Werner Schenk (Potsdam) |
Einst war er einer der profiliertesten und noch immer ist er einer der erfolgreichsten Kunstturntrainer der deutschen Turngeschichte: Der Potdamer Werner SCHENK feiert heute seinen 90. Geburtstag. Im sächsischen Borna als Kind aufgewachsen, wirkte er später über drei Jahrzehnte lang - von den Anfängen Ende der fünfziger bis hin zu den Welterfolgen vieler seiner Schützlinge Ende der 80'er Jahre - als Trainer vieler Turnergeneration bei der damaligen Armeesportvereinigung "Vorwärts" , der als ASK Vorwärts Potsdam zum erfolgreichsten Männerturnklub der Welt avancierte. Vom Olympiadritten (1964; '68) Peter Weber bis zum letzten DDR-Turnweltmeister Jörg 'Little' Behrend (WM 1989, Stuttgart; Sprung-Weltmeister) war Werner Schenk an einer imponierenden Zahl von über 15 Nationalmannschaftsturnern und deren international renommierten Leistungsprofilen beteiligt, wie kaum ein anderer Trainerkollege der DDR.
Geboren in Güntersberg (heutiges Polen), wo Werner als Junge bereits im Verein geturnt hatte, musste die Familie Schenk per Handwagen mit ihren 8 Kindern nach dem II. Weltkrieg flüchten, siedelte sich im Raum Borna, in Sachsen, an. Nach der Ausbildung zum Betriebsschlosser arbeitete Werner im Hochbau und erfuhr Mitte der fünfziger Jahre, dass es bei der damaligen "Kasernierten Volkspolizei" (KVP) gute Bedingungen fürs Turntraining gab, trat dort am 1. Juli 1955 bei und machte seine ersten Turn-Wettkämpfe.
(* ... siehe auch unter ► Drei-Städte Turnen Berlin-Hamburg-Leipzig).
Doch bereits Ende der Fünfziger zwang ihn eine Schulterverletzung zum vorzeitigen Abbruch der eigenen aktiven Karriere und er absolvierte in Berlin, an der Außenstelle der Deutschen Hochschule für Körperkultur Leipzig (DHfK) ein Trainerstudium. Somit war er von den Anfängen an wesentlich mitbeteiligt an Aufbau und Entwicklung des Potsdamer Kunstturnzentrums der späteren Nationalen Volksarmee (NVA), deren Armeesportklub (ASK) besonders gute Bedingungen einer leistungsorientierten Sportausübung bot.
* MITTE: Potsdamer Trainingsgruppe Heinz NEUMANN (links) 1956 u. a. mit Werner SCHENK (rechts);
* Links & rechte: Werner SCHENK, Kreuzhang als Aktiver und später als Trainer ...
Mehr noch: Dieser ASK Potsdam wurde nicht nur zu einem der erfolgreichsten Männerturnklubs der DDR (- und der Welt!), brachte also nicht nur herausragende Sportlerkarrieren hervor, sondern dort versammelten sich zuerst auch die kreativsten Köpfe dieser komplexen Turndisziplin - eben der Bedingungen wegen: Dort wurde auch die damals "modernste Turnhalle Europas" mit stationären Geräten gebaut und eingeweiht, die im Wesentlichen bis 2021 nur noch den traurigen Charme vergangener Zeiten vermittelte und im Jahre 2021 abgerissen wurde. Auch auf den Fortbestand des Leistungszentrums der Turner legten die Brandenburger Zeitenläufe nach den politischen Umbrüchen der Wende keinen gesteigerten Wert.
Aus dieser Potsdamer Turnschule gingen neben Spitzenathleten auch herausragende Trainerpersönlichkeiten hervor, die auch anderenorts als Initialzünder für den Aufstieg der kleinen Turn-DDR zu einem "Leistungsgiganten" im Männerturnen sorgten, die kurz vor dem Ende des politischen Systems bei den Olympischen Spielen in Seoul mit den Sowjets gar um Mannschaftsgold rangen und Teamsilber errangen - und dies v o r Japan, den USA und China!
ASK-Trainingsgruppe Werner Schenk (links außen) in den Sechzigern , mit: Werner Dölling,
Reinhard Plew, Dieter Hotz (2013 verst.), Dieter Leistenring, Günter Beier, Peter Weber,
Gerhard "Fliege" Dietrich ( von links nach rechts).
