Karina Pfennig, Natalia Stsiapanava |
Die ehemaligen Schmidener Gymnastiktrainerinnen Natalia Stsiapanava und Karina Pfennig haben ihre Einspüche gegen den sie verhängten Strafbefehl zurückgezogen. Somit verzichten sie auf ein bereits für den 16. Dezember 2015 angesetztes Gerichtsverfahren. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte im Oktober 2015 Strafbefehl wegen "versuchter gemeinschaftlicher Körperverletzung" erlassen, den sie damit anerkannt haben. Nun werden beide zur Zahlung von 90 Tagessätzen verurteilt ...
Zerstörte olympische Träume sind auch mit 90 Tagessätzen nicht wieder gut zu machen!
Sowohl die weißrussische Trainerin Natalia Stsiapanava als auch Karina Pfennig im früheren Amt der deutschen Team-Chefin Gruppe, hatten die hallesche Gymnastin Katerina LUSCHIK vom dortigen SKC TaBeA dazu gedrängt, Medikamente osteuropäischen Ursprungs und ohne EU-Zulassung und ohne ärtztliche Indikation einzunehmen. Dagegen und wegen schwere Vorwürfe von Persönlichkeitsverletzung hatten die damals 16-Jährige und deren Mutter geklagt und dies öffentlich gemacht. Bereits im Sommer 2014 hatte der Deutsche Turner-Bund die Team-Chefin Karina Pfennig entlassen; Stsiapanava dagegen führte die deutschen Gymnastinnen noch bis zur Gymnastik-WM 2015 in Stuttgart und war erst im Oktober entlassen worden - kurioser Weise aber wohl eher wegen "Erfolglosigkeit im Amt" ( > GYMmedia-News, 06. Oktober).
Erste Reaktion der Mutter der betroffenen Gymnastin Katja Luschik: "Ich wollte mit meiner Anzeige damals erstrangig aber nicht eine Bestrafung der Trainerinnen oder Geldzahlungen, sondern als Mutter wollte ich verhindern, das solche Trainermethoden andere Kinder schädigen. Diesbezüglich waren mir die Maßnahmen des DTB und des STB sehr zögerlich und letztlich nicht konsequent genug!"
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Die nun 17-jährige Katerina Luschik erschien dagegen noch heute sehr beeindruckt:
" ... ich war schon erstaunt, das das alles so lange gedauert hat, monatelang nichts passierte und man sich ziemlich alleine gelassen fühlte. Meine sportlichen Ziele sind dabei nun irreparabel geplatzt. Was soll ich sagen ... man wird so orientierungslos! Das alles war und ist ziemlich schwer für mich, denn lange, lange hatte ich 100% für meinen Olympiatraum gegeben...!"
Ist es in diesem Falle der Katerina LUSCHIK wohl erstrangig die juristisch-relevante Tatsache des offensichtlichen Medikamentenmissbrauches im Umgang mit Minderjährigen, die zu solch konsequenten Maßnahmen geführt haben, wird in der Turn- und Gymnastikszene dies aber auch als Warnung an all' jene sogenannten "Trainer" oder "Übungleiter" verstanden, die unter Missachtung der Würde und Persönlichkeit der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu inhumanen und ehrverletzenden Methoden und Maßnahmen greifen, in der irrwitzigen Annahme, dass dabei sportliche Höchstleistungen erzielt werden könnten!
So sollte man noch nachträglich Mutter und Tochter Luschik dafür danken, dass sie den Mut dazu hatten, ihren Fall öffentlich zu machen - auch gegen anfängliche nicht unerheblichen Widerstände der betroffenen Szene, der Personen und leider auch der Strukturen. Erst zögerlich, dann aber doch mit wirksamer Konsequenz konnten Schwäbischer Turnerbund und Deutscher Turner-Bund dazu gebracht werden, konsequent Ursachenforschung und nachfolgend Veränderung von tatsächlichen Missständen im Gymnastikzentrum Schiden zu beseitigen.
