gymmediaonline.gif (2895 Byte)  ..ging den in einem Artikel des Magazins "TurnBörse" (4/99) mit reißerischer Überschrift dargestellten Zusammenhängen in der Berliner und der deutschen Kunstturnszene nach und stellte fest:

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TurnBörse handelt mit Emotionen

(21-07-99)

Was ist wirklich dran an "Aufstand oder Rücktritte en masse?" bei den Berliner Turnerinnen?
(von GYMmedia-Mitarbeiter Andreas Götze, Stuttgart)

"Ich war sehr verärgert und sehr erregt über diesen Artikel", versicherte Brigitte Dube, Mutter der Berliner Turnerin Janina Dube, die bei den Deutschen Meisterschaften Anfang Juli in Tübingen den Titel am Stufenbarren gewann. Der Grund für Frau Dubes Erregung: Der Beitrag "Aufstand oder Rücktritte en masse?" in der Zeitschrift "TurnBörse" vom Juli/August.
Schon die Dachzeile zur Überschrift suggeriert dem Leser ein grundlegendes Problem im Lager der deutschen Turnerinnen: "Vor der Deutschen Meisterschaft in Tübingen... warnen Eltern der Kunstturnerinnen:".

Der besagte Beitrag allerdings hat nur einen Warner aufzubieten –
Donald Mahncke, den Vater der 98er EM-Teilnehmerin Stefanie Mahncke. Über drei Seiten wird ihm Gelegenheit gegeben, seine Sicht der Dinge zu verbreiten, die angeblich faul sind im Turnerinnen-Staate Deutschland und auch dazu geführt hätten, daß seine 16jährige Tochter den Leistungssport aufgab. Da ist von "permanenter Frustration" in der Trainingshalle die Rede, von zu wenig Menschlichkeit, Ratlosigkeit der Trainer und Gewichtsproblemen. "So, wie die Trainer mit den Turnerinnen umgehen, kann keine Leistung bei herauskommen", wird Mahncke zitiert. Dabei nimmt gerade Berlin in puncto Leistung bundesweit die Spitzenstellung ein, auch im Nachwuchsbereich.

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Janina Dube

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Steffen Gödicke

Zwangsläufig fühlt sich Bundestrainer Steffen Gödicke, der Stefanie Mahncke beim SC Berlin anderthalb Jahre lang betreute, in dem Artikel kritisiert. Zu unrecht, wie nicht nur er meint. Trotz gravierender und dauerhafter Probleme hinsichtlich der Leistungsbereitschaft Stefanie Mahnckes hat Gödicke seinem Schützling Chance um Chance eingeräumt und auch dann noch versucht, Stefanie auf dem leistungssportlichen Weg voranzubringen und ihre Talente zu entfalten, als selbst Tainerkollegen für sie keine turnerische Zukunft mehr sahen. "Schon vergessen, Herr Mahncke" ,schreibt der Berliner Landestrainer Juri Robel in einer Entgegnung auf besagten Artikel, "welchen Auftritt Stefanie bei den EM 1998 bot? Nicht die mangelnde Leistung im Wettkampf enttäuschte zuallererst, sondern wie sich Steffi im Training und Podiumsdurchgang verhielt. Ihr provokantes Auftreten, die demonstrative Anti-Haltung ließen  schon im Mai vergangenen Jahres daran zweifeln, ob Steffi überhaupt an einer echten Leistungsentwicklung interessiert ist."
Von "Alarmstimmung bei den Kunstturnerinnen kurz vor den Deutschen Meisterschaften..." weiss die TurnBörse zu berichten und begann mit diesen Worten besagten Artikel.  GYMmedia fragte bei den angeblich "warnenden Eltern" nach:

"Unsere Tochter geht gern zum Training"

