Was ist wirklich dran an "Aufstand oder Rücktritte en masse?"
    bei den Berliner Turnerinnen? 
    (von GYMmedia-Mitarbeiter
    Andreas Götze, Stuttgart)
    
      
        "Ich war sehr verärgert und sehr erregt über diesen Artikel", versicherte
        Brigitte Dube, Mutter der Berliner Turnerin Janina Dube, die
        bei den Deutschen Meisterschaften Anfang Juli in Tübingen den Titel am Stufenbarren
        gewann. Der Grund für Frau Dubes Erregung: Der Beitrag "Aufstand oder
        Rücktritte en masse?" in der Zeitschrift "TurnBörse" vom
        Juli/August. 
        Schon die Dachzeile zur Überschrift suggeriert dem Leser ein grundlegendes Problem im
        Lager der deutschen Turnerinnen: "Vor der Deutschen Meisterschaft in Tübingen...
        warnen Eltern der Kunstturnerinnen:".  
         
        Der besagte Beitrag allerdings hat nur einen Warner aufzubieten  Donald Mahncke, den Vater der 98er EM-Teilnehmerin Stefanie Mahncke.
        Über drei Seiten wird ihm Gelegenheit gegeben, seine Sicht der Dinge zu verbreiten, die
        angeblich faul sind im Turnerinnen-Staate Deutschland und auch dazu geführt hätten, daß
        seine 16jährige Tochter den Leistungssport aufgab. Da ist von "permanenter
        Frustration" in der Trainingshalle die Rede, von zu wenig Menschlichkeit,
        Ratlosigkeit der Trainer und Gewichtsproblemen. "So, wie die Trainer mit den
        Turnerinnen umgehen, kann keine Leistung bei herauskommen", wird Mahncke zitiert. Dabei nimmt gerade Berlin in puncto Leistung bundesweit die
        Spitzenstellung ein, auch im Nachwuchsbereich.  | 
          
        Janina Dube
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        Steffen Gödicke 
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        Zwangsläufig fühlt sich
        Bundestrainer Steffen Gödicke,
        der Stefanie Mahncke beim SC Berlin anderthalb Jahre lang betreute, in dem Artikel
        kritisiert. Zu unrecht, wie nicht nur er meint. Trotz gravierender und dauerhafter
        Probleme hinsichtlich der Leistungsbereitschaft Stefanie Mahnckes hat Gödicke seinem
        Schützling Chance um Chance eingeräumt und auch dann noch versucht, Stefanie auf dem
        leistungssportlichen Weg voranzubringen und ihre Talente zu entfalten, als selbst
        Tainerkollegen für sie keine turnerische Zukunft mehr sahen. "Schon vergessen,
        Herr Mahncke" ,schreibt der Berliner Landestrainer Juri Robel in
        einer Entgegnung auf besagten Artikel, "welchen Auftritt Stefanie bei den EM 1998
        bot? Nicht die mangelnde Leistung im Wettkampf enttäuschte zuallererst, sondern wie sich
        Steffi im Training und Podiumsdurchgang verhielt. Ihr provokantes Auftreten, die
        demonstrative Anti-Haltung ließen  schon im Mai vergangenen Jahres daran zweifeln,
        ob Steffi überhaupt an einer echten Leistungsentwicklung interessiert ist." | 
       
     
    
      
        | Von "Alarmstimmung bei den Kunstturnerinnen kurz vor den
        Deutschen Meisterschaften..." weiss die
        TurnBörse zu berichten und begann mit diesen Worten besagten Artikel.  GYMmedia fragte bei den angeblich "warnenden Eltern" nach: | 
       
