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Nemow
zur GYM Gala 2000
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Die russischen Olympiasieger Jelena Zamolodschikowa, Alexej Nemow, Swetlana Chorkina und andere katapultierten sich über die neuartige Stützfläche, die im Turnsport einer kleinen innovativen Revolution gleichkommt. Der Weltranglisten-Erste Nemow meint, "dass man wohl zur Umstellung maximal drei Monate braucht, um die Vorzüge des Gerätes voll zu nutzen."
Der Internationale Turnverband FIG hatte nach langjährigen Überlegungen beschlossen, das alte Sprungpferd in den Stall zu stellen und lässt ab 1. Januar 2001 und erstmals zu den Welttitelkämpfen im Oktober in Gent (Belgien) den Sprungtisch zu, der gleichermaßen, da höhenverstellbar, für Männer (1,35 m hoch) und Frauen (1,20 m) gilt. Der Grund für diese Veränderung nach fast 200-jährigem Gebrauch liegt in der Geschichte begründet. |
Schon Alexander der Große und seine Makedonier sollen an einem
Holzross das Auf- und Absitzen geübt haben. Im 4. Jahrhundert nach Christus schilderte ein gewisser
Vegetius in einem "Abriss des Römischen Heerwesens" das Üben der römischen
Soldaten an hölzernen Pferden.
Zu Turnvater Jahns Zeiten Anfang des 19. Jahrhunderts kannte man auf der Berliner Hasenheide drei verschiedene Pferde: Ein recht naturnahes mit Kopf und Schwanz, ein lederüberzogenes ohne Schweif und aufstegendem Hals und den hölzernen Schwingel, womit der Fremdworthasser Jahn das "Voltigieren" eingedeutscht hatte. Daraus entwickelte sich das heute bekannte olympische Pauschenpferd, und die als Pauschen bezeichneten Stützbügel sind die ehemaligen Sattelwülste. |
Turnpferd 1811
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Jahrzehntelang kannte man kein eigenes Sprungpferd, vielmehr wurde das
"Seitpferd" einfach längs gestellt, die Pauschen wurden abgeschraubt und Holzstäbe mit einem Knauf in die zwei Löcher gesteckt, um Fingerverletzungen beim Stützen zu vermeiden.
Der Berliner Olympiasieger
Carl Schuhmann 1896 in Athen
(re oben: Briefmarkenmotiv der Deutschen
Bundespost 1996)
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Über solch ein Gerät flog auch bereits der erfolgreichste deutsche Olympiateilnehmer 1896 in Athen, der Berliner
Carl Schuhmann, zum Olympiasieg ... Und seither stand dieses nie für Sprünge erdachte oder konstruierte Gerät über ein
Jahrhundert lang den Turnern als ein gefährlicher, zugespitzter Bolzen in ihrer mehr als 20 Meter langen Anlaufbahn im Wege.
Gefährliche Stürze und Kollisionen kennt die Turngeschichte, und als es 1991 im Vorfeld der
Weltmeisterschaft in Indianapolis mal wieder zu einer schweren Verletzung des späteren amerikanischen Reck-Olympiasiegers von Barcelona, Trent Dimas,
kam, forderte der Internationale Turnverband durch seinen Vize-Präsidenten
Rudolf Fischer (Brasilien) zur Konzipierung eines für Männer und Frauen gleichen und
geeigneteren Sprunggerätes auf. |
Ein Grund war, dass bei den Männern der nur 35 Zentimeter breite Pferderücken für die
Anatomie der männlichen Schulter viel zu schmal ist. Da entwarf der österreichische
Bildhauer, Künstler und Turntrainer Helmut Hödlmoser aus Wien (der "Hundertwasser
des Turnsports") eine hölzerne Modellvorlage, nach der der deutsche Turngeräte-Produzent
SPIETH (Esslingen) seinen Ergojet kreierte und bereits am Rande der Turn-Weltmeisterschaft 1997 in Lausanne vorstellte.
Bereits seit 1983 hatte der damalige DDR-Cheftrainer Dieter
Hoffmann in Vorträgen und Artikeln auf die ungeeignete Form und Gefährlichkeit des Männer-Sprungpferdes hingewiesen, die nach Einführung der Rondatsprünge (Radwende vor dem Gerät) noch offensichtlicher wurde. Hofmann hat dann als fachlicher Berater der Firma Janssen & Fritsen die Pegases-Variante mitentwickelt, deren Name in Anlehnung an das geflügelte Pferd der griechischen Mythologie den Sprung ins neue Millennium symbolisieren soll.
Derzeit versuchen mehrere Hersteller, ihre Versionen auf den Markt zu bringen und in einem Freiburger Institut bestätigen zu lassen, wo alle Varianten auf Einhaltung der FIG-Normen überprüft werden. Welcher der neuen Sprungtische sich als WM-Gerät nun tatsächlich durchsetzt, soll im Januar 2001 entschieden werden. |
D.Hoffmann zwischen Sven Tippelt
und Sylvio Kroll (1988)
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Bis der Markt für dieses Gerät jedoch gesättigt sein wird, darf in einer Übergangszeit
auch weiterhin über den alten Gaul gesprungen werden. Ob Ergojet, Pegases oder eine
andere Variante: Die Stars fliegen zu ihrem nächsten Welt-Highlight in jedem Falle über
ein neues Gerät ins nächste Turn-Jahrtausend. (Eckhard Herholz /
Der Tagesspiegel vom 24.12.2000)
(Hervorhebungen und Fotos: GYMmedia Berlin)
Anmerkung:
Am 26.Januar 2001 teilte die FIG den Geräteherstellern
"Janssen&Fritsen"/ Holland ("Pegases") und
SPIETH"/ Deutschland ("Ergojet") offiziell die Zulassung
gemäss FIG-Normen als Wettkampfgeräte mit. Beim Biomechanischen
Institut der Universität Freiburg hatten bislang 4 Gerätehersteller
insgesamt 6 Sprungtischvarianten eingereicht - 2 erhielten bislang das
begehrte FIG-Diplom)
Von
der FIG bestätigte
Sprungtischvarianten: |
"PEGASES"
(Janssen&Fritsen, NED)
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"ERGOJET"
(Spieth, GER) |
.. weitere Varianten:
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