Neben Werner Schenk starteten ebenfalls in diesem Potsdamer ASK z. B. Peter Weber - selbst Olympiamedaillengwinner - der zwischen 1971 bis 1983 als Auswahltrainer die DDR-Riege zu drei Olympischen Spielen führte oder auch Dieter Hofmann - der letzte DDR-Auswahlcoach, Karl-Heinz Gründer, später langjähriger Frauen-Cheftrainer bei Dynamo Berlin, Lothar Müßig, langjähriger innovativer Nachwuchs-Verbandstrainer der DDR, Heinz Neumann, einer der profiliertesten und international anerkanntesten Methodiker und auch hochangesehener internationaler Kampfrichter oder Lutz Wiedemann, der als langjähriger Frauenturntrainer in Halle tätig war ...!
Trainer Schenk mit Schützling Jörg Hasse, WM-Team-Bronze 1985 |
Trainer Werner Schenks Stärken lagen insbesondere in seiner Art, Jugendliche für außergewöhnliches Leistungsstreben zu motivieren, sie so richtig heiß zu machen. Aus dem Munde des einstigen Vize-Weltmeisters am Reck (1974), Wolfgang Thüne klingt das heute so: "Werner Schenk war einer der wenigen Trainer, der mit uns einen umgänglichen Ton pflegte, der uns motivierend konnte und zu dem man auch Vertrauen entwickelt hatte!"
Der damalige innovative Potsdamer ASK-Cheftrainer Rolf Bauch (⇒ verstorben 2003) entwickelte zeitweilig ein besonderes Trainer-Rotationssystem, bei welchem sich die Athleten selbst den jeweiligen Trainern und ihren Stärken zuwenden konnten. So war Werner Schenk an vielen Potsdamer Leistungskarrieren beteiligt: In den sechziger Jahren an den Olympiaturnern Günther Nachtigall, Peter Weber, Günter Beier, Gerhard Dietrich, in den siebziger Jahren mit Wolfgang Thüne, Wolfgang Klotz, Jürgen Paeke oder Reinhard Rychly, sowie Bernd Jäger. Im Olympiavorfeld Montreal 1976 arbeitete Werner Schenk auch in Berlin beim dortigen Dynamo-Klub und war wesentlich am Karrierestart vom späteren Olympiasieger Roland Brückner und Pferd-Weltmeister Michael Nikolay beteiligt.
Werner Schenk (li.) und Trainerkollege Peter Scholz (nicht im Bild) erhielten 1986 den "Innovationspreis" für die Elemente "Tippelt" und "Reichert-Salto", kreiert von Sven Tippelt (Mitte) und Mario Reichert (rechts) - überreicht von Verbandstrainer Dieter Hofmann (ganz rechts). |
Aus Werner Schenks Händen kam 1983 auch Bernd Jensch, der mit seiner Sprung-Bronzemedaille in Budapest überraschte. Reinhard Rückriem - der spätere Büchner-Trainer - gehörte zu seinen Schützlingen, ebenso wie Holger Behrendt, den Reinhard Rückriem dann zum Olympiasieg 1988 an den Ringen führte.
Auch mit Mario Reichert (heute Monheim) hinterließ Werner Schenk innovative Spuren: Beide kreierten eine Weltneuheit am Barren, einen Salto zwischen den Holmen mit halber Drehung, der seither als "Reichert-Salto" Eingang in die Turnterminologie fand. Seinen Turner Ralf Quast führte er in der höchsten Phase einer gesprungenen Handstanddrehung am Reck zu einem kühnen, attraktiven Flugelement, das die Welt seither als die "Quast-Drehung" bestaunt ...!
Mit dem Ende der DDR trat auch Werner Schenk am 1. 10. 1990 in den Ruhestand, nach über drei Jahrzehnten in der ersten Reihe einer sehr aufwändigen und oft auch aufreibenden Trainertätigkeit.
Der Vater zweier Töchter und Opa dreier Enkel und inzwischen auch eines Urenkels, der nicht nur zu aktiven Trainerzeiten stets viel Wert auf eigene Athletik und aktive Körperpflege legte, sondern bis heute noch regelmäßig aktive und tägliche Fitnessprogramme absolviert.
Bei den aller vier Jahre gepflegten traditionellen Potsdamer ASK-Turnertreffen
... wie > hier zuletzt Anfang September 2024 in der Havelmetropole, war und ist Werner Schenk auch weiterhin regelmäßiger Gast.
(c) gymmedia / Eckhard W. Herholz