     
     "Unsere Tochter geht gern zum Training"
    Was  Frau Dube an dem TurnBörse-Beitrag vor allem so verärgert hat, ist die "Anmaßung
    Herrn Mahnckes, im Namen der Eltern zu sprechen".  "Ich kenne keine anderen
    Eltern hier in Berlin, die solch eine Meinung hätten, wie sie in der TurnBörse zum
    Ausdruck kommt."  
    Im Gegensatz zu Herrn Mahncke, der in Schwerin wohnt, sind die Dubes mehrmals im Monat in
    der Turnhalle und schauen beim Training ihrer Tochter zu. "Da
    herrscht eine ganz normale Atmosphäre zwischen Trainern und den Mädchen, und die
    Turnerinnen sind auch nicht gefrustet", versichert Frau Dube. "Unsere
    Janina geht gern zum Training, wir haben noch nie von ihr Beschwerden in der genannten Art
    gehört. Dabei haben wir ihr immer versichert: Wenn es ihr zuviel ist, kann sie aufhören.
    Aber Janina akzeptiert den Leistungssport und das zweimalige Training pro Tag, denn sie
    weiß, was sie will: an den WM in China teilnehmen und sich mit der Mannschaft für die
    Olympischen Spiele qualifizieren. Sydney ist ihr großes Ziel."
    
      
        | Nicht viel anders sehen das die Deutsche Mehrkampfmeisterin Samira Jaeger
        ("Bei uns ist alles okay, ich wüßte nicht,
        daß irgendjemand einen Aufstand plant") und Yvonne Pioch,
        die nach längerer Krankheit und einer Fußverletzung allen Grund zum Frust hätte. "Die
        Stimmung bei uns ist total gut", bestätigt auch die 19jährige, die allerdings
        einräumt, daß es Spannungen zwischen Turnerinnen und Trainern im Spitzensport schon mal
        gibt, wie es auch zu Beginn des Jahres der Fall war. "Wir haben uns daraufhin
        zusammengesetzt, darüber geredet und dann hat sich die Atmosphäre auch gebessert. Aber
        das war vor dem Erscheinen des Beitrags." | 
          
        Samira Jaeger 
        Deutsche Mehrkampfmeisterin 1999
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        Yvonne Pioch 
        -Mehrfache Deutsche Meisterin -
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        Auf Turnerinnen wie Trainern laste ja immerhin
        ein enormer Druck, versucht Yvonne
        Pioch den zeitweiligen Streß im Training zu
        erklären. "Alle reden darüber, daß wir die Olympiaquali schaffen müssen und
        daß davon sehr viel abhängt. Das führt natürlich zu Nervositäten. Aber zur Zeit
        läuft es bei uns recht gut." Yvonne selbst ist nach der langen Zwangspause
        optimistisch. "Ich will zur WM, und ich denke auch, daß wir die Norm für Sydney
        schaffen."  So wie die Berliner Turnerinnen das in der TurnBörse Geschilderte
        nicht nachvollziehen können, ist auch  Donald
         Mahncke mit der Darstellung nicht so
        recht zufrieden. "Da ist einiges etwas unglücklich formuliert. Meine Kritik geht
        eigentlich in Richtung der Funktionäre im DTB, die die optimalen Bedingungen für Trainer
        und Turnerinnen schaffen müßten. (Was auch immer damit gemeint ist./d.A.)
        Die Trainer wollte ich nicht angreifen, im Gegenteil: Ich wollte ihnen helfen,
        ihnen den Rücken stärken", erklärte Donald Mahncke. In die sportliche Ausbildung, in das Fachliche wolle er sich gar
        nicht einmischen. Ihm gehe es um den pädagogischen und psychologischen Aspekt, und
        insofern halte er den TurnBörse-Beitrag von der Sache her für richtig.
        Tochter Stefanie übrigens wohnt nach wie vor im Internat des SC Berlin, trainiert
        weiterhin täglich  allerdings beim "Euro-Team", und das Training dort
        mache ihr viel Spaß, berichtet der Vater. | 
       
     
     Unfaire
    Verallgemeinerungen
    Es ist etwas ganz Normales passiert: Eine Turnerin hatte keine Lust mehr zum
    Spitzensport, woraufhin ihr die Trainer nahelegten, den Leistungssport zu beenden. Punkt. 
    TurnBörse-Autor und herausgeber  Thomas Schreyer muß sich
    allerdings den Vorwurf gefallen lassen, mit besagtem Artikel im Boulevardstil lediglich
    Emotionen zu verkaufen, seinen eigenen Anspruch  im Sinne angestrebter Objektivität
    möglichst "beide Seiten zu hören"  sträflich vernachlässigt zu haben.
    Der Beitrag strotzt vor Widersprüchen, Belanglosigkeiten, unzulässigen
    Verallgemeinerungen und ziellosen Vorwürfen an Trainer und "die da oben". Und
    das ist in höchstem Maße unfair gegenüber jenen Trainerinnen und Trainern, Turnerinnen
    und deren Eltern, die gemeinsam erhebliche Anstrengungen unternehmen, das weibliche
    Kunstturnen in Deutschland aus der Talsohle herauszuführen. 
    Insofern trägt TurnBörse
    höchstens genau zu  j e n e m  Frust bei, den es zu bekämpfen vorgibt.  
                                                                                                                                                       
