27. November 2004
Stuttgart / GER
Gerätturnen
DTB-Pokal Stuttgart: Fahrig 2. im Sprungfinale, 2 Siege für die Niederlande
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Matthias Fahrig (GER) - 2. Platz im Sprung-Finale
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Zwei rumänische, zwei niederländische und ein russischer Sieg – so die Bilanz des ersten Finaltages des 22. Internationalen DTB-Pokals in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle. Aus deutsche Sicht überaus erfreulich ist der zweite Platz von Matthias Fahrig am Sprung, der im Winners Final knapp gegen den Rumänen Razvan Selariu verlor.
Am Pauschenpferd gewann Altmeister Marius Urzica, an den Ringen Yuri van Gelder aus den Niederlanden. Dessen Team-Gefährtin Suzanne Harmes holte sich den Erfolg im Bodenfinale und die Russin Ludmilla Ezhova war die Beste des Finals am Stufenbarren.
Gute Stimmung in der Schleyer-Halle
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Fabian Hambüchen umringt von seinen Fans
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Stuttgart, 1. Finaltag
Bereits bevor die Wettkämpfe des ersten Finaltages beim Internationalen DTB-Pokal in Stuttgart begannen, stand Deutschlands junger Star-Turner Fabian Hambüchen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Zwar „nur“ für die Medienvertreter der gut besuchten Pressekonferenz, denn in den heutigen Finals geht er nicht an die Geräte (dafür am Sonntag gleich dreimal). Fabian, gut gelaunt, gelassen und an den Medienrummel mittlerweile gewöhnt, rechnet sich nach dem heutigen morgendlichen sehr guten Training durchaus Chancen auf den Sieg am Reck aus. Heute hingegen unterstützte er moralisch seine Mannschaftskameraden – und die gingen mit guten Chancen in die Wettkämpfe. Vor allem Matthias Fahrig sah sich in der für ihn ungewohnten Favoritenrolle, nachdem er die Qualifikation am Sprung gewonnen hatte.
Die wieder gewachsene Popularität des Turnens in Deutschland kann man auch am Besuch der Halle festmachen; wiewohl der DTB-Pokal auch früher nicht schlecht besucht war, turnten die Weltbesten heute vor ausverkauftem Haus. Und auch die das umfangreiche Rahmenprogramm wurde vielfach und begeistert angenommen. Für viele war der Nachmittag ein Familienausflug in Sachen Turnen – nicht die schlechteste Art, die Sportart (wieder) zu entdecken.
Die Wettkämpfe selbst sind durch das 6er-Starterfeld noch attraktiver geworden – und wenn der Stuttgarter Besetzung in diesem Jahr aufgrund des nacholympischen Zeitpunkts auch einige große Namen fehlten, so waren die gezeigten Leistungen überzeugend und eines Weltcup-Turniers würdig.
Zu Beginn zeichnete LEON*-Chefredakteur Andreas Götze die Turnerin und den Turner des Jahres 2004 aus, ermittelt von einer Jury aus Fachjournliasten. Es sind Lisa Brüggemann (Köln) und Fabian Hambüchen (Niedergirmes).
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Matthias Fahrig im Anflug zu einem guten ÜS- Doppelsalto vw.
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Turner, Finale Sprung
Yernar Yerimbetov KAZ – 9,375
der Sprungspezialist im 1. Sprung einen Schritt im Stand, 2: ÜS Salto vw. gebückt – wieder muss er leicht den Stand korrigieren;
Takuya Nakase JPN – 9,100
Salto vw. gestreckt mit eineinhalb Schrauben – in den sicheren Stand; 2.: Jurtschenko gestreckt – er landet im Sitz;
Razvan Selariu ROM – 9,443
Tsukahara gestreckt mit zweieinhalb Schrauben – er muss den Stand leicht korrigieren; 2.: ÜS-Salto vw. gestreckt mit zweieinhalb Schrauben – der Sprung ist schwer zu stehen, und er muss aufgreifen...
Leszek Blanik POL – 9,349
der Sprungspezialist schlechthin mit einem 10er Sprung – seinem „Blanik“, doch er landet den Vorwärtssprung im Sitz; 2.: ÜS – Doppelsalto gehockt; auch nicht sicher gestanden; das wird wohl mit dem Winners Final nichts werden...
Matthias Fahrig GER – 9,537
Kasamatsu gestreckt mit eineinhalbfacher Schraube – die ganze Halle ruft “Steh!“ , und es gelingt ihm – fast; einen kleinen Schritt muss er zugeben; 2.: Doppelsalto vw. gehockt – er steht wie festgenagelt! Die Halle jubelt mit Matthias und freut sich über die Führung des Hallensers;
Martin Konecny CZE – 9,368
1. Sprung sicher, 2.: ÜS Salto gestreckt mit Doppelschraube – großer Schritt;
Damit stehen Selariu und Fahrig im Winners Final.
