Das deutsche Turnen hat besonders in Mitteldeutschland starke historische Wurzeln!
So blickte gestern in einer Festsitzung der "Männerturnverein "Vater Jahn e.V." in Zeitz (Sachsen-Anhalt) auf sein 150-jähriges Bestehen zurück.
In den Zeitenläufen waren in der Mitte des 19. Jahrhunderts 14 ehemalige Zeitzer Gymnasiasten die Vereinsgründer, nachdem zuvor 1845 der Turnunterricht an Preussens höheren Schulen eingeführt wurde ...
Wiedersehen einer Riege von Turnerinnen aus den 50-er Jahren um Renate Pisniak (3.v.re.)
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150 Jahre Männerturnverein "Vater Jahn", Zeitz * gegründet am 29. August 1859
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Zum Zeitzer Gründungstermin 1859 gab es bereits die Turnplätze in Schnepfenthal (Thüringen) und Berlin (1811, Hasenheide) bereits geraume Zeit nutzten insbesondere die Schüler des Gymnasiums den seit 1845 existierenden, eigenen Turnplatz im Tiergarten.
Dort gab es schon 1846 das 1. Zeitzer Turnfest, lange bevor dann ehemalige Schüler den o. g. Grundungsakt zur Vereinsbildung vollzogen.
Nachdem sich 1868 die zwei größten Stadtvereine zum MTV "Vater Jahn" vereinigt hatten, zählte allein die sich zum Industriezentrum der Region entwickelnde Stadt Zeitz zur Jahrhundertwende um 1900 über 1.000 Mitglieder und längst waren auch Frauen und Mädchenabteilungen gegründet worden...
... so dass die Einweihung der komfortablen Jahnhalle 1903 ein folgerichtiger Schritt war, und das Vereinsleben weiter verstärkte. |
Über 10 verschiedene Sportarten bot der MTV schon damals an und es gab ein reges Vereinsleben, und das neben und in Konkurrenz zur - dem Arbeiterturn-und-Sportbund (ATSB) zugehörigen - "Freien Turnerschaft", die durch geschickte die Aufnahme auch der Ballsportarten weitere fast 700 Mitglieder zählte.
Trotz der den Nazis in den dreißiger Jahren mehr als zugewandten Deutschen Turnerschaft (DT) wehrten sich die MTV-Mitglieder ziemlich erfolgreich gegen allzu heftige Zugriffe der Hitlerjugend und hielten - wenn auch sehr eingeschränkt - den Sport- und Wettkampfbetrieb selbst in den ersten Kriegsjahren aufrecht.
Fritz HEROLD (83) mit seiner Gattin, gestern bei der Festsitzung |
Nach Ende des II. Weltkrieges gab es wegen der Nähe der DT zum Nazisystem zunächst ein allgemeines Turnverbot durch die sowjetische Besatzungsmacht.
Nach Gründung der DDR (1949) waren es erneut ehemalige MTV-Mitglieder, die 1950 unter der Trägerschaft von volkseigenen Betrieben sogenannte "Betriebssportgemeinschaften (BSG) gründeten.
Die "BSG Turbine Zeitz" entstand und hatte kurz danach bereits wieder fast 300 Mitglieder.
Zu den Gründern gehörte damals auch der heute 83-jährige Fritz Herold, der später - ebenso wie Trainer Rolke im Frauenbereich - Generationen von Schülern für das Gerätturnen begeisterte.
Fotos als Erinnerungen an alte Zeiten standen gestern hoch im Kurs |
Die Zeitzer Frauenriege, u. a. mit Bärbel Mitte-Schirmer, Helga Schwandner-Mönicke, Inge Trapp-Böttcher und Renate-Pisniak-Gehrhardt gehörte in den Fünfzigern zu den leistungsstärksten der Region und war bei vielen Landes-, regional- und den zentralen Turn- und Sportfesten präsent.
Aus den Aktiven dieser ersten Jahre rekrutierten sich auch die späteren Verantwortungsträger des Vereins und der Trainingsarbeit vor Ort.
Insbesondere Vater Höfer und der vor wenigen Jahren viel zu früh verstorbene Sohn Bernd im Männerbereich sowie einer der ersten Leistungsturner früherer Jahre, Gerhardt Schleich, mit seinen Kolleginnen Renate Pisniak und Roswitha Ehlert ,verstanden es, die Einheit von breitensportlichem Profil und leistungsbezogener Talententwicklung in den damaligen Zeitzer Trainingszentren zu entwickeln, die zu den besten Stützpunkten des damaligen Bezirkes Halle gehörten
So kam Ende der sechziger Jahre Ricarda Schmeißer aus Zeitz zum damaligen Spitzenklub SC Chemie Halle und gewann in München 1972 die olympische Silbermedaille mit der Riege der DDR, war 1975 Deutsche Mehrkampfmeisterin und 2x Titelträgerin am Stufenbarren.
Auch das Zeitzer Eigengewächs Heiko Neugebauer schaffte den Sprung in die nationale Spitze, gehörte nach der Wende der deutschen Nationalmannschaft und dem Erst-Bundesliga-Team des SV Halle an:
Und auch derzeit schickt sich mit Max Krieg (SV Halle) ein ehemaliger Zeitzer an, in den Kader des Turn-Teams Deutschland aufgenommen zu werden: Er wurde 2009 Sechster der Deutschen Junioren-Meisterschaften im Mehrkampf in Frankfurt, Deutscher Juniorenmeister am Pferd und gewann Bronze am Barren.
Der 'Macher' Udo ANDERS im Gespräch mit Gudrun Bartsch von der Stadtverwaltung |
Meister des Spagats zwischen den breitensportlichen Vielfalt den leistungssportlichen Ambitionen der Talentsuche und -förderung sowie den weiteren Abteilungen des MTV ist Udo Anders.
Selbst ein ehemaliges Turn-Talent des damaligen Trainingszentrums, hat der MTV-Chef von der Pike auf alles gelernt und setzt seit Jahren die Traditionslinien der Höfers, Schleichs, Ehlerts, Pisniaks .... fort und lässt sich überraschend viel einfallen, wie trotz der schwierigen infrastrukturellen Lage der Region (- eine der höchsten Arbeitslosenquote in Deutschland) mit viel Geschick und in kluger Kooperation mit dem Kreissportbund und der Zeitzer Kommune der Verein bestehen kann.
Denn neben Turnen für die Jüngsten oder Senioren gibt es seit fast 3 Jahrzehnten auch die beliebten und kreativen "Zeitzer Tanzgirls",
zwei sehr aktive Frauengymnastikgruppen, es gibt die landesbesten Basketballer und zwei agile Volleyballgruppen.
Und wenn in der kommenden Vorweihnachtszeit der Leipziger Turn-Olympiasieger Klaus Köste die nunmehr "3. Zeitzer Turn-Gala 2009" (* ... siehe >> "2. Zeitzer Turngala 2008") als Gast-Moderator begleiten wird, wird man dem Zeitzer Männerturnverein "Vater Jahn", dem übrigens inzwischen viel mehr Frauen angehören, seine 150 Jahre absolut nicht ansehen!
* E. Herholz, GYMmedia INTERNATIONAL
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* P R E S S E:
* Mitteldeutsche Zeitung (MZ) (02-Sep-2009):
>> Herholz nimmt Sportler und Gäste mit auf eine Zeitreise