Wirbel an der Jahnschule:
Die profilierte Gesamtschule an der Bogenstraße (Eimsbüttel) will nach 65 Jahren
ihren Namen ablegen - so hat es die Schulkonferenz bereits beschlossen. Grund für den
ungewöhnlichen Schritt: Die "völkisch geprägte Gedankenwelt" von Turnvater
Friedrich Ludwig Jahn (1778 bis 1852) stehe im krassen Gegensatz zu den Leitzielen der
Schule. Die lauten unter anderem so:
"Wir wollen miteinander offen sein für die Vielfalt von Fremdem und
Neuem", und:
"Wir wollen uns einsetzen für solidarisches Miteinander und gewaltfreie
Lösung von Konflikten."
Tatsächlich will der martialische Vorturner, den schon der Historiker Heinrich von
Treitschke einen "lärmenden Barbaren" nannte, nicht recht zu diesen Leitsätzen
passen - vor allem nicht etliche seiner eigenen Sätze. "Wehe über die Juden, so da
festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum
schmähen", hat der markige Rauschebart einst gedroht, und zur Turnerei dürfe
überhaupt nicht kommen, wer "Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt".
Das sind zwar Einzelsätze, losgelöst aus Jahns Gesamtwerk und vor mehr als 150
Jahren geschrieben, aber die Schule will trotzdem endgültig nicht mehr damit in
Verbindung gebracht werden. Schulleiterin Christa Carl zum Abendblatt:
"Es geht hier nicht darum, Bilderstürmerei zu betreiben. Die Umbenennung ist Teil
unserer eigenen Identitätsfindung."
Als große Belastung wird es vor Ort auch empfunden,
dass die
Jahnschule unter den Nationalsozialisten gerade wegen ihres Namens besonders stark
vereinnahmt wurde. "Die Jahn-Schule trägt schon in ihrem Namen die hohe
Verpflichtung, in ihrer Arbeit die Erziehungsgrundsätze neu zu wecken (...) in dem
umfassenden Rahmen einer bewusst vaterländischen und völkischen Erziehung und Ausbildung
(...)", tönt es in einer Festschrift von 1938, ausgegraben im Staatsarchiv. Und in
einem Schreiben von 1935 beschwert sich ein Kreisleiter darüber, dass noch zirka 40 bis
50 jüdische Kinder an der Jahnschule unterrichtet würden, schließlich sei die doch
"nach einem ersten Vorkämpfer für ein völkisches Deutschland" benannt. Wie
sich diese "Verpflichtung" auf den Alltag der Schüler auswirkte, berichtete als
Zeitzeuge der Hamburger Autor Uwe Storjohann, Jahnschüler der ersten Stunde, jetzt
anlässlich einer Diskussion in der Schule. "Kübel von Beschimpfungen" hätten
leistungsschwächere Turnschüler um 1935 über sich ergehen lassen müssen, Kasten,
Barren und Reck seien ihm "wie Folterinstrumente" vorgekommen. Immer wieder
seien die Kinder streng ermahnt worden, es dem Namenspatron gleichzutun, der
Turnunterricht habe sich mehr und mehr zu Übungen auf dem Kasernenhof entwickelt.
In derselben Diskussion beglückwünschte der Hannoveraner
Sportwissenschaftler Prof. Lorenz Peiffer die Schule zur Entscheidung der
Umbenennung. Zwar sei Jahn sicherlich kein Nationalsozialist gewesen, aber seine
völkisch-rassistischen Thesen gehörten zweifellos zu seiner Biographie. Die Diskussion
über die Umbenennung sei "ein wichtiger, mutiger Beitrag zur politischen
Bildung".
Die Namenssuche läuft an der Schule auf Hochtouren, eine entsprechende
Ausschreibung endet bereits morgen. Gesucht wird ein Personen- oder Stadtteilname. Ein
Mensch, nach dem die Schule benannt werden könnte, muss sich unter anderem politisch oder
sozial engagiert haben und Hamburg verbunden sein. Eine inoffizielle Liste gibt es
bereits, aber entschieden wurde noch nichts. Zu
möglichen "Anwärtern gehören: Hannah Arendt, Erich Fried, Ida Ehre, Heinrich
Heine, Joseph Carlebach und Hans Henny Jahnn. Als Stadtteilname wird unter anderem
"Gesamtschule am Grindel" gehandelt. Zeitzeuge Storjohann überraschte sein
Auditorium mit einem eigenen Vorschlag: Carl von Ossietzky. Nach dem ist in
Hamburg allerdings schon ein Gymnasium in Poppenbüttel benannt. Die
abschließende Entscheidung trifft die Schulkonferenz vor den Herbstferien.