Selariu: 9,618
1. Sprung – kleiner Schritt; 2.: Ganz kleine Korrektur, sehr guter Sprung;
Fahrig: 9,543
1. Sprung gut, kleine Schrittkorrektur; 2.: Er steht diesen schwierigen Doppelsalto vorwärts wieder! Und ist der Held der Zuschauer...
Aber es gewinnt der Rumäne – macht nichts, es ist ein toller Erfolg für Matthias; er hat ja mit seinen 18 Jahren die ganze Sprung-Zukunft noch vor sich.
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Jana Sikulova mit starker Leistung
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Turnerinnen, Finale Stufenbarren
Laura van Leeuwen NED – 8,875
Flüssig und leicht geturnte Übung ohne spektakuläre Highlights, sie muss beim Salto-Abgang in den Sitz;
Heike Gunne GER – 7,950
sie geht als zweite der Qualifikation ans Gerät, beginnt mit Verve, gerät beim Gienger-Salto beängstigend nah an den oberen Holm und kommt aus dem Tritt; steht den Tsukahara-Abgang dennoch einigermaßen;
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Boden-Spezialistin dos Santos (BRA) mit guter Leistung auch am Stufenbarren
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Daiane dos Santos BRA – 9,200
die Boden-Weltmeisterin zeigt sich auch am Stufenbarren in erstaunlicher Form, turnt Tkatschew und Gienger blitzsauber, muss lediglich beim Doppelsalto-Abgang einen Schritt tun;
Ludmilla Ezhova RUS – 9,287
starke Übung der kleinen Turnerin, 2 Flugelemente, ein spektakulärer Holmenwechsel (mit halber Drehung), und ein sicherer Doppelsalto mit halber Drehung als Abgang; sie geht in Führung;
Lisa Brüggemann GER – 9,137
sicher und flüssig turnt die Kölnerin ihre Übung mit Jäger-Salto und Tsukahara-Abgang in den sicheren Stand – eine klasse Vorstellung!
Jana Sikulova CZE – 9,362
die zierliche Tschechin turnt leicht wie eine Feder, technisch gut, mit Gienger-Salto und dem schwierigen Doppelsalto vorwärts – in den sicheren Stand; das bedeutet Winners Final!
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Ludmilla Ezhova - kleiner als die Konkurrentin, aber heute die Größte im Stufenbarren-Finale
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Im Winners Final stehen Ezhova und Sikulova
Ezhova: 9,437
Super Übung, beim Abgang ein kleiner Schritt;
Sikulova: 9,412
Gut gestanden, aber von der technischen Perfektion ist in diesem Durchgang Ezhova eindeutig besser.
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Marius Urzica in Perfektion
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Turner, Finale Pauschenpferd
Kristian Berki HUN – 9,712
der groß gewachsene Turner wirkt elegant, turnt ohne große Highlights mit sicherem Handstand-Abgang;
Ioan Silviu Suciu ROM - 9,725
Klasse Technik, perfektes Wandern über die Pauschen, gleichmäßig wie ein Uhrwerk turnt er;
Du, Wie CHN – 9,675
die Gesetze der Physik scheinen für den kleinen Chinesen nicht zu gelten – scheinbar schwerelos „dreht“ er mit unglaublichem Tempo über die Pauschen – muss aber einen Fehler beim Abgang in Kauf nehmen;
Marius Urzica ROM – 9,837
der König des Pauschenpferds, sagt der Hallensprecher, und König Marius beweist, dass er recht hat – wiedermal eine Vorstellung des Rumänen, die den Zuschauern den Atem nimmt...
Alexander Artemev USA – 9,525
Sein Vater und Trainer war selbst einer der weltbesten Turner – und auch der Sohn macht seine Sache gut, mit einer spektakulären Übung, die zuweilen technische Sauberkeit vermissen lässt, dennoch sieht man den ausgezeichneten Pauschenpferd-Turner durch;
Thomas Andergassen GER – 9,662
Nach dem gestrigen Doppelabstieg geht der Lokalmatador heute etwas vorsichtig zu Werke, kommt gut durch und steht auch den Handstand-Abgang;
Günther Couckhuyt BEL – 9,562
Der Belgier mit einer klassischen, unspektakulären Übung und Problemen beim Abgang.
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Siegerehrung mit Suciu und Urzica
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Im Winners Final die beiden Rumänen
Suciu und Urzica
Suciu: 9,687
Gut und sicher
Urzica 9,825
Spektakulär uns sicher...
Der König gewinnt das innerrumänische Duell – und Suciu macht sich aus Respekt durch ein Kniebeuge ein bißchen kleiner...
