DER SPORT:-- Wie beurteilen Sie die aktuelle Öffentlichkeitsarbeit im Turnen? Ewald --Turner haben ein Problem: Sie sehen sich immer im Zentrum der Aufmerksamkeit und merken oftmals gar nicht, dass sie schon längst am Rande sind. Die Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Turner-Bundes ist einfach unprofessionell. Der Begriff des Marketing wird oft völlig falsch verstanden. Um dauerhaft mehr Zuschauer bei den Veranstaltungen zu bekommen und wieder besser wahrgenommen zu werden, muss die Gesamtvermarktung und hier vor allem die Darstellung in den Medien viel besser werden.
DER SPORT:-- Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit das Turnen wieder attraktiv für Zuschauer und Medien wird? Ewald --Viel könnte man über die Liga-Wettkämpfe erreichen. Aufgabe und Hauptziel des Ligaturnens muss sein, das öffentliche Interesse am Leistungsturnen zu steigern. Existenziell ist deshalb die mediengerechte Aufbereitung des Wettkampfsystems. Es hieße, wesentliche Komponenten der dem Turnen innewohnenden Spannung zu verschenken, wenn man die Attraktion des Turnens nur auf die Bewältigung schwieriger Übungskombinationen reduziert. Die Ermittlung des Mannschaftssiegers, was ja durch die Liga geschieht, muss auch für unbedarfte Zuschauer durchschaubar und jederzeit (!) spannend sein.
DER SPORT:-- Aus diesem Grund haben Sie das sogenannte „Score System“ entwickelt, ein neues Reglement für die Bundesliga. Gibt es schon Erfahrungen mit dem neuen System? Ewald --Ja, die Deutsche Turnliga DTL hat Ende März am Rande des Weltcups in Cottbus einen Testwettkampf mit dem neuen Wertungssystem durchgeführt (> siehe
GYMmedia-Meldung vom 25. März d.J.). Daraufhin stimmte die DTL-Mitgliederversammlung mit überzeugender Mehrheit der Einführung des Score-Systems ab diesem Herbst zu. Man verspricht sich davon ein Mehr an Spannung für die Zuschauer und attraktivere Veranstaltungen für die Medien. Bei den Turnexperten findet das neue System allerdings nicht ungeteilte Zustimmung.
DER SPORT:-- Sehen Sie neben der Bundesliga auch Möglichkeiten, das Einzelturnen interessanter zu gestalten? Ewald --Durchaus. Die Trennung von der 10 als Höchstpunktzahl wäre solch ein Weg. Derzeit packen sich die Turner mit einem Optimalaufwand die Übungen voll, damit sie den maximalen Ausgangswert von 10 Punkten erreichen. Damit sehen alle Übungen ähnlich aus, entscheidend für eine Differenzierung in der Wertung sind lediglich Minimalabweichungen bei Haltung und Stand nach der Landung. Es gibt aber schon jetzt viele Turner unter den Spitzenleuten, die einen höheren Ausgangwert als 10 anbieten oder anbieten könnten und die damit auch Noten jenseits der 10 zu erreichen in der Lage sind. Damit würden die Übungen interessanter werden, man könnte unter den Spitzenleuten besser differenzieren und medienwirksam sogar mit Welt-, Europa- oder Landesrekorden operieren.
DER SPORT:-- Was gedenken Sie speziell für die Verbesserung der Popularität der Kunstturnvereinigung EnBW Stuttgart zu tun? Ewald --Nach einer eingehenden Analyse versuchen wir nun mit verschiedenen Mitteln, den Bekanntheitsgrad der Kunstturnvereinigung EnBW Stuttgart auszubauen. Dazu gehören eine neue Imagebroschüre, ein attraktiver Internetauftritt mit einer Linkpartnerschaft mit dem größten europäischen Turn-Internetportal GYMmedia – www.GYMmedia.com – sowie verschiedene Aktionen, die unseren Bundesligaverein ins Gespräch bringen. Beispielsweise der Informations- und Werbetag, den wir unlängst durchführten (>> siehe
GYMmedia-Meldung vom 24. Juni d.J.). Einen Erlebnisnachmittag für Frauen in Führungspositionen, zu dem wir unter anderen Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck, die Stuttgarter Bürgermeisterin Dr. Iris Jana Magdowski und DTB-Präsident Rainer Brechtken ins Kunst-Turn-Forum eingeladen hatten. Durch solche Veranstaltungen werden auch Personen angesprochen, die das Turnen vorher nicht kannten und man hat die Möglichkeit, neue Partner zu gewinnen.
Interview: Yvonne Jung/DER SPORT