Was Frau Dube an dem TurnBörse-Beitrag vor allem so verärgert hat, ist die "Anmaßung Herrn Mahnckes, im Namen der Eltern zu sprechen".  "Ich kenne keine anderen Eltern hier in Berlin, die solch eine Meinung hätten, wie sie in der TurnBörse zum Ausdruck kommt."
Im Gegensatz zu Herrn Mahncke, der in Schwerin wohnt, sind die Dubes mehrmals im Monat in der Turnhalle und schauen beim Training ihrer Tochter zu. "Da herrscht eine ganz normale Atmosphäre zwischen Trainern und den Mädchen, und die Turnerinnen sind auch nicht gefrustet", versichert
Frau Dube. "Unsere Janina geht gern zum Training, wir haben noch nie von ihr Beschwerden in der genannten Art gehört. Dabei haben wir ihr immer versichert: Wenn es ihr zuviel ist, kann sie aufhören. Aber Janina akzeptiert den Leistungssport und das zweimalige Training pro Tag, denn sie weiß, was sie will: an den WM in China teilnehmen und sich mit der Mannschaft für die Olympischen Spiele qualifizieren. Sydney ist ihr großes Ziel."

Nicht viel anders sehen das die Deutsche Mehrkampfmeisterin Samira Jaeger ("Bei uns ist alles okay, ich wüßte nicht, daß irgendjemand einen Aufstand plant") und Yvonne Pioch, die nach längerer Krankheit und einer Fußverletzung allen Grund zum Frust hätte. "Die Stimmung bei uns ist total gut", bestätigt auch die 19jährige, die allerdings einräumt, daß es Spannungen zwischen Turnerinnen und Trainern im Spitzensport schon mal gibt, wie es auch zu Beginn des Jahres der Fall war. "Wir haben uns daraufhin zusammengesetzt, darüber geredet und dann hat sich die Atmosphäre auch gebessert. Aber das war vor dem Erscheinen des Beitrags."

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Samira Jaeger
Deutsche Mehrkampfmeisterin 1999

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Yvonne Pioch
-Mehrfache Deutsche Meisterin -

Auf Turnerinnen wie Trainern laste ja immerhin ein enormer Druck, versucht Yvonne Pioch den zeitweiligen Streß im Training zu erklären. "Alle reden darüber, daß wir die Olympiaquali schaffen müssen und daß davon sehr viel abhängt. Das führt natürlich zu Nervositäten. Aber zur Zeit läuft es bei uns recht gut." Yvonne selbst ist nach der langen Zwangspause optimistisch. "Ich will zur WM, und ich denke auch, daß wir die Norm für Sydney schaffen."

So wie die Berliner Turnerinnen das in der TurnBörse Geschilderte nicht nachvollziehen können, ist auch Donald  Mahncke mit der Darstellung nicht so recht zufrieden. "Da ist einiges etwas unglücklich formuliert. Meine Kritik geht eigentlich in Richtung der Funktionäre im DTB, die die optimalen Bedingungen für Trainer und Turnerinnen schaffen müßten. (Was auch immer damit gemeint ist./d.A.) Die Trainer wollte ich nicht angreifen, im Gegenteil: Ich wollte ihnen helfen, ihnen den Rücken stärken", erklärte Donald Mahncke. In die sportliche Ausbildung, in das Fachliche wolle er sich gar nicht einmischen. Ihm gehe es um den pädagogischen und psychologischen Aspekt, und insofern halte er den TurnBörse-Beitrag von der Sache her für richtig.

Tochter Stefanie übrigens wohnt nach wie vor im Internat des SC Berlin, trainiert weiterhin täglich – allerdings beim "Euro-Team", und das Training dort mache ihr viel Spaß, berichtet der Vater.

Unfaire Verallgemeinerungen

Es ist etwas ganz Normales passiert: Eine Turnerin hatte keine Lust mehr zum Spitzensport, woraufhin ihr die Trainer nahelegten, den Leistungssport zu beenden. Punkt.

