08. Januar 2013
BERLIN
Gerätturnen
Bernd Schwiderrek: Ruhestand nach 41 Jahren in derselben Turnhalle
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Bernd Schwiderrek (SC Berlin)
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Er kann es eigentlich selber nicht fassen: "Da habe ich doch tatsächlich mein ganzes Berufsleben, die ganzen 41 Jahre, in ein- und derselben Turnhalle verbracht...!"
Doch nicht nur diese erstaunliche quantitative Bilanz konnte Berlins erfahrenster Nachwuchs-Turntrainer Bernd SCHWIDERREK ziehen, als er Ende des letzten Jahres offiziell in der ausverkauften Sporthalle am Weißenseer Weg zur Weihnachtsturn-Gala ses des SC Berlin verabschiedet wurde.
Der diplomierte Turn-Trainer und Absolvent der ehemaligen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) Leipzig (1971) hat in über vier Jahrzehnten Generationen von Nachwuchsturnern betreut, entwickelt und pädagogisch auf dem Weg des Erwachsenwerdens begleitet, die regelmäßig zur nationalen Spitze ihrer Jahrgänge im Lande gehörten, und das nicht irgendwo, sondern beim sowohl historisch, als auch in jüngsterZeit wenigstens noch im Nachwuchsbereich, männlich, erfolgreichstem Turnklub des Landes.
Berlins Nachwuchs-Experte Bernd Schwiderreck (re.) wird zur Turngala emotinal von seiner Trainingsgruppe in den Ruhestand verabschiedet!
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Der Berliner Turn-Trophäenschrank der Männer, an dem maßgeblich auch Bernd Schwiderreck mitgewirkt hat.
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In wohl keiner anderen komplexen Sportart, wie dem leistungsorientierten Gerätturnen, spielen die individuellen Fähigkeiten und Eignungen sowie die behutsame und gezielte Förderung und Entwicklung von Fertigkeiten eine solch entscheidende Rolle.
Da, wo Bernd Schwiderrek vier Jahrzehnte arbeitete, hier wurden und werden die Grundlagen für spätere Spitzenleistungen gelegt!
Hier sind hohes Wissen und herausragende pädagogische Meisterschaft, verbunden mit wertvollen Charaktereigenschaften erstrangig beim Trainerpersonal selbst gefordert, will man selbige Qualitäten auch bei den anvertrauten Talenten und Schützlingen entwickeln und abverlangen.
Viel zu wenig wird dieser Berufsstand ausreichend gewürdigt und geschätzt und gepflegt!
Eigentlich hatte Bernd Schwiderrek als Kind Wintersport betrieben, stammt er doch aus dem thüringischen Zella-Mehlis, doch in der 9. Klasse in der Kinder- und Jugendsportschule Bad Blankenburg, formten Harry Pipphardt und Altmeister Wolfgang Gipser ihn zu einem recht ordentlichen Leistungsturner.
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Das Logo der Sportvereinigung des Ministeriums des Innern der DDR, 'Dynamo'... heute: SC BERLIN
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Folgerichtig schlug er danach den Weg des Sportstudiums an der DHfK ein (1967-'71), mit Spezialausrichtung Turntrainer.
Und tatsächlich: Im September 1971 startete er exakt in der Turnhalle, in der er eben noch bis Dezember 2012 stand, seine berufliche Karriere!
Da war er zunächst 7 Jahre lang als Sportlehrer an der Kinder- und Jugendsportschule "Werner Seelenbinder" beschaftigt, dann wurde er "umstrukturiert" zum Volksplizisten und gehörte fortan zum "Ministerium des Innern", dessen Klub der "SC Dynamo" Berlin war.
Zu DDR-Zeiten übrigens - sowohl im männlichen wie auch weiblichen Bereich - der erfolgreichste Turnklub der Welt. Selbst in Australien und den USA benannte man Turnzentren nach diesem Vorbild in "Dynamo"-Clubs um....
