Alfons Hörmann (DOSB), Johanna Quaas (89), älteste Turnerin der Welt |
Eine imposante Gästeliste vereinte gestern in der Jahnstadt FREYBURG in Sachsen-Anhalt herausragende Vertreter des deutschen Sports und der Gesellschaft zu einer Festsitzung "25 Jahre DEUTSCHE EINHEIT - EINHEIT DES SPORTS", zu der die Friedrich-Ludwig-Jahngesellschaft, das Ministerium für Inneres und Sport Sachsen-Anhalts sowie der dortige LandesSportBund geladen hatten.
Über 100 Gäste, darunter ehemalige verdiente Spitzensportler und aktive Breitensportler, vor denen der oberste Sportler Deutschlands, DOSB-Präsident Alfons HÖRMANN - der übrigens erstmals in der Jahnstadt weilte - und hier, gewissermaßen am rechten Ort, einen bemerkenswerten Festbeitrag hielt, war doch das Thema "Deutsche Einheit" historisch auch ein wesentliches Moment des Wirkens der historischen Figur des "Turnvaters" Friedrich Ludwig Jahn, und auch die Jahnstadt Freyburg hatte sich aktiv an den Ereignissen der politschen Wende 1990 beteiligt ...
Freyburger Jahnturnen 1990: Letzter Show-Auftritt der DDR-Nationalmannschaft, 2 Wochen vor dem Beitritt des DTV der "noch-DDR" zum DTB.
"EINS und EINS ist EINS = Neues Deutsches Turnen"
Dies waren das Motto und Vision zugleich und Titel einer 2-Sunden-Live-Übertragung des "DFF" in Anlehnung an den musikalischen Oldy "One and One is One" von "Medical Heat" aus dem Jahre 1973 und sollte als Formel das Zusammenwachsen der beiden deutschen Turnverbände - DTB der Bundesrepublik + DTV der DDR - symbolisieren.
Freybug an der Unstrut gestaltete damit aktiv und öffenlich den Startschuss in Richtung deutsche Sporteinheit.
Die Stadt des deutschen Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn, der sich das Thema Deutsche Einheit ebenfalls auf seine Fahnen geschrieben hatte, war dabei der geeignete Ort und das seit Beginn des 20. Jahrhunderts dort etablierte Jahnturnfest die geeignete Gelegenheit, dies bildlich mit den damaligen TV-Möglichkeiten umzusetzen. Heraus kamen dabei knapp 2 Stunden (!) TV-LIVE-Übertragung vom breitensportlichen Gerätturnen - ein TV-Ereignis in dieser Ausführlichkeit wohl mit Einmaligkeitscharakter - gewürzt allerdings mit Persönlickeiten des schon damals medial bevorzugten Spitzensports:
Es war der 23. August 1990: Die beiden Vorzeigeathleten der damaligen Westseite Ex-Weltmeister Eberhard Gienger (DTB) und der Ostseite Olympiasieger Klaus Köste (DTV, vollzogen mit dem Moderator der Sendung, Eckhard Herholz, per Fallschirmabspung den Sprung in die deutsche Sporteinheit, landeten auf dem Jahn'schen "Turnplatz Natur" und kamen dort ins Gespräch ...:
Talk-Runde in der Jahnstadt Freyburg im Wendejahr 1990 - ganz im Sinne des Turnvaters Jahn - im Zeichen der bevorstehenden Einheit auch des deutschen Sports. |
Anwesend auf dem Sportplatz Natur waren 1990 auch die Topstars des Kunstturnens der damaligen Zeit: Die fast kompletten Nationalmannschaft der DDR, mit Sylvio Kroll, Holger Behrendt, Sven Tippelt, mit Tanja Köste, Peggy Wünsche und vielen anderen Topstars:
Ringe-Weltmeister Andreas Aguilar (TK Hannover) vertrat "verkleidet" den DTB der alten Bundesrepublik. Im Jahnkostüm verkleidet und mittendrin im Breitensportgeschehen des olympischen Alltags, verbunden durch die Vision, mit dem Zusammenschluss der beiden Sportverbände eine neue Qualität des Turnens anzustreben im künftig vereinten Deutschland anzustreben:
Freyburger Turn-Visionen 1990: Breitensportler, Seniorensportler und Kunstturner mit stärkerer gegenseitiger Akzeptanz - dann wäre das deutsche Gerätturnen wieder eine Macht! |
Nun, zur Festsitzung 25 Jahre danach, erlebten die Gäste in kurzen Video-Sequenzen, die das Rundfunkarchiv Frankfurt herausgekramt hatte, noch einmal einige emotionale Freyburger Sequenzen von damals, denen dann im Osten zunächt schmerzliche und unbequeme Momente des Verlustes von Gewohntem, aber auch freudige Erwartungen völlig neuer Möglichkeiten sportlichen Tuns folgten, deren Mixtur aber in neuen Formen des Mitgestaltens mündete, was eben letztlich doch den Erfolg der Deutschen Sporteinheit nach einem Vierteljahrhundert ausmacht.
Zwei Wochen später, am 8. September 1990, vollzog beim Turntag in Hannover, der Deutsche Turn-Verband der DDR den Beitritt zum Deutschen Turner-Bund (DTB) - so mancher Traum der Ostvertreter, die qualitativen Strukturen des DDR-Systems als eine der Weltspitzennationen im Gerätturnen in die neue Zeit zu überführen zerplatzte, so manche Chance das DTB-System zu modernisieren wurde damit erst einmal vertan ...!
