Am 5. Mai 1990 übernahm Anita Pester, die langjährige Sportlehrerin und Turntrainerin im thüringer Städchen Stadtroda, das Amt der Präsidentin des ersten, neu gegründeten Landesverbandes des Turnverbandes Thüringen, und führte ihn in die komplizierten Zeiten des politischen und gesellschaftlichen Umbruches. Im Alter von 85 Jahren ist Anita PESTER nun am Wochenende nach längerer Krankheit verstorben. In über 50 Jahren vorbildlichen Engagements für die Turnbewegung hat sie sich in verschiedensten Bereichen größte und bleibende Hochachtung verdient ...:
Die ersten Landesturnpräsidenten bei Neugründung 1990 in den neuen Bundesländern: (v-li.): Rudi REICHERT (Meck.-Vorpommern), Anita PESTER (Thüringen), Prof. Dr. Jürgen LEIRICH (Sachsen-Anhalt), Ulli BAUMANN (Brandenburg).
(- auf dem Foto fehlt für Sachsen: Dr. Harry Schwarz).
Schon zu DDR-Zeiten profilierte sie ihren Stadtrodaer Turnverein zu einem Zentrum für Turntalente. Bei ihr trainierten z. B. spätere Turner und Turnerinnen von Weltruf. So war sie die erste Übungsleiterin von Bernd JÄGER, später Mitglied der bronzenen Olympiariege von 1976, dessen Flugelement, der Jägersalto, 1974 zur Weltmeisterschaft in Warna (BUL) weltweit die "Flugbewegungen" am Reck auslöste. "Der Familie Pester gehört meine tiefe Anteilnahme und meine bleibende Erinnerung an meine erste Übungsleiterin, die mich für das Turnen begeistert hat", übermittelte uns der heute in Rinteln lebende Ex-Nationalmannschaftsturner.
<< Auch Annett Gieseler-LINDNER stammte aus dem Thüringer Holzland und lernte einst in den siebziger Jahren in Stadtroda das Turnen bei Anita Pester, wechselte später zum SC Chemie Halle, war 1981 in Cottbus 3. der DDR-Meisterschaften im Mehrkampf, mit Maxi Gnauck Deutsche Vize-Meisterin am Balken und gewann im selben Jahr als Nationalturnerin zur Weltmeisterschaft in Moskau mit der DDR-Riege die Bronzemedaille.
(<< Das Foto links zeigt Annett Lindner beim DDR-Turnfest 1983 in der Leipziger Messehalle 7).
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Nie scheute Anita Pester Schwierigkeiten, wenn sie sich auftaten und Hindernisse gab es genug, als nach den politischen Umbrüchen der Wende in den jungen deutschen Ländern alles anders wurde: Es war ihre Leidenschaft von früher Jugend an, die sie dazu brachte, das keineswegs einfache Präsidentenamt des Thüringer Turnens zu übernehmen, noch bevor irgendwo anders es jemand vorlebte: Sie waren der erste Turnverband der sich gründete und sehr früh verband sie sich damals mit dem Partnerverband Hessen und fand in dessen Strukturen und mit Werner Mais als langjährigen dortigen Präsidenten und Vizepräsidenten des DTB auch die entsprechende Unterstützung. Leider gelang es auch ihr nicht, die jahrzehntelangen Traditionen des leistungsorientierten Gerätturnens, wie sie in der Gründerszene der Sportschule Bad Blankenburg in Gera, Greiz, und später vor allem im professionellen Spitzensport-Zentrums des SC Motor Jena bestanden, in die neuen gesellschaftlichen Strukturen zu überführen. Doch trotzdem belebte sie im Präsidentenamt die Thüringer Vereinsstrukturen in breitester Linie, besonders auch auf der Grundlage solch` historischer Linien, wie sie in Schnepfenthal und Waltershausen einst von GutsMuths begründet wurden.
<< Zum Turntag 2012 überreichte ihr der damalige Präsident, Prof. Dr. Jürgen Dieckert in Würdigung ihrer umsichtigen Verbandsführung die "Walter-Kolb-Plakette".
Für ihre über ein halbes Jahrhundert vollbrachte Lebensleistung als engagierte Lehrerin, Erzieherin, Übungsleiterin, Trainerin und später verantwortungsvolle Funktionärin sowie Mitgestalterin der deutschen Enigungsprozesse wurde ihr 2004 das "Bundesverdienstkreuz am Bande" verliehen.
Vor drei Jahren (2016) überreichte der Landessportverband Thüringen der Ehrenpräsidentin des Landesturnverbandes die "GutsMuths-Ehrenplakette", gerade auch in einer persönlich sehr harten Zeit ihres fast ein Jahrzent andauernden, fast übermenschlichen Kampfes gegen eine heimtückische Krankheit - ... der sie nun im Alter von 85 Jahren erlegen war.
Auch weit über die Thüringer Landesgrenzen hinaus wird die Sportwelt dieser verdienstvollen Turnerin aus Leidenschaft stets ein ehrendes Andenken bewahren!
(c) gymmedia / E. Herholz