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"Formulierungen laden zu Missbrauch ein"

IOC-Vizepräsident hält die Ministerpläne zur Ausländerbeschränkung für unausgegoren

Von Thomas Bach
. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn sich die Innenminister der Länder Gedanken um die Förderung des Nachwuchses im deutschen Sport machen. Dabei können die Pläne, Sportlern aus Nicht-EU-Ländern zukünftig den Zugang zu den unteren Ligen zu verweigern, aber nur ein Ansatz sein. Vielleicht erhielte damit der sportliche Nachwuchs hierzulande tatsächlich mehr Chancen sich zu bewähren. Ob davon dann die Nationalteams profitieren, bleibt fraglich. Dies aber muss das Ziel jeder Nachwuchsförderung sein. Schließlich sind die Auswahlmannschaften die Aushängeschilder des Sports - die Olympischen Spiele 2000 in Sydney und die Fußball-EM haben das deutlich vor Augen geführt.

Die Initiative der Innenminister lässt jedoch viele Fragen offen. Nicht geklärt scheinen zum Beispiel mögliche Wettbewerbsverzerrungen bei Auf- und Abstieg in Profiligen. Im übrigen laden einige Formulierungen geradezu zu Umgehung und Missbrauch ein. Die Geschichte der Scheinarbeitsverhältnisse ist nicht nur im bezahlten Fußball eine ebenso alte wie trübe Erfahrung. Wir können nicht wünschen, dass diese einst durch unsinnig gewordene Amateurvorschriften bedingte Entwicklung jetzt wieder durch ausländerrechtliche Vorschriften zu neuem Leben erweckt wird. Die Wirkung der Initiative bleibt aber auch deshalb fraglich, weil in drei bis fünf Jahren viele jetzt Nicht-EU-Länder dann EU-Länder sein werden. Kann und will man diese Länder während der Beitrittsverhandlungen tatsächlich dauernd aussperren? Was bringt eine derartig kurzfristig wirkende Maßnahme für eine langfristig anzulegende Nachwuchsförderung? Außerhalb aller leistungssportlichen Überlegungen sollte zudem nicht vergessen werden, dass es Sinn des Sports ist zu integrieren, nicht auszugrenzen.

Die Innenminister der Länder wären daher gut beraten, wenn sie ihre Überlegungen sorgfältiger mit dem Deutschen Sport-Bund (DSB) überprüfen und an die Realitäten des Sports anpassen würden. Selbst dann werden viele Fragen offen bleiben müssen, weil sich auch im Sport die Fragen der Migration und des Wettbewerbs nicht mehr nur national regeln lassen.

Die EU muss sich endlich zu einer gemeinsamen und umfassenden Sportpolitik durchringen. Dabei haben sich weder der Sport noch die Staats- und Regierungschefs der EU während des letzten Gipfeltreffens in Nizza mit Ruhm bekleckert. Die dort verabschiedete Resolution über den Sport in der EU ist inhaltlich verwässert und rechtlich bedeutungslos. Es gelingt der EU nicht, den Sport in seiner Gesamtheit zu erfassen. Die Wettbewerbshüter betrachten den Sport genauso wie ein Waschmittelunternehmen. Andere, oder noch schlimmer, manchmal die gleichen, betonen dann in feierlichen Reden die soziale, pädagogische Funktion des Sports und fordern diesen auf, seine unbestrittene Integrationskraft noch stärker für politische Ziele einzusetzen. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass das eine das andere bedingt. Die gesellschaftspolitischen Aufgaben des Sports können nur durch eine sinnvolle Vermarktung finanziert werden. Deshalb darf der Sport nicht unbedacht auseinanderdividiert werden, wenn man seine sozialen Leistungen weiter in Anspruch nehmen will.

Daher bleibt die EU aufgerufen, zusammen mit den relevanten Sportverbänden eine tragfähige EU-Politik für den Sport zu entwickeln. Diese Grundsätze müssen dann zwingend in das europäische Vertragswerk aufgenommen werden. Dabei sind die besonderen sozialen und erzieherischen Werte des Sports ebenso zu berücksichtigen, wie die Finanzierung solcher Programme. Die EU sollte sich im Zuge dieser Gespräche endlich zu einer Harmonisierung ihrer Anti-Doping-Politik durchringen. Es ist untragbar, wenn Dopingsünder von staatlichen Stellen in jedem europäischen Land unterschiedlich behandelt werden. Verbalen Bekenntnissen zum Kampf gegen Doping sollten Taten folgen, insbesondere ein finanzieller Beitrag zur unabhängigen internationalen Anti-Doping-Agentur (WADA), bei der die Politik zwar die Hälfte der Sitze einnimmt, die Finanzierung jedoch ausschließlich durch das IOC erfolgt, das allein für 2001 circa 30 Millionen Mark für Anti-Doping-Forschung zur Verfügung stellt.
 Eine solche umfassende europäische, besser EU-Sportpolitik muss die Rolle des Sports bei der Findung des Selbstverständnisses eines zukünftigen Europas berücksichtigen. Dabei gehen wohl alle Verantwortlichen von einem Europa der Regionen und Nationen aus. Die Geschichte Europas war immer auch ein kultureller Wettstreit. Die Zukunft Europas wird sich nicht gestalten lassen als kultureller Einheitsbrei. Auf der Basis der Anerkennung von europäischen Leitwerten wird und muss es auch in Zukunft regionale Ausgestaltungen geben, will man nicht Spannungen geradezu provozieren. Entscheidend dabei ist es, den Menschen die Möglichkeit der Identifikation mit ihrer Region, ihrer Nation zu lassen. Dabei spielt der Sport, die Identifikation mit der Heimmannschaft, der Nationalmannschaft, eine bedeutende Rolle. Deshalb dürfen EU-Regeln diese Besonderheiten nicht zu einem Einheitsbrei verdampfen und solche Mannschaften durch die ungeprüfte Anwendung wirtschaftlicher Regularien gesichtslos und austauschbar machen. Hier unterscheidet sich die europäische Sportkultur deutlich von der amerikanischen.

Die Voraussetzungen für ein funktionierendes, von den Bürgern getragenes Europa liegen auch in einem friedlichen kulturellen Wettstreit der Völker und Regionen unter dem gemeinsamen europäischen Dach. Genauso funktioniert der Sport. Er kann daher einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für das Europa der Zukunft leisten. Die EU sollte das Potenzial endlich erkennen und gemeinsam mit den Sportverbänden ausschöpfen. Sie könnte damit ihre Mitgliedsstaaten vor übereilten Alleingängen bewahren und weitsichtig sportpolitische Initiativen für einen sinnvolleren Zuständigkeitsbereich steuern.

Der promovierte Jurist Thomas Bach (47) aus Tauberbischofsheim amtiert als Vizepräsident im Internationalen Olympischen Komitee.

 

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