(Hervorhebungen: GYMmedia)
- Im
Jahr 1997 stellte die Schulleitung einen Antrag auf Umbenennung der
Schule, der mit großer Mehrheit angenommen wurde. Schüler, Lehrer und
Eltern sammelten nun mögliche Namen für Ihre Schule. Zunächst wurde der
Name „Gesamtschule am Grindel“ bevorzugt, aber 1999 fand die Abstimmung
über den neuen Namen statt, wobei die Umbenennung auf den Namen von
Ida Ehre
gewann.
Jedoch kam es zu Verfahrensfehlern, und die Wahl wurde am 7. Dezember 2000
wiederholt und mit Zustimmung der Schulbehörde abgeschlossen.
- Am 15. Juli 2001 wurde die Schule dann
offiziell in
Ida-Ehre-Gesamtschule umbenannt.
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Weniger
Schulsport in Hamburg
Diffuser Vorstoß
Von CHRISTOPH RIND |
Viele Lehrer und die meisten Eltern in
Hamburg sehen rot, wenn in der Hamburger Schulbehörde mal wieder neue Direktiven
ausgebrütet werden. Denn allzu oft hat die glück- und geschicklos agierende Senatorin
Rosemarie Raab (SPD) schon den Schulalltag verändert, ohne dass sich etwas zum Guten hin
gewandelt
hat. Was oft in ehrenwerter Absicht
ausgedacht erschien, verhedderte sich
sehr bald im Widerstreit der Interessen.
Was bleibt, ist die Misere:
Unterrichtsausfall, Reparaturstau und
Lehrer, die sich über Mehrarbeit
beklagen. Jetzt soll nach den Sommerferien der Schulsport in einigen Jahrgangsstufen
gekürzt werden. Die aufgeregten Kritiker - selbst Mediziner warnen vor weniger
Sportunterricht - werden von der Schulbehörde auf ein Hintertürchen verwiesen: Die
Schulkonferenzen, bestehend aus Lehrern und Elternvertretern, könnten im Rahmen der
"Flexibilisierungsstundentafel" ja anders
beschließen und die Sportstunden an
"ihrer" Schule wieder auf den alten Stand aufstocken. Warum das Ganze dann? Und
welchen Sinn macht es, die Diskussion über die "richtige" Zahl von Sportstunden
in jede einzelne Schule hineinzutragen mit der Empfehlung an Lehrer und Eltern,
"eigene Schwerpunkte zu setzen"?
Der jüngste Vorstoß aus dem Hause
Raab taugt jedenfalls zu einem nicht: die tiefen Gräben zwischen der Behörde und den
Lehrern oder Eltern zu überbrücken.
Für die Senatorin und ihre Mannschaft gilt, was viele Schüler auch von Lehrern hören:
Sie müssen noch viel lernen...
- Ist Jahn wirklich 'out' oder geht man mit ihm falsch um?
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Weniger
Sport in der zweiten Klasse
Deputation billigt Vorlage - Kritik von
Experten |
Der Sportunterricht soll im nächsten
Schuljahr auch bei den Zweitklässlern eingeschränkt werden. Eine entsprechende
Vorlage billigte gestern die Deputation der Schulbehörde mit ihrer rot-grünen Mehrheit.
Die "Verordnung über die
Stundentafel für die Grundschule" sieht zum August dieses Jahres eine Kürzung der
Regelstunden im Sportunterricht von drei auf zwei vor. Dafür soll das Fach Freie
Gestaltung in der zweiten Klasse von einer auf zwei Stunden erweitert werden.
Gleichzeitig stimmte die von Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) geleitete Deputation,
höchstes Beschlussgremium der Behörde, einer "Flexibilisierungstafel" zu.
