10. Januar 2021  
Leipzig, GER  
Gerätturnen

Melbourne 1956: Deutsche Olympia-Abstinenz durch Schwangerschaft und Borniertheit

Ein historischer Blick, 65 Jahre zurück in deutsche olympische Turngeschichte, erklärt die Nichtteilnahme deutscher Turnerinnen an den Spielen der XVI.Olympiade, Melbourne 1956: Die Gründe: Borniertheit auf der einen Seite und Schwangerschaft auf der anderen. Dies führte im damals zweigeteilten Deutschland schließlich zur gänzlichen olympischen Abstinenz des deutschen Frauenturnens!
Im Vorfeld fanden dazu am 7. und 8. Januar 1956 im Leipziger Hotel "International" Verhandlungen zwischen dem Deutschen Turner-Bund (DTB) der BRD und der damaligen "Sektion Gymnastik und Turnen" der DDR statt, der Vorläufer-Organisation des späteren Deutschen Turnverbandes der DDR (DTV).
Der DTB-Delegation der Bundesrepublik gehörten u. a. der Bundesoberturnwart des Deutschen Turner-Bundes (DTB), Herr Dr. Dommel aus München an, der Herr Heinz Andrè sowie Kunstturnwart Rudolf Spieth.
Die DDR-Seite wurde damals vertreten durch den späteren Präsidenten des Deutschen Turnverbandes der DDR (DTV), Erich Riedeberger aus Leipzig, sowie durch die Herren Werner Pöhland, Albin Lätzer und Peter Dobbertin, dem späteren und langjährigen DTV-Generalsekretär  ...

 Historischer Exkurs
              in Sachen deutsches olympisches Frauenturnen:


  • Die deutsche Frauenriege gewann 1936 in Berlin die Mannschafts-Goldmedaille, in der Besetzung Anita Bärwirth, Erna Bürger, Isolde Frölian, Friedl Iby, Gertrud Meyer, Paula Pöhlsen, Julie Schmitt und Käthe Sohnemann,  vor der tschechoslowakischen und der ungarischen Turnriege.
  • 1948 in London und 1956 auf australischem Boden (s.o.)  waren deutsche Turnerinnen nicht dabei.
    Durch eine eigensinnige und bornierte Haltung gegenüber den Entwicklungstendenzen des internationalen, modernen Kunstturnens der für den Frauenturnsport der fünfziger/sechsziger Jahre zuständigen Funktionäre des DTB, kam es in der Folge zu einer erheblichen Stagnation der Leistungsentwicklung auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik:
  • War die DTB-Frauenriege 1952 zu Olympia noch auf dem 5. Mannschaftsplatz zu finden, starteten erst 16 Jahre später wieder (Mexiko-City, 1968) bundesdeutsche Turnerinnen (9. Platz Mannschaft; beste Turnerin war damals Angela Kern (TuS Teningen). Erst mit Beginn der siebziger Jahre wurde wieder ein deutlicher Aufschwung mit solchen Turnerinnen wie Uta Schorn möglich, die als erste Turnerin das Mehrkampffinale (23.) in München 1972 erreichte. Ständige Verbesserungen führten in Montreal 1976 bereits wieder zu einem 7. Mannschaftsplatz, mit solchen international bekannten Turnerinnen wie Andrea Bieger - 12. im olympischen Mehrkampf, Jutta Ottersdorf (23.) und Petra Kurbjuweit (26.).
  • Der Olympiaboykott der BRD u.a. Länder gegen die Moskauer Spiele 1980 bedeutete zwar einen herben Rückschlag - generell für den Sport. Allerdings glänzte die DTB-Frauenriege dann vier Jahre später in Los Angeles mit einem herausragenden 4. Mannschaftsrang. Der wurde zwar in Abwesenheit der diesmal boykottierenden sozialistischen Länder (außer Rumänien) erzielt, aber Anja Wilhelm (12. Mehrkampf, 7.Balken), Brigitta Lehmann (6. Sprung, (31.), Astrid Beckers (23.), Elke Heine (36.) wiesen dort hohes internationales Leistungsniveau nach. Allerdings konnte sich dann die Bundesrepublik 1987 bei den Weltmeisterschaften 1987 in Rotterdam (15.Platz) nicht für die Olympischen Spiele 1988 qualifizieren. Die beiden Einzelstarterinnen Michaela Ustorf (79.) und Isabella von Lospichl (86.) blieben in Seoul ohne Chance.
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  • Auch in Rom 1960 bestand die Frauenturnriege innerhalb des gesamtdeutschen Olympia-Aufgebots nur aus DDR-Turnerinnen.
    Erstmals platzierte sich mit Ingrid Föst (9.) eine deutsche Turnerin unter den Top Ten des Mehrkampfes, die Mannschaft kam auf Rang 6.
  • 1964 in Tokio erkämpften sich die "gesamtdeutsche Riege" - die erneut nur aus DDR-Turnerinnen bestand - Rang 4 hinter den gastgebenden Japanerinnen, die Berlinerin Birgit Radochla, gemeinsam mit Larissa Latynina (URS), erstmals eine olympische Einzelmedaille (Silber, Sprung).
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  • Zwischen 1964 und 1988 gewannen deutsche Turnerinnen, ab 1968 nur noch mit den Riegen der DDR - 1x die Silbermedaille (München 1972) und 4x Mannschaftsbronze.
    Die Berlinerinnen Karin Janz (1968, 1972) und Maxi Gnauck (1980) wurden Olympiasiegerinnen.
    Im Juni 2000 - wurde Maxi Gnauck als erste deutsche Turnerin der Geschichte  in die "International Hall of Fame" in Oklahoma/USA aufgenommen. Ihr folgten danach Karin Büttner-Janz (2003), und die beiden Leipzigerinnen Erika Zuchold (2005) und Steffi Biskupek-Kräker (2011).
    Insgesamt errangen DDR-Turnerinnen 16 olympische Einzelmedaillen - zuletzt Dagmar Kersten 1988 Silber am Stufenbarren - und gehörten im Frauenturnen der siebziger und achtziger Jahre,neben der UdSSR und Rumänien zum internationalen Spitzentrio der Turnnationen...
    (C) gymmedia / Eckhard Herholz
    * Quellen: Archiv V. Kluge;
    Turnjahrhundert der Deutschen E. Herholz / A. Götze)