15. August 2013
Stuttgart
Gerätturnen
Turn-WM 2013 ohne Nguyen und Hill
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Marcel Nguyen, Lisa Katharina Hill (- beide MTV Stuttgart)
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Der Deutsche Turner-Bund (DTB) muss bei den bevorstehenden 44. Turn-Weltmeisterschaften 2013 (30. 09. - 06. 10., Antwerpen) auf den olympischen Silbermedaillengewinner im Mehrkampf und am Barren, auf Marcel Nguyen (MTV Stuttgart) verzichten, ebenso auf dessen Klubkameradin Lisa Katharina Hill.
Während Hill sich im USA-Trainingslager in Boston eine Fußverletzung (rechts) zugezogen hatte, argumentiert Nguyen mit "gewisser Erholungsphase" zugunsten "inhaltlich langfristigem Leistungsaufbaus" für sein Fernziel Olympia 2016 in Rio de Janeiro.
Während der DTB den Entschluss Marcel Nguyens nach Aussage seines Sportdirektors Wolfgang Willam "... sehr bedauert, denn unser sportlicher Schwerpunkt liegt auf den internationalen Meisterschaften und wir wollen dort stets mit den besten Athleten antreten. Aber auch mit Blick auf die Olympischen Spiele akzeptieren wir in diesem speziellen Fall die Entscheidung und den von ihm eingeschlagenen Weg...".
Bedenklicher Hintergrund dieser Entscheidung eines Weltklassemannes ist in erster Linie ein mit Top-Ereignissen total überfrachteter internationaler Welt-Turnkalender:
* - Allein in diesem noch jungen Jahrtausend hat der Weltverband FIG seit 2001 schon 9x Weltmeisterschaften organisiert - die 10. stehen in Antwerpen bevor. Dabei wurden seit Gent 2001 63 Mal Weltmeister bei den Männern und 45 Mal Weltmeisterinnen gekürt.
* - Da nun auch der europäische Kontinentalverband (UEG) jährlich (!!) seine Europameisterschaften durchführt (- 14 Mal (!!) nach der Jahrtausendwende mit weit über 100 Champions) und dazu noch die Flut von Weltcup - bzw. Challenge-Cup-Ereignissen dazu kommt, hat dies inzwischen zu einer Inflation von Großereignissen geführt und leider damit auch zu einem Werteverlust der Einzelveranstaltungen bzw. der Profilschärfe ihrer Leistungsträger in der allgemeinen Öffentlichkeit. Selbst Insidern und eingefleischten Fans fällt es zunehmend schwerer, sich all die Namen und Personen der internationalen Turnszene, die für zweifellose Spitzenleistungen sorgten, im Langzeitgedächtnis zu behalten...!
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Dr. Karsten Ewald, Geschäftsführer MTV Stuttgart
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Dr. Karsten Ewald, Geschäftsführer des MTV Stuttgart, Heimatclubs von Marcel Nguyen:
" Man muss sich die Frage stellen: Was sind Weltmeisterschaften in dieser Häufigkeit heute überhaupt noch wert, wenn man einzelne auch weglassen kann? Man hat als Athlet des Spitzenbereichs auch allerhand zu verlieren, wenn man jährlich 'auf allen Hochzeiten' mehrfach und mit Erfolg tanzen will.
Da lasse ich doch als Turner, der zwischendurch auch inhaltlich Neues lernen will und muss, mal eine WM weg, bin zur WM 2014 zwischen den Olympischen Spielen wieder voll da, als dass ich irgendwo 'unter ferner liefen' einkomme.
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Wolfgang Willam, DTB-Sportdirektor, FIG-Exekutive
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Ich halte Marcel Nguyens Entscheidung und die seines Trainers Waleri Belenki deshalb nicht nur für akzeptabel und nachvollziehbar, sondern auch mit Blick auf den Weltturnkalender für absolut gerechtfertigt! Denn der Attraktivität des an sich doch so attraktiven Kunstturnens dient diese Ereignisfülle allerdings absolut nicht!"
Als Landesverband stets mit den Besten anzutreten ist also insofern nicht mehr als ein frommer Wunsch, ausgerechnet geäußert von d e m Mann, Wolfgang Willam, der beim Weltverband als FIG-Exekutivmitglied für den Weltjahreskalender zuständig ist - oder haben dort jene das Sagen, die als Erbsenzähler für die globalen Einnahmen durch die weltweite Fernsehvermarktung den ersten Blick auf die Finanzen haben...?
Das wäre sehr bedenklich und zu kurz gedacht, weil weder im Sinne der Athleten, noch im Sinne des langfristigen medialen Wertepotenzials der telegenen Sportart Turnen gedacht!
Schaue man doch einfach auf die Leichtathletik:
Aller zwei Jahre eine WM, alles andere ist Hokuspokus!
(c) gymmedia / -ehe-
* Schon zwischen den Olympischen Spielen von 2008 und 2012 kritisierten wir die >
internationale Wettkampfrhythmisierung (Jan 2010);
und auch das
Fachmagazin LEON* stellte in seinem Editorial (Feb 2010) die Frage: > "
Wieviel ist ein Champion wert?" Schlüssige Antworten oder gar Veränderungen fehlen derzeit noch immer!