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update:09-Mar-01

Verdrängung durch die Orgelpfeifen-Riege

- Um den Turn-Kader zu verjüngen, stellt Eduard Friedrich Höchstanforderungen an die Routiniers -

- von Barbara Klimke

BERLIN, 9. März. Kürzlich hat Kunstturn-Cheftrainer Rainer Hanschke 22 Namen auf ein Blatt Papier geschrieben. "Das sind diejenigen, mit denen ich planen kann", sagte Hanschke. 24 Jahre ist der Älteste, 14 der Jüngste: Die Verantwortlichen im Deutschen Turner-Bund (DTB) haben für diese Orgelpfeifen-Riege die Bezeichnung "Athen-Kader" erfunden. (- siehe auch Bericht vom Kienbaumlehrgang Februar: ...neue Gesichter im Jahr 1 nach Sydney")
Bis zu Olympia 2004 in Athen vergehen noch ein paar Sommer. Die Zukunft aber hat im DTB schon begonnen, und zwar gnadenlos.


Friedrich

 "Verjüngung", heißt die Parole des neuen DTB-Vizepräsidenten Eduard Friedrich
Schon bei der Weltmeisterschaft im Oktober in Gent soll kein Athlet mehr an die Geräte gehen, der nicht bis 2004 weiter um die Holme schwingen wird. Für die drei Olympiasieger im DTB, Andreas Wecker (31 Jahre), Waleri Belenki (31) und Sergej Charkow (30), bedeutet dies, dass sie ihre Bemühungen einstellen könnten. Für Marius Toba (33), den Einzigen, der in Sydney ein Gerätefinale erreichte, sind die Perspektiven kaum besser. "Keiner von denen wird in der Lage sein, noch in Athen zu turnen", sagte Friedrich: "Aber alle sind in der Lage, die Entwicklung zu bremsen."

Laut Hanschke gibt es keine Alternative zum Verzicht auf die Routiniers. Die WM im Oktober, für die eine neue Wertungsvorschrift gilt, soll den jungen Athleten Gelegenheit bieten, erstmals den Preisrichtern vorzuturnen. Aus dem Athen-Kader haben nur vier Männer Erfahrung bei großen Wettkämpfen gesammelt: Dimitri Nonin (21) vom SC Berlin, der sich demnächst an der Schulter operieren lassen muss, Sven Kwiatkowski (24, Chemnitz), Sergej Pfeifer (24, Hannover) und Rene Tschernitschek (23, Halle).

Die Namen Wecker, Belenki, Charkow oder Toba tauchen in der Planung nicht mehr auf. Zwar sagte DTB-Generalsekretär Hans-Peter Wullenweber beschwichtigend: "Es geht nicht darum, die Alten rauszuschmeißen." Doch die Absichten von Friedrich, seit November im DTB für Spitzensport zuständig, sind unmissverständlich: Falls die "Champions" glaubten, sie könnten "bei der WM 2001 einen Abgang mit Glanz und Gloria" feiern, werde er das verhindern. "Wir danken ihnen für das, was sie in der Vergangenheit für uns geleistet haben", sagte Friedrich, "aber darüber geht meine Sentimentalität nicht hinaus."

Friedrich, der ehemalige Cheftrainer und Sportdirektor, sieht sich als Mann des Neuanfangs nach Sydney. Dort hatte die DTB-Mannschaft Platz 10 belegt. Den betroffenen Athleten aber fehlt vermutlich der Sinn für die brüske Zurückweisung. Wecker verletzte sich in Sydney derart schwer an der Schulter, dass an Training noch immer nicht zu denken ist. Belenki, der Seitpferd-Weltmeister 1997 aus Stuttgart, war wegen einer Schulteroperation nicht im Olympiakader. Ebenso wenig Charkow, dem die Achillessehne gerissen war.
Von den Älteren hat nur der 31-jährige Berliner Peter Nikiferow dem DTB mitgeteilt, dass er in diesem Jahr seine Karriere ausklingen lassen will. Charkow und Belenki trainieren inzwischen wieder. Ob der DTB bereits bei der WM völlig auf die Routiniers verzichten kann, wird sich ohnehin erst bei den Qualifikationswettkämpfen zeigen. Selbst Friedrich schließt nicht ganz aus, dass ein erfahrener Athlet die Mannschaft komplettieren muss.
"Konfliktfälle sollten sportlich gelöst werden, nicht administrativ", sagte DTB-Präsident Rainer Brechtken. Bislang waren die turnenden Senioren, wenn es darauf ankam, immer in der Lage, die jugendlichen Herausforderer zu deklassieren - zumindest an ihrem Spezialgerät. Friedrich aber hat sich bereits ein rein sportliches Nominierungskriterium ausgedacht: Jeder Kandidat soll einen kompletten Sechskampf turnen. Es wäre kein Wunder, wenn die Älteren nach ihren schweren Operationen vor einer derart komplexen Anforderung kapitulierten.

 (B.Klimke / Berl. Zeitung v.10.03.2001
Foto: gymmedia)

(- siehe auch Kienbaum-Kader-Lehrgang Februar: ...neue Gesichter im Jahr 1 nach Sydney")

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