Danach können
die Schulen, wenn die Schulkonferenzen das beschließen, von der Regelstundentafel
abweichen und es bei drei Wochenstunden Sport und einer Stunde Freie Gestaltung
belassen. "Mit der neuen Stundentafel wird nichts
gekürzt, sondern es werden Mindest- und Höchststundenzahlen festgelegt, wie es das
Schulgesetz vorsieht", erklärte Viola
Griehl, die Sprecherin der Schulbehörde. Endgültig muss der Senat noch die neue
Verordnung absegnen. Sie betrifft in der
zweiten Klasse etwa 12 700 Schüler. Die gleiche Regelung soll auch für die Primarstufe
der Sonderschulen gelten. Die neue Stundentafel erhöht die Unterrichtsstunden für
Mathematik in der
Klasse vier von vier auf fünf pro Woche. Den Schulen steht es frei, den
Wahlpflichtbereich Künste um eine auf zwei Wochenstunden aufzustocken. Nach Ansicht der
Schulbehörde darf das Bewegungsbedürfnis der Kinder nicht auf den Sport beschränkt
werden. Deshalb werde das Fach Freie Gestaltung
gefördert. Wie berichtet, hatte die Deputation schon im vorigen Oktober - damals
einstimmig - die Reduzierung des
Sportunterrichts in der siebten Klasse der Haupt- und Realschulen von drei auf zwei
Stunden beschlossen. Die Lehrergewerkschaft GEW, Lehrerkammer, CDU und FDP protestierten
gegen Einschränkungen beim Sport. Die CDU will
das Thema vor die Bürgerschaft bringen. Ihre Abgeordnete Bettina Machaczek schlägt eine
Anhörung im Schulausschuss
vor, "damit die Abgeordneten der Regierungsparteien wissen, wofür sie sich im Falle
ihrer Zustimmung zu verantworten
haben". Ihr Fraktionskollege Wolfgang Beuß begehrt mit einer Anfrage vom Senat
Auskunft, wieviel Sportunterricht an den Schulen erteilt worden ist und wie viele Stunden
ausgefallen sind. Er fragt auch: "Was soll in der zusätzlichen Unterrichtsstunde
Freie Gestaltung geschehen?" Das Vorhaben der Schulbehörde stößt bei Experten und
Betroffenen auf
Ablehnung. "Ich kann das nicht verstehen", sagt Julia Liedtke, Vorsitzende der
Schülerkammer. "Viele können es sich nicht leisten, im Sportverein zu trainieren,
dadurch wird die Stimmung an den Schulen noch schlechter."
Auch Dr. Klaus-Heinrich Damm, geschäftsführender Arzt der Ärztekammer Hamburg, hält
das Vorhaben für falsch:
"Der Schulsport hat eine enorm wichtige Funktion: Er gleicht den Bewegungsmangel der
Schüler aus, und der ist heute,
aufgrund des veränderten Freizeitverhaltens, viel größer als früher. Wenn ein Kind
nicht schon in der Schule die Freude am Sport lernt, ist es sehr wahrscheinlich,
dass es
sie nie lernt. Und
das hat oft schlimme Folgen für die Gesundheit von Körper und Seele." Christiane
Andres-Martin, Sportlehrerin und Leiterin der Grundschule Ochsenwerder, sagt: "Wir
brauchen den Sportunterricht, weil die Schulung der Motorik die Denkleistung der Kinder
erhöht." Eher mehr als weniger Sport in der Schule fordert Manfred
Möller, Sonderpädagoge und Fachberater für Psychomotorik: "Den Kindern von heute
fehlen sowieso schon viele Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen. So etwas
muss der Schulsport bieten, aber auch die Pausen. Wir müssen den Sportunterricht deshalb
erweitern und vielfältiger gestalten, denn im Moment ist er zu einseitig, es werden fast
nur Ballspiele gemacht." Klaus-Jürgen Dankert, Präsident
des Hamburger Sportbundes, kündigt an: "Wir werden uns mit anderen Organisationen
wie GEW, Ärztekammer und
Universität abstimmen und massiv gegen diese Pläne vorgehen." (rup/gog)
1999
-ehe-
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