Pauschenpferd 1966,1970), darüber hinaus vier nationale Silbermedaillen.
Gerhard Dietrich war ein extrem leichter Sportler, der auch seinen Spitznamen "Fliege" erklärt und was ihn aber zu einem Virtuosen besonders blitzschneller und eleganter Längenachsendrehungen machte und zum vielbeachteten ersten Turner der Welt mit einer Doppelschraube an Reck und Boden werden ließ.
Potsdamer Innovationen, wie die weltweit erste Doppelschraube als Abgang vom Reck von Gerhard "Fliege" Dietrich, lösten die weltweite Entwicklung der Flugelemente am Reck aus, wie auch später Bernd Jägers Salto, dem dann Deltschew, Gienger, Kovacs, Tkatschow und andere folgten, und somit historische Spuren in der Welt-Turnbewegung hinterließen.
Potsdamer Höhepunkte waren zuletzt der Olympiasieg Holger Behrendts 1988 in Seoul an den Ringen und der WM-Sprungtitel Jörg Behrends 1989 in Stuttgart sowie der Reck-Weltmeistertitel Ralf Büchners 1991 in Indianapolis, der nach der politischen Wende zum TK Hannover gewechselt war.
- Gerhard 'Fliege' DIETRICH (li.) und Clubkollege Jürgen PAEKE - (Olympiabronze mit der Mannschaft 1972 in München) bei einem der Posdamer Traditionstreffen |
1970 beendete Gerhard Dietrich seine Leistungssportkarriere, schloss zwei Jahre später sein Lehrerstudium ab und blieb noch ein Jahr als Trainer beim Potsdamer ASK-Sportklub und war ab 1973 als Lehrer an der KJS tätig, die von 1973 bis 1978 schrittweise nach Potsdam verlegt wurde.
Nach der politischen Wende wurde Gerhard Dietrich arbeitslos und arbeitete dann noch einige Jahre als Hausmeister und ging bereits 2002 vorzeitig in den Ruhestand.
Quirlig und aktiv ist das Leichtgewicht aber immer geblieben. Noch im 8. Lebensjahrzehnt probierte er sich sogar per Tandemsprung beim Fallschirmspringen aus.
Bei den regelmäßigen Traditionstreffen der Potsdamer ASK-Turner (Foto, rechts >) und auch der gesamtdeutschen Olympiariegen, war "Fliege" Dietrich regelmäßiger Stammgast und pflegte trotz seiner beeindruckenden Zurückhaltung die Erinnerungen an seine seine außergewöhnliche Sportlerkarriere, die nicht nur bei seinen engsten Sportfreunden in unvergessener Erinnerung bleiben wird.
(C) gymmedia / Eckhard Herholz
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+Siehe auch unter >> EHRENTAFEL DER UNVERGESSENEN
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