FRIEDRICH LUDWIG JAHN

FREYBURG - Perle des Unstruttales.
   - STADT DES TURNVATERS -

+15. Oktober 1852

 150. Todestag FRIEDRICH LUDWIG JAHN

„Der gutmüthige deutsche Schalk“
Von Gerd Steins, Kulturwart des Berliner Turnerbundes

Seit mehr als 150 Jahren gibt Dr. hc Dr. hc Friedrich Ludwig Jahn, uns allen als "Turnvater" bekannt, vielen Regimen, Parteiungen, Verbänden und Lobbyisten im deutschen Sprachraum Anlass, das für die jeweilige Richtung passende Quentchen Wahrheit aus seiner Biografie zu destillieren und entweder einen Heilsgesang anzustimmen oder ein Verdammungsurteil auszusprechen! Die Taten und Äußerungen, die dem jeweiligen Urteiler nicht so recht in den Kram passen, werden dabei unter den Tisch gekehrt - eine Verhaltensweise, die sich regelmäßig an den "Jahn'schen Jahrestagen" als "Kontinuum" der Jahnwürdigungen beobachten lässt. Anders ausgedrückt:
Jahn und sein Schaffen dient als Steinbruch, aus dem sich jeder die Mosaiksteine für sein interessengebundenes Jahn-Bild herausbricht.
 
Hier soll kein weiteres Zerrbild entwickelt werden, sondern es ist viel lohnender, zwischen dem 150. Todestag (15. Oktober 2002) und dem 225. Geburtstag (11. August  2003) Personen in mehreren Folgen zu Wort kommen zu lassen, die Jahn aus eigenem Erleben beurteilen konnten.

Ernst Moritz Arndt schrieb über Jahn im November 1855:
"Ja, der gutmüthige deutsche Schalk, das bleibt die Ueberschrift auf Jahns Leben. Wann höhere Gefühle von Ehre, Vaterland und Freiheit ihn nicht eben hielten, sprang dieser lustige Schalk sogleich aus ihm hervor, oder vielmehr ging er mit ihm durch; und durch diese seine angeborne Natürlichkeit (naturalezza), die doch als Lust und Liebe in seinen schönen blauen Augen und in all seiner Gebärde leuchtete, hat dieser Mann, wie ich eben sagte, durch seine Gebärde so als durch seine Rede und die seltene Gabe derselben die grosse Macht auf das gute gemeine Volk und auf die Knaben und Jünglinge gehabt, welche ihm ja bös genug in die Schuhe gegossen worden ist.

Er war kein gewaltiger Redner, aber war ein geborner Sprecher, Erzähler und Fabelmacher für alle Kleinen und Geringen. 


Ernst Moritz Arndt 
(geb. 26.12.1769 in Groß-Schoritz auf Rügen als Sohn eines ehemaligen Leibeigenen).
Er studierte Geschichte und Theologie. 1805 wurde er Professor in Greifswald. Wegen seiner antinapoleonischen Flugschrift "Geist der Zeit" musste er nach Stockholm fliehen. Er folgte 1812 dem Freiherrn vom Stein als Privatsekretär nach Petersburg. Arndt starb am 29.01.1860 in Bonn.

Er hatte das Volk im Herzen und verstand die Sprache desselben wohlgefällig zu sprechen. Er trug einen reichen mächtigen Bestandtheil deutscher Art in seinem Innern. Ich darf sagen, indem ich den Mann und seine treue redliche Wirksamkeit auf Erden heute noch loben muss: Jahn konnte vortrefflich eulenspiegeln, ja, wann er in guter Laune war, musste er diese Rolle oft spielen; aber nur die Rolle des lustigen schalkhaften Eulenspiegels, nicht des schmutzigen und unfläthigen, womit die Geschichtsbücher des in Mölln an der Elbe begrabenen Euelnspiegels gefüllt sind. Zu Jahns Ehre sei es gesagt: leicht fuhr sein Herz, ja zu leicht fuhr es ihm oft über die Zunge, aber von allen wüsten und schlüpfrigen Spässen wandte sich sein Blick und sein Wort flugs im unwilligen Zorn ab. Indem er vieles oft oberflächlich und leicht zu nehmen schien, muss doch bekannt werden, dass es mit der Ehre, mit der deutschen Ehre und Ehrlichkeit, mit der deutschen Treue und Sittlichkeit wenigen wohl mehr ernst gewesen ist als ihm. ...
Ihm war widerfahren was allen Rhapsoden, die in Gottesbegeisterung aus einer gewissen Höhe zum Volk zu reden bestimmt sind, unvermeidlich widerfahren muss, dass sie nicht nur alles Leben und die Erscheinungen desselben erzählen und schildern müssen, sondern dass sie mit allem ihrem Sein in dem ewig beweglichen Redestrom mit fortgeschwemmt werden. Nicht bloss was er gethan, gewirkt und geschaffen hatte, sondern auch alles was er jemals gewollt, entworfen, gestrebt oder wozu er nur Anläufe genommen hatte, war in das Fabelleben seiner Rede so unwillkürlich und unbewusst mit verflochten, als wären Thaten und Werke gewesen, was zum Theil kaum Einfälle und Anläufe, geschweige geordnete Entwürfe gewesen waren.

Daher bei ihm vor vielen so leicht der Schein des Prahlers. Es war dies auch nur eine eulenspiegelnde Poeterei des Fabulanten.  
In dieser Weise habe ich geglaubt, über den rechtschaffenen aber seltsamen Mann gegen viele Verkleinerer und einige Schmäher ein kurzes und leichtes Wort der Erklärung und Berichtigung sprechen zu dürfen. Man kann nur auf wenige Gräber leuchtende Rosen und glänzende Lorbeeerkränze streuen, aber der treuen, redlichen Tugend eines Mannes, wo sie ist und was sie ist, soll man doch ein bescheidenes grünes Kränzchen aufs Grab legen."

Ehrung am Jahngrab aus Anlass des 150. Todestages 
am 15. Oktober 2002

(Mit freundlicher Genehmigung:
Berliner TurnMagazin, Ausg. 9-10/2002, Seite 1)

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15-Okt-2002
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