Schon in seinem zweiten Athleten-Jahrgang, den Bernd Schwiderrek führte, waren solche Turner wie Ulf Hoffmann, der später im 88'er-Olympiateam Silber und bei drei Weltmeisterschaften und Europameisterschaften Bronzemedaillen gewann.
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Bernd Schwiderrek, als junger Trainer beim SC Dynamo, dem späteren SC Berlin
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Auch Andreas Wecker war von 1983 - '87 in der Trainingsgruppe Schwiderrek. Eigentlich sollte der damals 30-jährige junge Trainer ihn in den Meisterbereich hochführen, ... doch dann wurde personell eine andere Lösung gefunden: Andreas Wecker kam zu Trainer Lutz Landgraf ( - der ihn dann bis zu seinem Reck-Olympiasieg 1996 in Atlanta führte).
So blieb Bernd Schwiderrek weiterhin als der Experte in diesem schwierigen Problembereich junger, pubertierender Athleten, die nicht immer einfach über diese Phase zu führen waren, und entwickelte dabei auch in seiner ausgleichenden, väterlichen Art Eigenschaften, die ihn zu einem, auch trainingsmethodisch ausgewiesenen Spezialwissen führten. Gern erinnert man sich noch an den Pauschenpferd-Ästheten Sten Köplin-Fritsche (Deutscher Meister / DDR 1985 + '86), der sich leider kurz vor der WM 1985 (Montreal) verletzte...
Auch das jetzige Mitglied des Turn-Teams Deutschland, Brian Gladow, wurde in seiner jugendlichen Phase von Bernd Schwiderrek geformt.
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Bernd Schwiderreck mit seinem erfolgreichen Altersklassensieger Dario Sissakis bei den Deutschen Jugendmeisterschaften 2012
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So wie kaum ein anderer kennt der Trainerexperte natürlich auch alle Veränderungen des Spitzensports im Lande und beklagt u. a. einen zunehmenden Kompetenzverlust in wichtigen Bereichen:
" Ich habe momentan das Gefühl, dass zwar demokratisch-gewählte, aber zunehmend 'Laien' in wichtigen Funktionen das System bestimmen wollen und es leider auch tun: Darunter leiden die wirklichen Experten und es kommt oft zur Stagnation! Ich halte das für ein Grundübel, nicht nur im Sport!" Auch seine letzten Jahrgänge, die Bernd Schwiderrek führte, gehören zu den besten in Deutschland: So war
Darios Sissakis bester Pflicht-Turner beim letzten
Deutschlandpokal 2012 und stand sechs Mal im Finale, so gewann
Benjamin Breier zuletzt beim renommierten "
Internationalen eG-Wohnen-Cup 2012" in Cottbus den Sprung,
" ... und ein Erfolg als Trainer hat man auch, wenn man Athleten über schwere Zeiten, wie Entwicklungsproblemen, hinweghelfen kann, wie und das mit Lukas Herrmann gelungen ist!"
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Schwiderrek, Sissakis: Abschied zur Turn-Gala
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Letzte Aktion mit seinen Jungs der Trainingsgruppe AK 13/14 war eben noch das Winterlager, nun hat als sein Nachfolger Robert Hirsch, der Sohn des Bundestrainers und ehemals selbst ein exzellenter Juniorenturner, die Trainingsarbeit übernommen. "Ich will keineswegs Vorschusslorbeeren verteilen, aber ich halte Robert Hirsch für einen der best-ausgebildetsten Trainer in Deutschland, da er bisher als trainingswissenschaftlicher Chefdiagnostiker und Auswerter bestens die nationale und internationale Szene kennt, und sich jetzt auch in der Praxisarbeit am Mann weiter entwickeln will. Meine besten Wünsche hat er!"
Ab Januar 2013 ist nun der verdiente Ruhestand für Bernd Schwiderrek da, aber als Kampfrichter bei Meisterschaften wird er weiterhin zur Verfügung stehen und ab und an auch als "Springer", wenn Not am Mann ist auch noch in der Trainingshalle seines SC Berlin, deren Luft er vier Jahrzehnte lang geatmet hat.
(C) gymmedia / - ehe -