Turnerinnen, Finale Boden
Suzanne Harmes NED – 9,412
Sie wirkt ein wenig gebremst, hat auch technische Nachlässigkeiten; insgesamt ein solider, fehlerfreier, sportlich geprägter Vortrag;
Elena Zamolodchikova RUS – 9,062
Das ist mal eine durchgestylte Übung, purer Rhythmus, auf die erfahrene Elena zugeschnitten, die trotz dreier Sprungreihen plus dem gebückten Doppelsalto zum Schluss einige Nettigkeiten an Schrittkombinationen und gymnastischen Elementen eingebaut hat; allerdings zeigt sie heute die großen Schwierigkeiten nicht;
Lais Souza BRA – 8,362
Ein großes Talent ist die 15jährige zweifellos, noch etwas unfertig in der Präsentation, auch stürzt sie beim Doppelsalto – aber da wächst eine neue brasilianische Hoffnung heran;
Daria Bijak GER – 8,675
Eine kraftvolle Turnerin mit Power war sie schon immer – die turnt eine sehr schöne erste Reihe mit Vorwärtssalti, aber dann geht ein bißchen die Luft raus; es fehlen die Schwierigkeiten und auch einiges in der technischen Ausführung;
Alexandra Eremia ROM – 9,275
Rumänisches Bodenturnen vom Feinsten – sie ist ja auch schon Olympiasiegerin mit der Mannschaft und besticht durch klasse Technik;
Daiane dos Santos BRA – 9,175
Die Boden-Queen präsentiert ein Feuerwerk, fällt zwar ab und zu aus der Drehung und strauchelt ein wenig nach der Dreifach-Schraube – aber was für ein mitreißender Vortrag, und welches Temperament! Dennoch überraschend, dass die Weltmeisterin nicht im Winners Final steht!
Im Winners Final stehen Harmes und Eremia
Harmes: 9,462
Jetzt geht sie mehr aus sich heraus, hat einige kleine Fehler, die Schwierigkeiten, wie der gebückte Tsukahara, kommen aber gut;
Eremia – 8,850
Sie hat heute das gehaltvollste Programm gezeigt – und das nahezu fehlerfrei. Das Publikum – und wir – sind ein wenig ratlos ob der Wertung...?
Turner, Finale Ringe
Matteo Morandi ITA – 9,675
Der Italiener mit ruhigen Krafthalten und einem Doppelsalto gestreckt Abgang in den sicheren Stand;
Takuya Nakase JPN – 9,442
Er hat einige Probleme beim Hochdrücken aus dem Kopfkreuz und muss beim Doppelsalto-Abgang ein wenig korrigieren;
Eriks Revelinsh LAT – 9,475
Der Qualifikations-Zweite beginnt mit Krafthalten, für die er Szenenapplaus bekommt; technisch ausgezeichnet, auch der gestreckte Doppelsalto zum Abgang kommt in den sicheren Stand;
Yuri van Gelder, NED – 9,762
Sicherer Vortrag, schwierig und ausgeturnt, bis auf den Abgang, den er eine Weile lang versucht, in den Stand zu bekommen;
Levente Fekete HUN – 9,487
Er beginnt ausgezeichnet, bekommt jedoch im zweiten Teil seiner Übung die Schaukelringe nicht zur Ruhe und verpatzt auch den Doppelsalto gebückt zum Abgang;
Dmitri Savitski BLR – 9,525
Der letzte Turner des ersten Finaltages mit einem dynamischen Vortrag und lupenreinen gestreckten Doppelsalto zum Abgang.
Im Winners Final stehen Morandi und van Gelder.
Morandi – 9,675
Wieder ruhig und konzentriert, aber der Abgang kommt nicht ganz sicher;
van Gelder – 9,812
Perfekt!
Der Abschluss des ersten Finaltages bot einen Ausblick auf ein kommendes Highlight der Superklasse: Die Kunstturn-Weltmeisterschaften 2007 in Stuttgart. Das „ WM-Team 2007“ mit Magdalena Brzeska bot eine kurzweilige, anregende Show zur Werbung für das Event in Stuttgart. Turnerinnen und Turner, Trampolinturner und Gymnastinnen, unter ihnen die Deutsche Meisterin Lisa Ingildeeva, in einer gemeinsamen Choreographie – eine gute Idee, die ansprechend umgesetzt wurde.
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Bundestrainer Andreas Hirsch
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Stimmen:
Matthias Fahrig zu seinem 2. Platz:
Gibt mir viel fürs Training dieser Erfolg, denn bis hierher konnte ich meine Sprungleistungen im Wettkampf weder bei den EM, noch bei den Olympischen spielen unter Beweis stellen. Hier ist mir zum ersten Mal gelungen, meine Trainingsleistungen am Sprung zu bestätigen. Natürlich habe ich den Sieg angestrebt, als ich einmal im Winners Final stand – es hat noch nicht sollen sein, aber es ist okay, und ich freue mich sehr über diesen 2. Platz.
Cheftrainer Andreas Hirsch über den Umstand, dass nun neben Fabian Hambüchen noch ein anderer Turner im Rampenlicht steht: Ich sehe das auch als eine gewisse Entlastung für Fabian, um gelöster in die Wettkämpfe gehen zu können. Vor allem aber haben wir nun wieder einen Turner mehr, der sich in die Spitze geturnt hat. Und insofern freue ich mich sehr über diese Spirale: Dass das Turnen wieder mehr Beachtung findet, und dass wir international wieder mit dabei sind.
aus Stuttgart: Sonja Schmeißer
Fotos: Torsten Hauptvogel
Redaktion: Lisa Worthmann