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"Trotz vieler noch bestehender Herausforderungen, sei im Sport ... die Trennung von Ost und West heute kein Thema mehr“, so Alfons Hörmann gestern in seiner Festrede.
Trotz vieler noch nicht abgeschlossener Probleme der historisch getrennten Sportentwicklung nahmen insbesondere die Gäste aus den neuen Bundesländern sehr aufmerksam die Position des DOSB-Chefs zur Kenntnis, dass die Integration auch positiver Aspekte des DDR-Sports, wie z. B. die Talentsichtung und das Sportschulen-Konzept ebenso, wie die Etablierung des Vereinslebens in den neuen Bundesländern Indizien dafür seien, dass im Sport die Einheit zwar weitestgehend vollzogen sei, was aber auch künftige "Neujustierungen" und Rückgriffe auf positive und wertvolle Elemente des ehemaligen DDR-Sports nicht ausschließe ...(!!)
Zweifellos gebe es auch nach wie vor Unterschiede im Denken und Handeln, zwischen Ost und West, aber eben kaum noch häufiger als zwischen Nord und Süd oder Breiten- und Spitzensport. In die Zukunft schauen, ohne das Vergangene aus dem Blick zu verlieren - sicher ein passendes Credo zum Anlass von 25 Jahre deutscher Einheit, ganz gleich ob im Sport oder in der Politik.
Dr. Josef Ulfkotte beim Überreichen der historischen DAGS-Dokumentation an DOSB-Präsident Alfons Hörmann |
Nach der Begrüßung der Festgäste durch den langjährigen Präsidenten und heutigen Ehrenpräsidenten der Jahngesellschaft, Prof. Dr. Hans-Joachim Bartmuß, brachten Sachsen-Anhalts Innen- und Sportminister Holger Stahlknecht sowie Andreas Silbersack, LSB-Präsident Sachsen-Anhalts, ihre ganz persönlichen Empfindungen und Antriebe bei den weiteren und längst noch nicht abgeschlossenen Einheitsprozessen im deutschen Sport zum Ausdruck, " ...wofür man sicher auch noch die nächsten 25 Jahre brauche ...".
Was das Thema "Sportgeschichte Mitteldeutschlands anbetrifft" - man sei ja hier in Freyburg eigentlich mittendrin - dazu stellte der Vize-Präsident der Jahngesellschaft Dr. Josef Ulfkotte eine umfängliche Dokumentation zur 7. Tagung Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Sportmuseen, Sportarchive und Sportsammlungen e.V. (DAGS) vor.
In einer kurzen Podiumsdiskussion unter Leitung von Dr. Petra Tzschoppe (Universität Leipzig) kamen dann exponierte Zeit- und Gestaltungszeugen dieses 25-jährigen Vereinigungsprozesses zu Wort, wie die Speerwurf-Olympiasiegerin von 1992, Silke Lange-Renk, die heute als Vize-Präsidentin des SV Halle tätig ist, die Leiterin des Sportmuseums Leipzig, Dr. Gerlinde Rohr, die ihre Erfahrungen auch als aktive Mitgestalterin des sportlichen Alltagslebens einbrachte und Hansgeorg Kling als aktueller Präsident der Gesellschaft, der sich an die damals im Westen durchaus bestehende Distanz zum DDR-Sport und seinen Strukturen erinnerte, die es ebenfalls schrittweise zu überwinden galt ...
Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Silke Lange-Renk, Hansgeorg Kling, Moderatorin Dr. Petra Tzschoppe, Dr, Gerlind e Rohr. |
"Ohne Geschichtsaufbereitung und -bewahrung ist keine aktive Zukunftsbewältigung möglich! "
Dieses Postulat klang aus allen Beiträgen dieser Veranstaltung heraus. Um so bedeutsamer erschienen dann die mahnenden Schlussworte der Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Unstruttal, Jana Grandi, die dringlichst um Verstärkung der finaziellen Unterstützung bei der Pflege der weltweit einzigartigen Architektur und historischen Bauten und Zeugnisse der Ursprungskultur deutschen Sports in Mitteldeutschlands in Gestalt der Jahngedenkstätten und des Jahnmuseums warb, von deren Qualität sich Alfons Hörmann bei einem Rundgang durch das einzigartige Jahnmuseum im Anschluss tief beeindruckt zeigte.
"Es gibt bestimmt hunderte Weinstädte in der Welt, wie Freyburg im Unstruttal, aber es gibt in der Welt nur eine einzige Jahnstadt!"
Dieser Satz steht bereits mehrfach auf Marketingkonzepten, verbunden mit zahlreichen praktischen Projekten der Umsetzung. Leider liegen diese noch immer in der Schublade und wurden bisher, trotz mehrfacher Versuche, in praxi noch nicht umgesetzt.
Mit Blick auf deutsche Sporteinheit und nicht erst nach 25 weiteren Jahren: Jetzt wäre die Zeit dazu ...!
(c) gymmedia / Eckhard Herholz
** 10./11. Oktober 2015
>> "Zeit mit Höhen und Tiefen" (Saale-Unstrut)
>> Einheit des Sports in der Mitte Deutschlands (DOSB-Presse; Prof. Hans Jürgen Schulke)