Ehrengast
zur Gala "50 Jahre Berliner Turner-Bund" (Siehe auch: kicker-Wahl "Sportler des Jahrhunderts) |
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Olympiasiegerin '80 - |
Du bist so schön schlank und rank geblieben. Wieviel Gewicht hatte
die frühere Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin und Weltpokalsiegerin
früher, wieviel heute. Du könntest ja fast wieder an die Geräte treten? M.GNAUCK: Danke. Mein letztes Wettkampfgewicht war 47 Kilo. Jetzt wiege ich etwa 53 Kilo. Du bist gewissermaßen von der Bildfläche verschwunden gewesen. Was machst Du heute, wo lebst Du heute und mit wem lebst Du? M.GNAUCK: Ich arbeite in Norderstedt in einem Verbund von drei Vereinen im Kunstturnzentrum Harksheide als Trainerin, habe dort Turnerinnen von 4 bis 16 Jahren, ungefähr 50. Ich wohne in einem Nachbarort, in Henstedt-Ulzburg. Allein. Du trägst wie Steffi Graf noch Deinen Mädchennamen Gnauck? M.GNAUCK: Ja. Warum und wann bist Du als Ur-Berlinerin von Berlin weggegangen, in den Norden Richtung Hamburg gezogen? M.GNAUCK: 1993, weil es zur damaligen Zeit nur Kurzzeitverträge, ABM-Stellen und so was ähnliches gab. Da auszuhalten, das war meinem damaligen Freund und mir zu unsicher, so daß wir uns umgehört haben. Es hatten sich dann zwei Trainerstellen im Norden ergeben. Bist Du glücklich in Norderstedt? M.GNAUCK: Ich habe mich inzwischen eingelebt, es sind ja auch schon sieben Jahre her. Ich komme mit den Menschen gut zurecht und habe neue Freunde gefunden. Ich kann mich eigentlich nicht beklagen. Dein Dialekt ist etwas nordisch geworden? M.GNAUCK: Ich bemühe mich in Interviews immer hochdeutsch zu sprechen. Wenn ich in Berlin bin, verfalle ich öfters ins Berlinerische zurück.
1984 in Los Angeles hätte es zu einem Zusammentreffen mit Steffi Graf und Dir kommen können, die damals das olympische Demonstrations-Turnier gewann... M.GNAUCK: Wir mussten ein paar Wochen später nach "Los Olomouc" zu den Gegenspielen... Es gab eine große Gala nur Dir zu Ehren zu Deiner Verabschiedung 1985. Hast Du noch irgendwelche Erinnerungen an Cottbus? M.GNAUCK: Cottbus, da findet ja alljährlich das Turnier der Meister statt. Es war schon zu DDR-Zeiten immer ein Wettkampf, wo die gesamte Nationalmannschaft mitgeturnt hat, meistens als Qualifikation für EM oder WM. Ich habe daran eigentlich immer gute Erinnerungen. Die Halle war immer voll, das Publikum nett, sie applaudierten immer und kannten sozusagen die Turnelite. Es war immer ein schönes Gefühl. Ich fahre heute öfters nach Cottbus, weil das meistens auch verbunden ist mit einer Trainerweiterbildung, die wir zweijährlich absolvieren. Es ist immer schön dorthin zu kommen. Mit Sylvio Kroll haben sie dort auch einen Turnierdirektor, der öfters auch mal daran erinnert, was wir früher alles geleistet haben. Turnt Maxi Gnauck heute noch? M.GNAUCK: Ich habe vor einem Jahr in der Halle immer noch mal geturnt. Doch dann war ich allein und es hat mir keinen Spaß gemacht. Ich bin jetzt im Fitness-Studio, mache verschiedene Kurse mit. Das macht mir eigentlich auch Spaß. Aber den Kindern turnst Du nichts mehr vor, machst mal einen Handstand oder einen Flickflack? M.GNAUCK: Solche Sachen wie Handstand oder Rad ja. Also, den Flickflack kann ich noch, aber ohne Erwärmung tue ich es auch nicht. Besuchst Du noch selbst Turn-Wettkämpfe? M.GNAUCK: Durch meinen Beruf als Trainerin bin ich selbst bei Turn-Wettkämpfen dabei, meinen Möglichkeiten entsprechend, da, wo meine Turnerinnen dabei sind. Ansonsten, größere Wettkampfe da, wo es sich anbietet. Vergangenes Jahr war ich auch beim Grand Prix-Turnier in Cottbus. Ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler absolvieren derzeit Express-Kurse an der Sporthochschule Köln, um ihren Trainerschein zu bekommen. Wie war das bei Dir nach Deiner Laufbahn? M.GNAUCK: Ich habe ein Direktstudium in Leipzig begonnen und dort vier Jahre Sportwissenschaft studiert. Mein Spezialfach war Turnen. Ich habe ein Zeugnis als Diplom-Sportlehrer. Welchen Wert hat dieses Zeugnis jetzt in den alten Bundesländern. Wird es anerkannt oder wie bewertet man es? Oder bewertet man Dich heute vor allem als frühere Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin, Weltpokalsiegerin? M.GNAUCK: Am Anfang war das ziemlich schwierig. Man hat das Diplom, das ich an der DHfK erworben habe, nicht anerkannt. Was natürlich eine ziemliche Frechheit ist, weil in Leipzig die Ausbildung darauf ausgerichtet war, um künftig im Hochleistungssport tätig zu sein. Man hat sich dann so entschieden, daß man doch die A-Lizenz als Diplom-Sportlehrer anerkannt bekam, ohne noch einmal neu studieren zu müssen. So war das bei mir... Du hast Deinen letzten Wettkampf mit 20 Jahren bestritten, 18jährig haben jetzt Janina Dube, Samira Jäger und Katrin Kewitz ihre Laufbahn beendet. Wie bewertest Du deren Entscheidung? M.GNAUCK: Es kommt immer darauf an, welchen Leistungsstand man hat. Zu meiner Zeit war das so, dass ich mit 18 Jahren in der Weltspitze gewesen bin und konnte dann in den nächstfolgenden zwei Jahren diesen Platz halten. Die Situation im deutschen Frauenturnen ist ja so, dass keine Mannschaft nach Sydney fährt und nur noch die besten zwei als Einzelstarterinnen antreten können. Ich glaube schon, dass sie sich richtig entschieden haben. Wenn sie noch ein, zwei Jahre länger gemacht hätten, auf welches Ziel hätten sie dann hintrainiert? Experten haben nach dem Scheitern der deutschen Turnerinnen bei den WM 99 für Olympia 2000 geschrieben, daß das Problem nicht so sehr die Turnerinnen seien, sondern das der Trainer auch im SC Berlin, weil dort die Kreativität offensichtlich abhanden gekommen ist? M.GNAUCK: Das Problem ist vor allem die Ungewissheit. Kein Trainer weiß, wie lange sein Vertrag läuft. Er weiß nicht, wie lange er noch arbeiten darf. Darunter leidet auch der Nachwuchs und seine Entwicklung. Da muss man soviel rumjonglieren, persönliche Dinge betrachten, wie lange kann ich noch dem Beruf nachgehen... Aber einige meinen auch, dass ein Trio Roland Brückner, Angelika Hellmann, Maxi Gnauck, die früher für das Berliner Frauenturnen arbeiteten, es heute wieder neu aktivieren könnten? M.GNAUCK: So etwas sind Spekulationen. Wir haben sehr gute Trainer gehabt, von meinem Trainer Jürgen Heritz angefangen. Auf solche Trainer greift man einfach nicht mehr zurück, setzt nicht mehr auf ihre Erfahrungen, weil man einfach zu stolz ist. Das Problem ist die persönliche Situation eines jeden einzelnen, der heute in Berlin arbeitet. Könntest Du Dir vorstellen, ins deutsche Spitzenturnen als Trainerin oder Wissenschaftlerin zurückzukehren? M.GNAUCK: Im Moment eigentlich kaum. Wenn Du ein Angebot bekämst? M.GNAUCK: Die Bedingungen sind dafür in Deutschland nicht gegeben, es anzunehmen... Oder traust Du Dir es nicht zu? M.GNAUCK: Das kann ich nicht sagen, weil ich als Trainerin in diesem Bereich noch nicht gearbeitet habe. Anke Schönfelder, die erste gesamtdeutsche Meisterin nach dem 2. Weltkrieg, hat in Südafrika und nun in Namibia diesen Versuch gemacht, Du warst selbst in Südafrika. Könntest Du Dir vorstellen, im Ausland zu arbeiten? M.GNAUCK: Ich habe es ja einmal zwei Monate in Südafrika probiert. 1991. Aber es war nur ein Abstecher, wo ich von vornherein wußte, daß ich dort nicht für längere Zeit bleibe. Ich bin mehr meinem Land verbunden, obwohl ich auch zehn Wochen in England war und die Sprache ganz gut beherrsche.
Würde die Einladung dann wieder in den Norden gehen? M.GNAUCK: Vorläufig will ich dort bleiben. (Das Gespräch für am Rande der Festveranstaltung "50 Jahre Berliner Turnerbund" führte unser Mitarbeiter Hans-Jürgen Zeume. Berlin, den 09.01.2000)>> Siehe auch: , Mitglied der "Hall of Fame", Oklahoma,
-- Aufnahme als erste deutsche Turnerin (Juni 2000) |