Glückliches Trio: Anja Brinker mit Mann Dennis und Sohn Henry; (c) - privat |
Innerhalb von nur 3 Jahren schaffte sie einst den Sprung von der Deutschen Juniorenmeisterin (2005) in die deutsche Olympiariege 2008 in Peking. Mit Oksana Chusovitina und Katja Abel bildete Anja BRINKER einst das nationale Mehrkampf- und Medaillentrio bei den 67. Deutschen Meisterschaften 2007 in Gießen und wurde zudem selbst an ihrem Paradegerät, dem Stufenbarren, zweimalige Deutsche Meisterin. Mit solcherart Meriten schrammte sie 2008 im fernen Peking aber dramatisch knapp am olympischen Finale vobei.
Nun, seit 8 Monaten, ist die geborene Niedersächsin und heutige Grundschullehrerin, stolze Mutti ihres kleinen Henry! Einst hatte sie bei Trainer Peter Werner in Großwedel begonnen, wurde später im Rheinischen Leistungszentrum Bergisch Gladbach von Dieter Koch geführt. Dann setzten der leider soeben (Ende April) in den USA verstorbene Alexander Woitichow (52) und danach Oleg Chekmarev als Trainer weitere wichtige Akzente ihrer sportlichen Entwicklung.
* Journalistenkollege Christian Purbs von der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" zeichnet sportliche Karriere und Lebensweg der sympathischen End-Zwanzigerin Anja Brinker eindrucksvoll nach ...:
Anja Brinker: Die Mehrkämpferin liebte besonders den Stufenbarren
Was macht eigentlich Anja Brinker?
Den Rhythmus gibt der kleine Henry vor
* - von Christian Purbs; Hannoversche Allgemeine Zeitung
In den vergangenen Monaten hat sich im Leben von Anja Brinker viel gewandelt – und das liegt ausnahmsweise einmal nicht am Turnen. Ende August vergangenen Jahres ist die frühere Spitzenturnerin zum ersten Mal Mutter geworden. Seitdem bestimmen nicht Trainingseinheiten, Salto und Stufenbarren den Tagesablauf, den Rhythmus gibt zum größten Teil der kleine Henry vor. „Mein ganzes Leben hat sich ja ums Turnen gedreht, jetzt hat es sich komplett verändert. Darüber bin ich froh und genieße es total“, sagt die 29-Jährige, die lange in Lathwehren gelebt hat.
Ganz ohne Turnen geht es auch nicht
Aktiv ist die ehemalige Spitzenturnerin, die bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking am Stufenbarren startete, nicht mehr. Aber ganz ohne Turnen geht es halt auch nicht. Wenn nicht gerade Corona-Zwangspause ist, trainiert Brinker bei der TS Großburgwedel, für die sie bis vor ein paar Jahren noch in der Bundesliga turnte, den Nachwuchs – und hat ihren eigenen auch ab und an dabei. „Ich habe Henry recht oft in die Halle mitgenommen und hatte immer viele Babysitter, die ihn bespaßt haben“, sagt die Lehrerin, die an der Grundschule in Lohnde unterrichtet. Der Rollentausch von der Turnerin zur Trainerin sei ihr nicht schwergefallen. „Es ist schön, meine Erfahrung weiterzugeben. Ich habe auch gemerkt, dass die Mädchen das Training von jemanden, der selbst in der Materie drin war und auf hohem Niveau geturnt hat, ganz anders aufnehmen. Das war bei mir auch so“, sagt Brinker.
Und das von Anfang an. Ihre Eltern Astrid und Hans Brinker sind Turntrainer und förderten das Talent ihrer Tochter schon früh. „Mit vier Jahren habe ich damals beim Mutter-Kind-Turnen angefangen“, erzählt die in Melle bei Osnabrück geborene 29-Jährige. „Mit acht Jahren habe ich dann im Leistungszentrum Hannover trainiert. Viermal die Woche sind wir nach der Schule von Melle nach Hannover gefahren: eineinhalb Stunden mit dem Auto, dann drei Stunden Training, abends wieder zurück. Schulaufgaben habe ich auf dem Rücksitz gemacht.“ Das hatte sich durch den Umzug nach Lathwehren, das ein paar Kilometer westlich von Hannover liegt, bald erledigt. Nach der Schließung des Leistungszentrums in Hannover trainierte Brinker im Bundesleistungszentrum in Bergisch Gladbach, wo sie zeitweise im Internat lebte.
