Turnvater Jahn, der erste 'Sportmanager' des 19. Jahrhunderts, |
Alle Jahre wieder verbeißen sich kleingeistige Gemüter in die Widersprüchlichkeit historischer Persönlichkeiten: Nahezu zu allen Zeiten ist der von den einen als "Begründer der deutschen Turnbewegung" hochverehrte Turnvater Friedrich Ludwig JAHN davon betroffen, den die anderen eher zwiespältig als glühenden Nationalisten, gar als bekennenden Antisemiten bezeichnen und ihn deshalb aus öffentlicher Erinnerungskultur gerne streichen wollen - dabei war er wohl einer der ersten "Manager" des 19. Jahrhunderts, der seine Sportart mit dem damaligen Zeitgeist zu verbinden versuchte (- wenn der akribische Verfechter der deutschen Sprache auch diesen damals noch unbekannten Begriff aus dem Angelsächsischen sicher vehement abgelehnt hätte ...!).
War es vor drei Jahren die einstige "Turnvater Jahn Grundschule" in Berlin-Pankow, die ihren Schülern die "zwiespältige Rolle Jahns nicht mehr vermitteln konnte" (oder wollte), seither "Bötzow-Grundschule" heißt und nun also den Namen einer Berliner Bierbrauerdynastie trägt (- wie sinnig, für eine Grundschule!), deren Familienmitglieder teils überzeugte Nationalsozialisten waren ..., stellt selbiger Bezirk Pankow nun den Namen "Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark" zur Disposition.
Jahndenkmal in der Berliner Hasenheide, wo 1811 der erste deutsche Turnplatz entstand |
Weil die traditionsreiche Berliner Sportstätte, die Ihren Namen 1952 anlässlich des 100. Todestages Friedrich Ludwig Jahns erhielt, nun langfristig in einen Inklusionspark umgewandelt werden soll - also für Menschen mit und ohne Behinderung - erscheint "Turnvater Jahn" den Pankower Politikern nicht mehr zeitgemäß ?!
Na, sowas! Eben erlebten wir doch die Ehrung einer durchaus widersprüchlichen Person wie Karl MARX, dessen historische Rolle nun wer weiß nicht von wievielen und zu allen Zeiten angefochten und ebensooft verteidigt wurde und wird. Nennt man demnächst in Berlin die Karl-Marx-Alle oder die Karl-Marx-Straße um ...?
Und das in großem gesellschaftlichem Stil zelebrierte Martin-Luther Jahr 2017 - es beschrieb doch auch eine historische Persönlichkeit nicht nur als den großen Reformator, sondern auch dessen Haltung zu den Juden als ein "dunkles Kapitel" in der historischen Betrachtung, ebenso dessen Geringschätzung des weiblichen Geschlechts, als er sich in seiner Zeit gar von Hexenwahn und Hexenverfolgung hinreißen ließ.
Es fällt doch generell schwer, überhaupt historische Persönlichkeiten zu finden, die nicht in die Widersprüche ihrer Wirkungszeit verwickelt waren, aber deren Tun und Handlungswerte mindestens teilweise bis in die heutige Zeit hinein wirken.
Wer dies - unter Beachtung des Kontextes seiner Zeit (!) - beim damals zweifelsfreien "Nationalisten", "Querdenker" und "Judenhasser" Jahn heute nicht zu differenzieren und einzuordnen weiß, da sich Jahn doch gleichzeitig aber auch für die körperliche Ertüchtigung der Jugend, eine Körperkultur für weite gesellschaftliche Kreise oder für die Einheit des damaligen "Flickenteppiches" Deutschlands einsetzte und verdient machte, und der bei seinem Verbreiten des Turnens und in seiner politischen Tätigkeit alle drei Ideale der Französischen Revolution vertrat: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, also auch den immer wieder vernachlässigten letzten Aspekt - Jahn sah nämlich die Brüderlichkeit geradezu als „vermittelnde Instanz zwischen Freiheit und Gleichheit“ an - wem dies also zu hoch gegriffen ist, der schaue sich doch wenigstens mal ein leider viel zu wenig thematisierte Problemfeld der Moderne an:
Einer von Bewegungsarmut und sträflicher Vernachlässigung körperlicher Bildung im heutigen Schulalltag und z. T. von erschreckendem Mangel an koordinativen und konditionellen Fähigkeiten geprägten heranwachsenden Generation, könnten wenigsten einige von Jahns Turnkunst beschriebene Regeln beseitigen helfen, Empfehlungen von einem Manne, der " ...Laufen, Springen, Tragen, Werfen als kostenfreie Übungen für Jedermann ..." schon damals empfahl.
Und das widerspricht doch wohl nun überhaupt nicht der Idee, sich in einem modernisierten Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark auch der Problematik der Inklusion stärker widmen zu wollen - im Gegenteil:
Der von Jahn 1811 in der Berliner Hasenheide erste eingerichtete Turnplatz war wahrscheinlich der erste inklusive Sportplatz: Unbeschadet von Stand, Einkommen, Religion oder körperlichem Befinden war jeder willkommen, gleichberechtigt, konnte seine Stimme erheben. Hier entstand der Begriff "Hilfestellung" als zentrale soziale Kategorie (- schreibt uns dazu Prof. Dr. Hans-Jürgen Schulke).
Viel mehr sollte doch die differenzierte Vermittlung historischer Werte, Personen und deren Darstellung eben auch bei der zweifellos umstrittenen Figur des Turnvaters zu pflegen sein, wie auch stets der kritische und wache Blick auf alle historischen Persönlichkeiten anzuraten ist, bevor man mal wieder kleingeistig und beschränkt etwas in die Tonne drückt. Da ist doch vor allem Aufklärung das Gebot der Stunde und nicht Verriss!
Und dem in dieser Frage scheinbar historisch-überforderten LINKEN-Bezirksamtes in Berlin Pankow sei anzuraten, statt der "Jahn-Demontage" sich lieber mit Vehemenz der längst überfälligen Umbenennung des "Hindenburgdammes" in Steglitz zu widmen. Die deutsch-jüdische Sportlerin Gretel Bergmann wäre dafür eine wohltuende und historisch würdige Alternative!
Eckhard HERHOLZ
GYMmedia INTERNATIONAL
> Pankow will Jahnsportpark umbenennen (Der TAGESSPIEGEL)
> Nicht mehr zeitgemäß ... (BERLINER ZEITUNG)