    - agö -
    Hierzu erreichen uns
    zahlreiche Meinungsäußerungen. 
    Wenn auch Sie etwas zur Problematik oder zur Situation im deutschen Frauenturnen generell
    beizutragen haben, dann mailen Sie uns einfach hier: 
      
    gymmedia.h@t-online.de 
       ist
    gern bereit, Ihren Beitrag im GYM
    forum zu veröffentlichen. 
     
    (Vergleiche auch:  "1999 - Schicksalsjahr des deutschen
    Frauenturnens?" 
    (Kommentar von Eckhard Herholz nach den 59. Deutschen Meisterschaften) 
    
      
         
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            Neues
            Förster-Syndrom und neue Bedingungen  | 
           
         
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        Hans-Jürgen Zeume (Berlin) schreibt: 
        Ich habe zwar den Artikel in der Turnbörse nicht gelesen, doch es sei zum
        Diskussionsbeitrag von Andreas Götze ergänzend angemerkt: 
         
        1.- der Trainingsumfang der Turnerinnen des SC Berlin entspricht nicht den Anforderungen,
        um bei den WM in Tianjin mit hundertprozentiger Garantie sich für die Olympischen Spiele
        zu qualifizieren. 
        2. - der Trainer-Bundeskader des SC Berlin ist mit Ausnahme von Steffen
        Gödicke überaltert. Das Problem generell dort sind nicht ausreichende
        Kreativität und nicht ausreichendes Durchsetzungsvermögen gegenüber dem
        Verwaltungsapparat des DTB und ideologischen Gegnern des olympischen Hochleistungsturnen
        der Frauen. Ein solches Umfeld gab es im DTB schon einmal zu Zeiten der Irmgard Förster, die als 52er Olympiaturnerin und spätere
        Turnwartin einen erzkonservativen Kurs fuhr. So durften Offizielle und Sportlerinnen des
        DTB bei den Turn-WM 1962 in Prag nicht die Übungen der weltbesten Turnriegen, auch die
        der DDR, nicht filmen. Es scheint, dass das "Förster-Syndrom"
        wiederbelebt wurde und auch viele maßgebliche Medienvertreter infiziert wurden. 
        3. - und dann stellt sich die Frage, ob Turnerinnen noch immer so geführt werden müssen
        wie in den fünfziger bis achtziger Jahren im SC Dynamo Berlin. Auch Turnerinnen wollen
        nicht nur turnen, sie wollen auch einen Freund haben und mit ihm die Sexualität erkunden.
        Die Nähe von jungen Sportlern beiderlei Geschlechts im Internat bringt zwangsläufig
        Trainer und Turnerinnen in dieses Spannungsfeld.  
        Wie kann man dieses entspannen? In Russland, in Rumänien und anderen Ländern sind
        ehemalige Spitzenturnerinnen als Assistenztrainerin für den Nationalkader gewonnen
        worden, um auch das Klima zwischen alten Trainern und Funktionären sowie reifen und
        jungen Turnerinnen zu verbessern. Tendenziell gibt es dazu keine vergleichbaren
        Bemühungen im DTB. Einziger Lichtblick ist Gabi Weller als
        TV-Kommentatorin und noch aktive Universade-Turnerin. 
        Warum gibt man ihr keine Chance oder einer Irene Abel, die
        vorbildliche Arbeit  
        als Nachwuchstrainerin beim SV Preußen Berlin leistet und deren Tochter Katrin  
        das wohl größte deutsche Turntalent unserer Tage ist. 
        
          
            Mit freundlichen Grüßen 
            Hans-Jürgen Zeume | 
            Berlin,
            01-08-99  | 
           
         
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