Und dann kamen die Erfolge. 2004 gewann Brinker Gold bei der deutschen Juniorenmeisterschaft am Stufenbarren und Bronze im Mehrkampf. Ein Jahr später holte sie sich bei der Junioren-DM im Mehrkampf und Sprung den Titel, wurde Zweite am Boden und Dritte am Stufenbarren. Von der Junioren-EM 2006 kehrte sie als Teil der deutschen Riege mit Bronze zurück. Der Durchbruch bei den Frauen gelang ihr 2007 bei der deutschen Meisterschaft, wo sich die zu dieser Zeit vielleicht beste deutsche Turnerin Gold am Stufenbarren sowie Silber am Boden und im Mehrkampf sicherte. Alles lief bestens, die Olympischen Spiele in Peking im nächsten Jahr sollten der erste Höhepunkt ihrer Karriere werden.
Vergessen hat sie ihr Malheur nicht, heute überwiegt jedoch die Freude darüber, Teil eines ganz besonderen Ereignisses gewesen zu sein. „Im Nachhinein kann ich sagen: Ich war dabei, und darauf bin ich unheimlich stolz. Schon als kleines Kind habe ich meinen Eltern in der Turnhalle gesagt, dass ich einmal bei den Olympischen Spielen turnen möchte. Das war mein Ziel, das habe ich erreicht“, sagt Brinker. „Das ganze Drumherum mit dem Olympischen Dorf und den vielen Sportlern aus aller Welt auf einem Fleck: Das war schon etwas sehr Besonderes, das kann einem keiner nehmen. Das ist das Größte, was ein Sportler erreichen kann.“
Nur allzu gerne hätte Brinker die besondere Olympia-Atmosphäre noch einmal erlebt, zumal auch nach Peking alles prima lief. Beim Weltcup in Doha hatte es zum Sieg gereicht, bei der EM 2009 in Mailand gewann Brinker Bronze am Stufenbarren und war damit nach 22 Jahren die erste deutsche Turnerin, die eine Medaille erringen konnte. Doch eine zweite olympische Chance bekam sie nicht.
Olympic Flair beim "Deutschen Abend" im Champions Club in Peking, 2008.
Anja Brinker, Zweite v. links, hinter Ronny Ziesmer.
Achillessehne reißt in Berlin
Dass es im Leistungssport noch viel schlimmere Rückschläge geben kann als einen verpatzten Abgang, das erfuhr die Turnerin Ende Januar 2011, ein paar Tage nach ihrem 20. Geburtstag. Ausgerechnet während eines Auftritts beim „Feuerwerk der Turnkunst“ in Berlin riss die Achillessehne am rechten Fuß. An drei Stellen. Und das anderthalb Jahre vor den Spielen in London. Sie kämpfte, fing nach ein paar Monaten wieder mit dem Training an, doch es reichte nicht für ein Comeback bei Olympia. „Solche Rückschläge gehören zum Leben dazu und machen einen noch stärker. Dass es ausgerechnet beim Feuerwerk passiert ist, war sehr unglücklich. Die Ärzte haben mir aber gesagt, dass die Achillessehne sowieso gerissen wäre. Wenn nicht bei der Veranstaltung in Berlin, dann vielleicht am nächsten Tag beim Treppensteigen.“
Die Pädagogin Anja Brinker (li.) beim Üben mit Kindern im Verein
.
Erfolge und Rückschläge gehören im Leistungssport dazu. Brinker macht da keine Ausnahme. Auch wenn es manchmal ein steiniger Weg war, sie würde ihn jederzeit wieder gehen. „Ich würde es wieder ganz genau so machen“, sagt die 29-Jährige heute. „Es gab zwar immer nur das Turnen, was eine Zeit lang auch schwierig war, weil man auf viel verzichten musste. Aber ich habe Sachen erlebt, die andere nicht erlebt haben. Das kann mir keiner mehr nehmen, das sind Erlebnisse, die ich nie vergessen werde. Und viele der Dinge, die ich verpasst habe, konnte und kann ich jetzt ja nachholen.“
Jetzt ist es Zeit für neue Erlebnisse, gemeinsame mit Mann und Sohn Henry. Auch davon werden viele ganz besonders und bestimmt auch unvergesslich sein.
* Autor: Christian Purbs
- mit freundlicher Genehmigung der → Hannoverschen Allgemeinen
* Fotos: Privat; GYMmediaarchiv; MINKUSimages