20. April 2022  
Berlin, GER  
Gerätturnen

Vera Ewald - älteste Deutsche Ex-Mehrkampfmeisterin wird heute 90 Jahre alt

Nach dem II. Weltkrieg und der Ära der fünffachen Seriensiegerin im Turn-Mehrkampf der Frauen, Charlotte "Charly" Scholz, löste 1954 die damals 22-jährige Vera EWALD die Erfolgslinie der Leipzigerin ab. Mit ihren zwei Nachfolgerinnen auf dem Thron der DDR-Königinnen des Turnmehrkampfes, Ingrid Michaelis (-Föst) und Roselore Stöbe (-Sonntag) gestalte dieses Trio gewissermaßen den Start in eine beispiellose Aufstiegsgeschichte des deutschen Frauenturnens der DDR, das keine zwei Jahrzehnte später die Weltspitze mitbestimmen sollte.
Vera Ewald - damals schon verheiratet mit dem langjährigen "ersten Mann des DDR-Sports", Manfred Ewald, stand zwar auch 1958 in der ersten DDR-WM-Riege in Moskau, die Olympiateilnahme dagegen hatte sie zwei Jahre zuvor verpasst: Sowohl sie, als auch die  DDR-Meisterin von 1955 Ingrid Föst, waren schwanger ... und wegen der noch immer verweigerten Anerkennung des DDR Turnverbandes (DTV) durch den Weltverband FIG und ohne ihre beiden Spitzenturnerinnen fanden die DDR-Turnerinnen noch immer keine Berücksichtigung in der deutschen Olympiariege für Melbourne 1956 ...

Die DDR-Nationalmannschaft der Frauen 1954 im Leningrader Winterpalais bei einem Vierländerkampf UdSSR - Ungarn - CSR - DDR.
v. links: Trainer Herbert Hoffmann, Ruth Lange, Vera Ewald, Roselore Stöbe, Margot Leonhardt, Helga Speck, Hannelore Gohlke, Ingrid Michaelis, Gertraud Walther.
* (C) gymmediaarchiv


Vera Ewald, 1954

Gewissermaßen als die "First Lady" des DDR-Sports an der Seite ihres Mannes Manfred, sah man Vera Ewald allerdings selten.
Ihre beeindruckenden Auftritte gestaltete sie aber später eher als engagierte und hochqualifizierte Trainerin, als nationale und internationale Kampfrichterin und überzeugte vor allem mit ihrer Kompetenz alle, die sie kannten und schätzten, als wertvollen, empathischen Menschen!
Wer kann über diese Frau, die heute nun auf 90 Lebensjahre zurückblicken kann, besser Auskunft geben, als eine ebenso von ihrer Sportart Kunstturnen geprägte Person, Birgit Michailoff-Radochla, die nach der Leistungsgeneration des Trios Ewald, Föst und Sonntag die Weltspitze gar mit der ersten Olympiamedaille (Pferdsprung, 1964, Tokio) einer deutschen Turnerin eine erfolgreiche Weltkarriere erlebte.

Zwei anerkannte internationale Berliner Kampfrichterinnen: Sylvia Hlavacek und Vera Ewald
.

Zu einer Olympiateilnahme kam es dann doch noch, bei den Spielen der XVIII. Olympiade 1964 in Tokio, eingestzt als internationale Kampfrichterin ..
... und eine ihrer Berliner Schützlinge, Birgit Radochla, holte dort als erste deutsche Turnerin am Sprungpferd mit Silber eine Olympia-Einzelmedaille, belegte im Mehrkampf hinter Olympiasiegerin Vera Caslavska (TCH) und den beiden sowjetischen Turnerinnen Larissa Latynina und Polina Astachowa einen herausragenden 4. Platz, und verpasste  am Boden um 1 Tausendstelpunkt (!) ebenso Bronze am Boden, wo übrigens ihre persönliche Trainerin Ewald im Kampfgericht saß ...!
.

* Der runde Geburtstag in Berlin-Marzahn fand im kleinen aber herzlichen Kreise ihrer beiden Kinder, der freundlichen Hausgemeinschaft und natürlich mit besonderen Gästen aus der gemeinsamen turnerischen und sportlichen Vergangenheit statt: Zu denen gehörte auch das 1964'er Olympia-Trio Birgit Michailoff-Radochla als Medaillengewinnerin, Vera Ewald als internationale Kampfrichterin und Ex-Nationalturnerin Rosemarie Heritz, die in der reinen ostdeutschen Olympiariege Tokio als Ersatz-Turnerin vor Ort miterlebte, und sich zuvor - nach dem Verletzungsausfall von Erika Barth (- verh. Zuchold) mit den Meisterschafts-Mehrkampfplätzen 4 und 6 ins Team gekämpft hatte ...
Geschichte und Geschichten, die der Sport schreibt, Lebenswege bestimmt und Erinnerungen erzeugt, ohne die wohl kaum eine Geburtstagsrunde auskommt ...!
(C) gymmedia / Eckhard Herholz
    * Fotos: gymmedia-archiv/ privat