TurnBörse-Autor und –herausgeber Thomas Schreyer muß sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, mit besagtem Artikel im Boulevardstil lediglich Emotionen zu verkaufen, seinen eigenen Anspruch – im Sinne angestrebter Objektivität möglichst "beide Seiten zu hören" – sträflich vernachlässigt zu haben. Der Beitrag strotzt vor Widersprüchen, Belanglosigkeiten, unzulässigen Verallgemeinerungen und ziellosen Vorwürfen an Trainer und "die da oben". Und das ist in höchstem Maße unfair gegenüber jenen Trainerinnen und Trainern, Turnerinnen und deren Eltern, die gemeinsam erhebliche Anstrengungen unternehmen, das weibliche Kunstturnen in Deutschland aus der Talsohle herauszuführen.
Insofern trägt TurnBörse höchstens genau zu  j e n e m  Frust bei, den es zu bekämpfen vorgibt.
                                                                                                                                                    - agö -

Hierzu erreichen uns zahlreiche Meinungsäußerungen.
Wenn auch Sie etwas zur Problematik oder zur Situation im deutschen Frauenturnen generell beizutragen haben, dann mailen Sie uns einfach hier:
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gymmedia.h@t-online.de
  gymmediaonline.gif (2895 Byte)ist gern bereit, Ihren Beitrag im GYM forum zu veröffentlichen.

(Vergleiche auch:  "1999 - Schicksalsjahr des deutschen Frauenturnens?"
(Kommentar von Eckhard Herholz nach den 59. Deutschen Meisterschaften)

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Neues Förster-Syndrom und neue Bedingungen

Hans-Jürgen Zeume (Berlin) schreibt:
Ich habe zwar den Artikel in der Turnbörse nicht gelesen, doch es sei zum Diskussionsbeitrag von Andreas Götze ergänzend angemerkt:

1.- der Trainingsumfang der Turnerinnen des SC Berlin entspricht nicht den Anforderungen, um bei den WM in Tianjin mit hundertprozentiger Garantie sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.
2. - der Trainer-Bundeskader des SC Berlin ist mit Ausnahme von Steffen Gödicke überaltert. Das Problem generell dort sind nicht ausreichende Kreativität und nicht ausreichendes Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Verwaltungsapparat des DTB und ideologischen Gegnern des olympischen Hochleistungsturnen der Frauen. Ein solches Umfeld gab es im DTB schon einmal zu Zeiten der Irmgard Förster, die als 52er Olympiaturnerin und spätere Turnwartin einen erzkonservativen Kurs fuhr. So durften Offizielle und Sportlerinnen des DTB bei den Turn-WM 1962 in Prag nicht die Übungen der weltbesten Turnriegen, auch die der DDR, nicht filmen. Es scheint, dass das "Förster-Syndrom" wiederbelebt wurde und auch viele maßgebliche Medienvertreter infiziert wurden.
3. - und dann stellt sich die Frage, ob Turnerinnen noch immer so geführt werden müssen wie in den fünfziger bis achtziger Jahren im SC Dynamo Berlin. Auch Turnerinnen wollen nicht nur turnen, sie wollen auch einen Freund haben und mit ihm die Sexualität erkunden. Die Nähe von jungen Sportlern beiderlei Geschlechts im Internat bringt zwangsläufig Trainer und Turnerinnen in dieses Spannungsfeld.
Wie kann man dieses entspannen? In Russland, in Rumänien und anderen Ländern sind ehemalige Spitzenturnerinnen als Assistenztrainerin für den Nationalkader gewonnen worden, um auch das Klima zwischen alten Trainern und Funktionären sowie reifen und jungen Turnerinnen zu verbessern. Tendenziell gibt es dazu keine vergleichbaren Bemühungen im DTB. Einziger Lichtblick ist Gabi Weller als TV-Kommentatorin und noch aktive Universade-Turnerin.
Warum gibt man ihr keine Chance oder einer Irene Abel, die vorbildliche Arbeit
als Nachwuchstrainerin beim SV Preußen Berlin leistet und deren Tochter Katrin
das wohl größte deutsche Turntalent unserer Tage ist.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Zeume

Berlin, 01-08-99

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