Dass dabei nicht nur diesem talentierten 16-jährigen Mädchen seine olympischen Träume unwiderruflich zerstört, sondern Jahre intensivster Arbeit, Entbehrungen und Engagemt im heimischen Bundesstützpunkt ad absurdum geführt wurden, ist ein viel weitreichender Schaden, für die Sportartentwicklung vor Ort.
Nichts gegen die komplexen Maßnahmen im DTB-Zentrum Schmiden - da ist wohl Einiges geschehen - aber mit dem zutiefst betroffenen Leistungsstützpunkt Halle ist DTB-seitig noch kein Gespräch geführt worden...(?) Den lässt man mit dem "Makel" einer Nichterfüllung des Leistungsauftrages" im Regen stehen. Kein Gerichtsurteil oder irgendwelche bestrafenden Tagessätze werden dabei der Grundproblematik gerecht.
Erinnen an "Dienstaufsichtspflicht" des verantwortlichen Dachverbandes wäre da wohl das bessere Stichwort, denn Zielstellungen im deutschen Spitzensport werden schließlich von den zentralen Strukturen an die Zentren vor Ort vermittelt und von denen deren Erfüllung abgefordert. So mutiert der "Fall Luschik" nun eher zu einem "Fall DTB"!
Dringend angemahnt werden sollten im deutschen Spitzensport auch generell der offensichtlich mangelhafte Ausbildungsstand des Erziehungspersonals aller Ebenen:
Es fehlt akut an qualitativ-hochwertigen akademischen Ausbildungsgängen im psychologischen, pädagogischen und methodischen Bereich, um Trainern ausreichendes theoretisches Wissen und prakische Instrumentarien zu vermitteln, wie man Heranwachsende dazu bringt, sich in Grenzbereiche menschlicher Leistungsfähigkeit zu begeben, ohne dabei körperlichen, geistigen oder sonstwelchen Schaden zu nehmen. Dressurakte mit "fetten Kühen" und andere schwerste Beleidigungen junger Mädchen sind jedenfalls konsequent auszuschließen.
Das weiß hoffentlich nun auch ein Deutscher Turner-Bund, der seit Jahren den "humanen Leistungssport" auf seinen Fahnen zu stehen hat, der aber eben erst, im Oktober, eine der betroffenen Trainerinnen nicht etwa wegen ihrer Verfehlungen, sondern nach der RG-WM in Stuttgart wegen "Erfolglosigkeit" (!!) aus dem Amt entlassen hat. Man sollte also unbedingt weiter wachsam bleiben ...!
(c) gymmedia / E. Herholz
* Lesen Sie dazu auch unsere erste GYMmedia-Veröffentlichung:
►► Katerina Luschik beschreibt erschreckende Zustände (Juni 2014)
► Strafanzeige gegen Ex-trainerinnen (Okt. 2015)
► DTB kündigt Vertrag mit Ex-Gruppenchefin (Okt 2015)
++ sowie weitere PRESSEREAKTIONEN +++
→ 16. 06.2014 : Polizei ermittelt ... (BILD, Halle)
→ 16.06.2014 Gymnastin stellt Strafanzeige (Spiegel Online
→ 16.06. 2014 Böses Blut in der Sportgymnastik (Stuttg. Nachrichten)
→ 16.06. 2014 Turnerin ... erhebt schwere Vorwürfe ... (MDR)
→ 17.06. 2015 Wurde Sportlerin ... misshandelt ...? (MZ, Halle)
→ 21.06. Auch im Leistungssport das Recht des Kindes achten (Deutschlandfunk)
> ... Beitrag hören )
→ 24.06. 2014 GYMmedia KOMMENTAR (Eckhard Herholz)
→ (25.06.) Der offene Brief schlägt Wellen (Stuttgarter Zeitung)
→ 23.06. Sie musste hungern (Der Spiegel)