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Kenzo Shirai (JPN) |
Nicht nur am Rande des Swiss Cups turnte da mit Kenzo SHIRAI einer der momentan außergewöhnlichsten Turner der Moderne, weil er da etwa nur Rang 5 beim Swisscup-Paarmodus mit seiner Partnerin der Mai Murakamia erreichte:
Das japanische "Schraubenwunder", der mit der Welturaufführung der ersten Vierfach-Schraube der Welt 2013 in Antwerpen Boden-Weltmeister wurde, brachte mit diesem, seinem verwirrenden Qirl, das Publikum im Züricher Hallenstadion erneut in Verzückung, und nicht nur das:
Zu seinen in Summe 20-fachen (!) Längenachsendrehungen in nur einer Übung gehörte auch noch mit dem Dreifach-Tsukahara eine weitere "geschraubte Unmöglichkeit"....
* GYM v i d e o --: Kenzo Shirai (JPN), Boden - WM 2014, Nanning (Vize-Weltmeister)
Außer am Boden diese 4-fach-Schraube trägt auch am Sprungtisch eine Neuerung den Namen "Shirai": ein Rondatsprung mit einer Dreifachschraube in der zweiten Flugphase:
* GYM v i d e o --: Kenzo Shirai (JPN), Sprung - 4. WM 2014, Nanning
Verblüffung erzeugt der erst 18-jährige Ausnahmeathlet vor allem ob der scheinbar mühelosen Leichtigkeit, mit der er diese Hyperschwierigkeiten zu einem kombinatorischen Ganzen fügt! Vor allem aber ist es die akribische, weltberühmte japanische Technikschulung, die den Veredelungsprozess eines solchen Talentes erst zur Wirkung bringt. Bereits als 14-Jähriger sprang er schon die Dreifachschraube, ging zu Hause in Yokohama mit seinem Trainer aber schon die Vierfach-Drehung an. Sein zierlicher, asiatischer Körperbau spricht einerseits für solche koordinativen Höchstschwierigkeiten, aber erst der mit beginnender Pubertät einsetzende Muskelzuwachs fügte die ebenso nötige Dynamik hinzu. Und in dieser sensiblen Entwicklungsphase erst, machen sich die pädagogischen, trainingsmethodischen und psychologischen Qualitäten eines Trainers, bzw. eines Trainingssystems, bemerkbar. Hier entscheidet sich in einem sensiblen und oft langwierigen Prozess, ab man talentierte Jungen zu internationalen Spitzenleistungen bringt oder ob man sie in Mittelmäßigkeit oder manchmal sogar ganz verliert.
Vom "Ultra Shi" zum Wirbelwind
Diesem Prozess der Persönlichkeitsbildung hat das japanische Männerturnen schon seit den frühen Zeiten des "Ultra Shi" ("großer Wind") Anfang der sechziger Jahre, höchste Priorität eingeräumt, als man die Vormachtsstellung der Sowjets schon einmal mit ganzen Serien von Längenachsendrehungen anzugreifen begann. Serien von Superstars vergangener Zeiten, wie Ono, Endo, Kasamatsu, Nakayama oder Tsukahara, Gushiken oder Tomita sind ihr entwachsen. Und stets scheint das japanische Männerturnen nach dem Spruch eines seiner größten Exponenten, des 8-maligen Olympiasiegers Sawao Kato, zu handeln: "Sauber ist schwierig!"
Nicht von Ungefähr also kommen dieser ungewöhnliche Kohei UCHIMURA als fünfmaliger Mehrkampfweltmeister und - direkt in dessen Spur - nun dieser Youngster Kenzo SHIRAI eben aus dieser besonderen "japanischen Qualitäts-Turnschule", die sich nicht einfach nur plakativ mit "asiatischen Genen" erklären lässt, sondern sich durch langfristige und athletisch/technische Nachhaltigkeit und Akribie auszeichnet.
Deshalb sollte man das, was man vielleicht noch vor kurzem als "koordinative Spinnerei" abgetan hätte, durchaus, wenn auch nachdenklich, ernst nehmen: "... ich glaube, dass auch eine Fünffachschraube möglich ist ...!!"
- sagte eben dieser Kenzo Shirai mit seinen 18 Jahren am Rande des Swiss Cups. Wie sollte da ein Trainer widersprechen? Bleibt trotzdem großes Staunen, auch von Bernhard FLUCK, im Amte des Schweizer Nationaltrainers: "Mit seinem Bewegungsgefühl ist er einfach ein einzigartiger Turner oder ...!!?" Wenn dies das feinmotorische Wunderkind Kenzo Shirai selbst prognostiziert, darf man das doch wohl schon ernst nehmen, wenngleich solcherart koordinativer Highlights nur wenigen Überfliegern vorbehalten bleiben und man generell im modernen Kunstturnen nie die damit verbundenen Risiken ausblenden sollte.
(c) gymmedia / -ehe -